Türkischer Mokka mit Schuss. Susann Teoman

Türkischer Mokka mit Schuss - Susann Teoman


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kam. Er trug weiße Hosen wie Don Johnson in »Miami Vice« und darunter riesige Sportschuhe, die er auch dazu hätte benutzen können, auf dem Mars zu landen. Groß genug waren sie jedenfalls.

      Sein Haar war schulterlang und im Nacken straff zu einem Würmchen zurückgegelt. Noch während er die Auffahrt zu unserem Haus heraufkam, zog uns der Duft eines ambossschweren Aftershaves in die Nase: Mama wurde entweder bei seinem Anblick oder bei seinem durchdringenden Geruch schwindelig, dann wurde sie blass, während Papa sie stützte.

      Mir war von vornherein klar, dass Mama und Papa ihn nur empfingen, damit ich wüsste, dass es auch miese türkische Männer gab und ich mir gefälligst einen anständigen Kerl aussuchte, solange es noch welche gab, denn Männer warteten ja auch nicht ewig, und ich war ja auch schon sechsundzwarizig bla bla bla ...

      Na ja, ich wollte natürlich nichts riskieren und habe deshalb, wie immer, wenn Ayshe mit einem Heiratskandidateri im Schlepptau vorbeikam, Pelin angerufen, die den Zuhälter vergrault hat.

      Wie gesagt, ich glaubte nur an das, was ich sah, und ich sah immer wieder, dass Pelin diese merkwürdigen Kräuter in den Kaffee mischte und dass die Männer dann urplötzlich kein Interesse mehr an mir hatten. Ich weiß nicht, wie, aber es funktionierte immer!

      Der Kaffee begann zu brodeln, und ich verteilte den Schaum mit einem Teelöffel gleichmäßig in die Tässchen, dann griff ich nach einem Teesieb und filterte die Kräuter heraus. Erst dann kippte ich den Kaffee in die Mokkatässchen.

      Pelin zwinkerte mir verschwörerisch zu. »Keine Angst, bisher hat es doch auch immer geklappt«, lächelte sie.

      Dann öffnete sie mir zuerst die Küchentür und dann die Tür zum Wohnzimmer.

      »Oh, ihr habt Besuch? Entschuldigt, das wusste ich nicht. Ich komme morgen wieder«, flötete Pelin unschuldig.

      »Nein, bleib doch, Pelin! «, erwiderte Mama herzlich und legte einen Arm um sie.

      »Pelin ist die Tochter meiner besten Freundin, und sie ist mir teuer wie eine zweite Tochter«, erklärte sie stolz.

      Pelin und ich tauschten einen vielsagenden Blick aus. Sie hatte für den Bruchteil einer Sekunde ein schlechtes Gewissen, das konnte ich genau sehen.

      Pelin lächelte schwach und nahm dann neben meinem Vater auf einem weiteren Stuhl Platz, während ich kommentarlos den Kaffee verteilte.

      »Melda, ich muss schon sagen, von allen Mädchen weit und breit kochst du hier den besten Kaffee«, lobte Ayshe mich, während sie genüsslich an ihrer Tasse nippte. Ich rang mir ein höfliches Lächeln ab, während ich mir vorstellte, wie sie an dem riesigen Schluck Kaffee, der ihr gerade den feisten Hals herabrann, erstickte.

      Mädchen! Ich war ganz sicher kein Mädchen mehr! Ich war eine ausgewachsene Frau, halt nein, ich war sogar mindestens zwei Frauen, jawohl! Das musste mir erst einmal einer nachmachen.

      »Wir sind heute hier, um über die Zukunft von Melda und Ali zu sprechen«, riss die Kupplerin erneut das Wort an sich, während Ali unruhig an seiner Krawatte herumnestelte.

      »Ihr Eltern habt zugestimmt, dass Ali und Melda einander kennen lernen ...«

      »Luft!«, japste Ali leise, doch niemand beachtete ihn.

      »Und so sind wir hier nun zusammengekommen, um über die Zukunft unserer Kinder zu sprechen«, leierte Ayshe ihren Spruch herunter. Ich kannte ihn mittlerweile auswendig und betrachtete interessiert meine Fingernägel. Der Lack auf meinem kleinen Finger blätterte ab, und ich beschloss, sie mir zu lackieren, sobald alle Gäste das Haus verlassen und ich ein schönes, heißes Bad genommen hatte.

      »Ich ... brauche ...«, hechelte Ali und lockerte hektisch seine Krawatte.

      Fragend zog ich eine Braue hoch und wandte mich Pelin zu, die jedoch beruhigend den Kopf schüttelte. Gut, er würde also nicht ersticken oder Mamas handgewebten Seidenteppich mit Erbrochenem ruinieren.

      »LUFT!«, schrie er plötzlich laut auf, und rannte hinaus vor die Tür.

      Alle rissen erstaunt die Augen auf, und sogar Ayshe hielt in ihrem selbstverliebten Monolog inne.

      »Was ist denn los mit eurem Sohn? Hat er ... irgendeine Krankheit, von der wir wissen sollten?«, erkundigte sie sich scharf.

      Die Kopftuchmama und der kleine Vater schauten einander ratlos an.

      Wir warteten alle ein paar Minuten, doch Ali blieb verschollen. Es war, als wäre das Bermuda-Dreieck mitten in unserem Häuschen aufgetaucht und hätte ihn verschluckt.

      »Nun, vielleicht gehen wir besser.« Zögernd richtete Alis Mutter sich auf.

      »Ja, wir ... kommen ein andermal wieder, Bitte entschuldigen Sie uns. « Auch sein Vater erhob sich ein wenig ratlos.

      »Warum denn? Nun bleibt doch sitzen! Melda! Geh und sieh nach ihm!«, befahl Ayshe energisch.

      Soʼn Mist! Gerade, als der verdammte Spruch oder die Kräuter wirkten, sollte ich hinausgehen und den Kerl besänftigen? Kam nicht in Frage!

      Pelin half mir auf, und wir gingen gemeinsam in Richtung Haustür.

      »Warte hier«, flüsterte Pelin und trat zu Ali hinaus, der auf der Fußmatte saß und sehr kläglich ausschaute.

      Pelin setzte sich neben ihn und sagte etwas Belangloses, während sie ihm mit der andern Hand etwas auf den Kopf träufelte. Er bemerkte das natürlich nicht, weil er gerade an ihren Lippen hing.

      Dann wurde er entsetzlich blass und beugte sich vornüber.

      »Mir ist schlecht«, murmelte er schwach.

      »Bitte ... sei so nett und sag meinen Eltern, dass wir gehen müssen.«

      »Gern.« Pelin erhob sich anmutig und zwinkerte mir zu.

      »Der ist geschafft, keine Sorge!«, wisperte sie. Doch als ich zurück ins Wohnzimmer humpelte, drehte sie sich noch einmal zu Ali um, und in ihren Augen spiegelte sich Mitleid und eine gewisse Sympathie.

      »Was denn, bedauerst du diese Typen etwa, die sich eine Frau aussuchen wie eine neue Hose oder ein Sweatshirt?«, murmelte ich ungläubig.

      »He, nun reg dich wieder ab. Nein, eigentlich tun diese Typen mir nie leid, aber dieser hier scheint doch eigentlich ganz nett zu sein, nicht wahr?«

      »Was? « Ich konnte kaum glauben, was ich da hörte.

      »Na ja, vielleicht ist er ja einsam, oder er ist nur deshalb hier, weil ihn seine Eltern dazu gedrängt haben, genauso wie deine Eltern dich dazu bringen, diese Kupplerin und ihre Anhängsel wieder und wieder zu empfangen. «

      »Ach Quatsch! Wenn man dich so hört, könnte man glauben, du magst diesen Ali!«, meinte ich boshaft.

      Pelin errötete. »Unsinn! Und du solltest dich hüten, Swami Pelin zu verärgern. Womöglich werde ich dir dann nämlich nicht mehr dabei helfen, den nächsten Typen loszuwerden!«, frotzelte sie gutmütig.

      Ich lachte und legte ihr den Arm um die Schultern. »Was würde ich nur ohne meine osmanische Hexe tun?«

      Sie lächelte befriedigt. »Psst, da kommen die Tütüns.«

      Mit großem Bedauern verabschiedeten wir erneut einen Schwiegersohn in spe, während ich überlegte, ob ich mit einem Bänderriss in zwei Tagen schon wieder auf die Bühne klettern konnte. Ich musste mich unbedingt abreagieren, und Schlagzeug spielen war das beste Mittel.

      Pelin gähnte. »So, ich glaube, ich gehe jetzt. Und du gehst am besten auch zu Bett, Melda. Immerhin steht uns beiden morgen ein langer Tag bevor.«

      Mama und Papa standen in der Eingangstür und starrten einander ratlos an, während auch ich gähnte. »Ich nehme noch ein Bad.«

      Es ging nichts über ein schönes, heißes Bad, besonders jetzt, im Herbst. Ich goss Lavendelöl ins dampfend heiße Wasser und stieg schaudernd in die Wanne, wobei ich darauf achtete, meinen verletzten Fuß nicht nass zu machen. Ich ließ ihn einfach über den Beckenrand baumeln.


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