Rodinka: Meine russische Kindheit. Lou Andreas Salomé

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bin ich wirklich einsam geworden –. Die verengerte Wohnung, das ist der beginnende Sarg.«

      Obwohl er nicht mit uns übersiedeln wollte, nur Sommers zu Besuch kommen, »solange die alten Knochen noch hielten«, freute er sich doch mit uns der veränderten Sachlage und riet dringend, die Abreise zu beschleunigen, um noch Zeit für eine gehörige Erholung irgendwo herauszuschlagen. Dadurch ging es zuletzt tatsächlich etwas fieberhaft beeilt bei uns zu, und ich redete mir ein, ich dürfe überhaupt keinen andern Gedanken mehr in mir aufkommen lassen als den an die vorliegenden Tagespflichten:

      An einem Abend, als ich von Großpapa fortgehen wollte, faßte er an mein Kinn und hob mein Gesicht ein wenig. Mit seinen großen stahlblauen Augen – den Augen, die wir als Kinder immer so gern für unsere »mißfarbenen«, die zwischen blau, grau und braun spielten, eingetauscht hätten, betrachtete er mich lange stumm.

      Ich hatte sicherlich kein schlechtes Gewissen, aber es war manchmal gar nicht zu glauben, was alles unter Großpapas stahlblauen Augen sich unvermutet im Inwendigsten regte.

      »– Hör einmal, Kind –. Ist es wirklich allein die Arbeiterei, daß du darüber ganz dünn und spitznasig geworden bist, ganz bläßlich und häßlich? – Musja – ist es mit dem Packen so arg –?«

      Ohne meine Hände von seinem Hals zu lassen, den ich zum Abschiedskuß hielt, senkte ich das emporgehobene Gesicht und versteckte es an seinem Rockärmel.

      »Sieh mich nicht so an, Großpapa –. Es ist ja doch die Freude –«

      »Ist es Freude – Musja? Oder ist es auch, weil es dir nicht ganzleicht fällt, fortzugehen?«

      Bei diesem Wort erzitterte ich, und Herzklopfen machte mich atemlos. Fest klammerte ich mich an ihn, ich stammelte: »Ach Großpapa – nicht – nicht –!«

      »Doch, mein Kind, sage es mir«, flüsterte er, mich an sich haltend, auf mein Gesicht niedergebückt, »es ist besser, es ist nötig für dich –.«

      »Ich kann wirklich nicht, Großvater! Ich weiß es ja nicht – es ist ja nur etwas so Schweres, das immer da ist – es ist so schwer für die Freude« – antwortete ich mühsam, denn mir schien, wenn ich auf das Schwere hinblickte, dann mußte es sich wie ein über mir schwebender Felsblock lösen und mich zerschmettern. Ich hob mit plötzlicher Verzweiflung den Kopf. »Großvater, manchmal denke ich: ob der Tod denn schwerer ist? Ich möchte bei der Mutter sein.«

      Ihn durchfuhr ein Ruck. Er suchte sichtlich nach einer harmlosen Entgegnung, fand keine, und, mein Gesicht wieder an sich drückend, streichelte er mich, so zart, als vermöchten diese Hände über das verletzlichste Spinnweb noch hinzugleiten, ohne es zu reißen.

      Du liebe teure Hand.

      »– Wenn ihr nur erst irgendwo euch erholen werdet – der Vater und du im schönsten Süden irgendwo –, wird es dann nicht doch herrlich sein? – Dort, wo es jetzt schon blüht, Margot!«

      »Ja, Großpapa«, sagte ich gehorsam.

      Hin und wieder nur rief er mich mit meiner Mutter Namen, den ich von ihr hatte; und stets war es dann, als dränge sich in die Zärtlichkeit solcher Minuten auch noch der ganze Reichtum seiner Liebe zu ihr mit herauf und lösche die Zeit und sprenge die Jahre.

      »Und denk mal, was mir jetzt manchmal durch den Kopf geht! Sitzt denn nicht in Kiew die liebste unserer baltischen Verwandten? Und ist nicht Vaters befreundetster Kollege an der Charkower Universität?«

      »Ja, Großpapa.«

      »Nun paß mal auf: Könntet ihr denn nicht gleich in Rußland diesen Süden aufsuchen, ehe ihr ganz fortgeht? Wie wär denn das? Wenn Großpapa hilft?«

      Wie das wäre? Sollte ich russisches Land sehen in seiner ganzen Weite, ehe ich es verließ? Ich blickte dem Großpapa starr und erwartungsvoll ins Gesicht. Aber würden der Vater und ich es auch richtig ausfindig machen – das, was ich meinte? Würden wir Uns nicht im Russischen verlaufen?

      Großpapa sah wohl die aufsteigende Hoffnung, sah Scheu, Bedenken, höchste Spannung deutlich genug in meinem Blick. Aus dem seinen stahl sich ein Lächeln, fein, so fein, daß es sich den Zügen gar nicht mitteilte.

      »Margot, Kind«, sagte er plötzlich und küßte mich. »Ich möchte doch, daß jemand mir erzählen könnte, ob du auch dort unten im schönen Süden noch ebenso spitznasig, so häßlich und bläßlich bleibst. Was meinst du –? Wenn ich mir da einen Berichterstatter hielte – zum Beispiel in Kiew um die Osterzeit? Du weißt, wie gut ich dem Witalii von Kindesbeinen an bin; ich glaube, den Gefallen tät er mir.«

      » Ach – Groß–papa –«, machte ich atemlos.

      »Margot, mein Herzchen.«

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