Mecklenburgische Seenplatte Reiseführer Michael Müller Verlag. Sabine Becht
Truppen und diese bald von sowjetischen Truppen abgelöst. Als Bezirkshauptstadt in der DDR erlebte Schwerin erneut eine rege Bautätigkeit; so ließen der Ausbau der Weststadt und der Neubau der Stadtteile Lankow und Großer Dreesch die Einwohnerzahl erstmals auf über 100.000 steigen. 1990 einigte man sich auf Schwerin als Hauptstadt des neuen Bundeslandes Mecklenburg-Vorpommern. Heute ist Schwerin die kleinste Landeshauptstadt Deutschlands.
Derzeit bewirbt sich Schwerin um eine Aufnahme in das UNESCO-Weltkulturerbe. Genauer gesagt soll die einzigartige romantische Kulturlandschaft rund um das Märchenschloss auf der Insel Weltkulturerbe werden, einschließlich des Gebäudeensembles Alter Garten mit Staatstheater und des Staatlichen Museums vis-à-vis und natürlich des herrlichen Schlossparks (u. a.). Das „Residenzensemble Schwerin - Kulturlandschaft des romantischen Historismus“ steht bereits auf der Vorschlagsliste.
Sehenswertes in Schwerin
Hauptanziehungspunkt ist natürlich das prächtige Schweriner Schloss mit seinen repräsentativen Räumlichkeiten - ohne Schlossbesichtigung bleibt ein Schwerin-Besuch unvollständig. Über die Schlossbrücke kommt man zum wenige Meter entfernten Alten Garten, der von Staatstheater, Galerie Alte & Neue Meister und Kollegienhaus umrahmt wird. Auf der Schlossstraße gelangt man von hier - entlang diverser klassizistischer Repräsentativbauten, in denen heute die Landesregierung logiert - zum hektisch-modernen Marienplatz im Herzen der Innenstadt. Auf halbem Weg rechts ab geht es über die Puschkinstraße zum Marktplatz, hinter dem der Dom der Stadt unmittelbar aufragt. Von dieser beschaulichen Ecke Schwerins erreicht man in wenigen Minuten (z. B. weiter über die Puschkinstraße) die Schelfstadt. Nur einen Katzensprung weiter westlich liegt der Pfaffenteich, Schwerins „Binnenalster“. Auch hier am städtischen See reihen sich zahlreiche historische Repräsentativbauten, an seinem Südufer laden eine riesige Freitreppe und diverse Cafés zur Rast ein.
Schloss und Schlossgarten
Schloss: Ein imposantes Bauwerk, das sich auf einer winzigen Insel wie aus dem Wasser zu erheben scheint. Unzählige Türmchen und Aufbauten lassen an die Schlösser an der Loire denken, und in der Tat fühlte sich Georg Adolph Demmler (1804-1886), der wichtigste Baumeister des Schweriner Schlosses, vom Château Chambord im Loire-Tal inspiriert, wenn auch einige Jahrhunderte nach der Erbauung des prächtigen französischen Renaissanceschlosses.
Über eine Befestigung der heutigen Burginsel berichtete bereits im Jahr 973 ein arabischer Kaufmann namens Ibrahim ibn Jacub. Anfang des 11. Jh. ist von der Burg „Zuarin“ des Obotritenfürsten Niklot die Rede, die 1160 durch den Sachsen Heinrich den Löwen (1129-1195) eingenommen und zur ersten Residenz der Grafschaft Schwerin erkoren wurde. Es folgten erste Ausbauten auf der Burginsel, bis Herzog Johann Albrecht I. (1525-1576) im 16. Jh. das Bauwerk anlässlich seiner Hochzeit in weiten Teilen im Renaissancestil umgestalten ließ. 1560-1563 wurde die Schlosskirche angebaut, seinerzeit der erste protestantische Kirchenneubau in Mecklenburg. Dann aber ging es abwärts: 1756 verließen die Fürsten Schwerin und errichteten sich eine Residenz im etwa 40 Kilometer südlich gelegenen Ludwigslust. Als sie 1837 wieder zurückkehrten, war das ehemals prächtige Schloss heruntergekommen und kaum noch bewohnbar. Sechs Jahre später schlug die Stunde von Hofbaurat Demmler. Großherzog Paul Friedrich (1800-1842) hatte noch einen kompletten Residenz-Neubau am heutigen Alten Garten im Sinn, sein Nachfolger Friedrich Franz II. (1823-1883) hingegen entschloss sich, das Schloss stattdessen großzügig umzubauen und zu diesem Zweck Teile des alten Gebäudes abreißen zu lassen - nur zur Seeseite hin blieben Elemente des typisch mecklenburgischen Renaissancebaus aus dem 16. Jh. erhalten. Hofbaurat Demmler und sein Architektenkollege Hermann Willebrand (1816-1899) bauten zwischen 1843 und 1851 weite Teile der Anlage im Stil der Neorenaissance um. Der spätere Baumeister Friedrich August Stüler (1800-1865) veränderte die Fassade zur Stadtseite hin und fügte hier das Reiterstandbild des Obotritenfürsten Niklot wie auch die prachtvolle Goldkuppel an. Die feierliche Eröffnung des neuen Schlosses fand 1857 statt.
Am Schloss
1913 zerstörte ein Brand weite Teile des Schlosses, das 1919 zum Staatseigentum erklärt wurde. Nach langen Restaurierungsarbeiten wurde hier 1921 ein erstes Schlossmuseum eröffnet (bis 1945), von 1952 bis 1981 diente das Gebäude als Pädagogische Schule, an der Kindergärtnerinnen ausgebildet wurden. 1974 begann man erneut mit Restaurierungsarbeiten, die noch immer nicht abgeschlossen sind. Seit Herbst 1990 hat der Landtag Mecklenburg-Vorpommerns hier seinen Sitz.
Der Rundgang durch das Schloss führt zunächst hinauf in die Beletage (zweiter Stock), wo sich die Wohngemächer der Herzogin befanden. „Beletage“ verspricht nicht zu viel: Es folgen in der Tat recht schmucke Räumlichkeiten, darunter das Speisezimmer mit kunstvoll gefertigtem Parkettboden und kostbarer Wandvertäfelung, die „Rote Audienz“ mit handgewebter roter Tapete, das Teezimmer (ursprünglich der älteste Raum des Schlosses), das runde Blumenzimmer mit Stuckdecke und Deckenmalerei sowie der „Blaue Salon“, das überaus gemütliche Wohnzimmer der Herzogin mit blauer Seiden-/Damasttapete und handgeschnitzten Wandkonsolen.
Im dritten Stock gelangt man in die Festetage mit den Repräsentationsräumen und den Gemächern des Herzogs: Letztere sind nur teilweise zugänglich, darunter das Adjutantenzimmer, das Rauchzimmer (für die Regierungspause) und die Bibliothek. Hinter dem Bücherregal befindet sich übrigens ein Geheimgang, der es dem Herzog ermöglichte, sich auch mal ohne Wissen seines Adjutanten (respektive der Herzogin ...) zu absentieren. Schließlich gelangt man in den Thronsaal, den prachtvollsten Raum des Schlosses, mit kunstvollem Intarsienparkett, einem vergoldeten Thronsessel mit Baldachin (dahinter das Wappen von Mecklenburg) und Säulen aus Carrara-Marmor, dem original erhaltenen Kronleuchter, einem aufwändigen Deckengemälde nebst Stuckarbeiten - und einer geradezu modernen Heizung. Die im Rundgang anschließende Ahnengalerie hatte der Untertan auf dem Weg zur Audienz abzuschreiten und bekam nebenbei die Legitimation des Fürsten in Erinnerung gerufen. Zu sehen sind mehr oder minder schmeichelhafte Porträts aller mecklenburgischen Fürsten von 1348 bis 1800.
Wer die Besichtigung des Schlossmuseums vervollständigen will, findet im ersten Stock eine umfangreiche Porzellansammlung sowie eine Waffensammlung (Aufgang gegenüber der Kasse im Erdgeschoss).
Wieder draußen, lohnt es sich, einmal komplett um das Schloss herumzugehen: Der Burggarten wurde von Joseph Lenné (1789-1866) im englischen Stil konzipiert, wobei auch die Dachterrassen der Orangerie (heute Café) gartenarchitektonisch mit einbezogen wurden.
♦ Schlossmuseum: Mitte April bis Mitte Okt. Di-So 10-18 Uhr, im Winter Di-So 10-17 Uhr, Mo geschlossen. Einlass bis eine halbe Stunde vor Schließung (Achtung: Die Porzellan- und Waffensammlung wird gerne auch einmal deutlich früher geschlossen). Eintritt 8,50 €, erm. 6,50 €, Kinder und Jugendl. unter 18 J. frei, Fotoerlaubnis 3 €. Führungen durch Beletage und Festetage im Sommerhalbjahr Di-So 11 und 13.30 Uhr, Mai/Juni auch Sa/So 15 Uhr, Juli/Aug. auch Di-So 12 und 15 Uhr, in den Wintermonaten nur Di-So 11.30 Uhr, Sa/So auch 13.30 Uhr, Dauer 1 Std. 3 €/Pers., erm. 2 €. Audioguide 2 €. Lennéstr. 1, 19053 Schwerin, Tel. 0385-5252920, www.schloss-schwerin.de.
Exklusive Sitzgelegenheit: im Thronsaal des Schweriner Schlosses