Türkischer Mokka mit Schuss. Susann Teoman

Türkischer Mokka mit Schuss - Susann Teoman


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mir einen richtig tollen Mann. Der mich gerettet hatte, war ja wirklich nicht zu verachten gewesen.

      Ich drehte die Tasse so um, dass sie einen Kopfstand auf der Untertasse machte.

      »Gut gemacht!«, lobte Pelin mich, denn in der Vergangenheit hatte ich mir bei diesem kniffligen Prozess den Kaffeesatz oft auf meinen Schoß gekippt.

      Nun mussten wir nur noch abwarten, bis die Tasse ausgekühlt war.

      »Erzähl mir in der Zwischenzeit noch mal von deinem Märchenprinzen«, forderte sie mich mit leuchtenden Augen auf.

      »Nein, das habe ich dir in den letzten Tagen doch schon hundertmal erzählt!«

      »Aber das ist soooo romantisch! Was ist, wenn er dich später einmal heiratet?«

      »Ich kenne den Typen nicht, und er kennt noch nicht einmal meinen Vornamen. Wie soll er mich denn da bitte schön finden?«

      »Sei nicht immer so schrecklich pragmatisch!«, mahnte sie mich beleidigt.

      »Aber du weißt doch genau, dass deine kleine Wahnvorstellung unmöglich realisierbar ist, nicht wahr?«

      »Warum? In der Liebe ist doch alles möglich, und alles ist erlaubt«, antwortete sie schnippisch.

      »Pelin, du vergisst, wer wir sind. Selbst wenn dieser Jan mich auf wunderbare Weise ausfindig machen würde und wir ein Traumpaar werden, könnten wir nie, nie, niemals heiraten. Wir sind Türkinnen, hast du das denn schon vergessen?«, widersprach ich milde.

      Sie schnaubte verächtlich. »Jajaja, und wir dürfen auch nur Türken heiraten, weil unsere Eltern sonst einen Familienkrieg anzetteln oder Harakiri machen würden oder so was, schon klar.«

      Ich nickte bedauernd. »Aus diesem Grund tun wir doch auch das, was wir tun, heimlich, nicht wahr?«

      Pelin lehnte sich zurück und stampfte mit dem Fuß auf. »Das ist so ungerecht! Was ist denn, wenn dieser Kerl tatsächlich die Liebe deines Lebens wäre? Würdest du dann einfach einen x-beliebigen Türken heiraten und in Kauf nehmen, dein Leben lang unglücklich zu sein? Oder würdest du als alte Jungfer mit gebrochenem Herzen enden?«

      Ich schüttelte den Kopf. »Ich werde niemals heiraten. So ist das eben. Das ist nun mal mein Schicksal.«

      »Aber ich würde gerne heiraten.«

      »Dann tu es, genügend willige Kandidaten gibt es ja!«, neckte ich sie. Pelin ist der Inbegriff einer orientalischen Schönheit, und die Männer fliegen auf sie. Ihre Taille ist sehr schmal, ihre Beine lang und grazil, und sie hat die schönsten dunkelbraunen Locken und die hübschesten Rehaugen, die ich je gesehen habe. Sie ist das Sinnbild der vollkommenen türkischen Frau, denn alles an ihr ist weich und rund, obwohl sie anmutig und schlank ist.

      »Dann wollen wir mal«, unterbrach sie unsere Unterhaltung, während sie die Tasse hob und von dem Unterteller trennte, so dass sie nun in das Tässchen hineinschauen konnte.

      »Ich sehe eine Verletzung«, erklärte sie wichtig.

      »Dafür musstest du nicht in die Tasse sehen«, gähnte ich gelangweilt, während sie mir einen strafenden Blick zuwarf.

      »Ich sage dir nur, was ich im Kaffeesatz lese, okay? Nun halt die Klappe und hör zu! Ich sehe eine Verletzung, die nur der Anfang ist. Mit dieser Verletzung wird sich dein ganzes Leben ändern. Da ist ein dunkler Mann ... er ... sieht beinahe aus wie ein Affe, so nach vorne gebeugt ...«

      Ich verdrehte die Augen.

      » Schon wieder ein Heiratswilliger?«

      »Sieht ganz so aus. Das ist ja seltsam. Diesmal scheint es so, als würdest du ihn tatsächlich heiraten.«

      »Hast du heute früh wieder heimlich am Raki deines Vaters genippt?«, erkundigte ich mich sarkastisch, doch sie war so in meine Tasse vertieft, dass sie mich gar nicht beachtete.

      »Da ist noch ein anderer Mann ... also das verstehe ich nicht ... du heiratest den dunklen, liebst aber den helleren Mann?«

      Ich schüttelte besorgt den Kopf. »Schau genau hin, vielleicht liegt da irgendwo in einer Ecke auch noch ein Rotschopf, den ich heiraten kann, denn aller guten Dinge sind schließlich drei!«

      »Du kannst es mir glauben oder nicht, aber das ist es, was die Zukunft dir bringen wird«, sagte Pelin gekränkt und setzte das Mokkatässchen ab. Nun nahm sie den Unterteller, auf den der Satz aus der Tasse geflossen war, während die Tasse umgestülpt auf dem Teller gelegen hatte. Sie hielt die Untertasse schräg hoch, so dass der Satz nun wieder vom Teller in dicken, schwerfälligen Klümpchen in die Tasse zurücktropfte.

      »Dein Wunsch wird erfüllt werden«, verkündete Pelin dramatisch.

      »Das sagst du immer.«

      »Weil es stimmt«, verteidigte sie sich.

      »Ach, Süße, was wäre mein Leben nur ohne deine Weissagungen?«

      Als ich unsere Haustür aufschloss und die vielen fremden Schuhe im Korridor erblickte, die Mama wie Zinnsoldaten ordentlich aufgereiht hatte, stöhnte ich entsetzt auf. Für einen Moment war ich versucht, schnell und leise den Rückzug anzutreten, aber als ich mich wieder hinausschleichen wollte, öffnete sich die Wohnzimmertür und Mama erschien strahlend.

      »Melda! Schatz! Schön, dass du endlich da bist! Ayshe ist hier, und sie möchte dir gerne jemanden vorstellen!«

      Ich fand nicht, dass das ein Grund zur Freude war. Ich dachte an Ayshe, die klatschsüchtige Kupplerin.

      »Mama! Ich bin müde! Ich habe morgen einen anstrengenden Tag vor mir!«, flehte ich um Gnade.

      »Papperlapapp! Du kommst schon noch pünktlich ins Bett. Nun komm herein und sag mal Hallo.« Mama hakte mich unter und zog mich aus dem dunklen Korridor ins taghell beleuchtete Wohnzimmer hinein.

      »So, da ist unsere Melda!«, rief sie in die Gruppe hinein, die um unseren Wohnzimmertisch herum versammelt war.

      Da hockten vier Personen halbkreisförmig um unseren rechteckigen Couchtisch herum. Sie sahen aus wie fette Spinnen, die auf eine saftige Beute in ihrem Netz lauerten. Ganz links saß Papa auf einem Küchenstuhl, damit die Gäste es auf der Couch bequem hatten, und versuchte vergeblich, imposant und respekteinflößend zu wirken.

      Er trug beigefarbene Kordhosen und ein kariertes Hemd mit einer gestreiften Krawatte. Papa besitzt, glaube ich, ohnehin nur zwei Krawatten und weigert sich standhaft, sich eine neue zuzulegen, weil er sie ja doch nie trägt.

      Neben ihm, links außen auf der Couch, hockte die widerliche Kupplerin Ayshe, die es sich zum Lebensziel gemacht hatte, unverheiratete, alte Jungfern wie mich unter die Haube zu bringen, koste es, was es wolle. Da sie älter als meine Eltern war, gebot es der Respekt, dass ich sie »Tante Ayshe« nannte, obwohl ich sie nicht leiden konnte und wir Gott sei Dank auch nicht verwandt waren. Ayshe sah aus wie eine außerirdische Bowlingkugel, sie war klein, kugelrund und hatte schreiend orangefarbenes Haar, das sie mit zahlreichen Schmetterlingsspängchen geschmückt hatte. Ihr Kleid war türkisfarben, und als sie sich bewegte, um nach der Schokolade zu greifen, die Mama einladend auf einer Schale drapiert hatte, konnte ich hören, wie ihr Hüfthalter unter der Anstrengung ächzte, all das Fett unter Kontrolle zu halten.

      Neben ihr saß eine große, kräftige Frau mit einem schwarzen Kopftuch. Als mein unsicherer Blick auf sie fiel, bemerkte ich, wie sie mich sachlich musterte, als wäre ich ein Rind oder ein Pferd, das zum Verkauf steht.

      Der Hann neben der Frau mit dem Kopftuch war selbst sitzend kleiner als diese – offenbar seine Gattin. Er hatte einen kleinen Bauch und eine Halbglatze. Leider war er einer der Männer, die die eine Seite ihrer halben Haarpracht lang wachsen lassen, damit sie sie auf die andere Seite herüberkämmen können, um so die glänzende Ödnis auf ihrem Schädel zu verbergen.

      Ich finde, einer sollte diesen Männern mal erklären, dass eine Glatze sehr viel besser aussieht als dieser misslungene Versuch, eine Wüste mit Lakritzfäden zu bekleben. Ich hätte ihm ja den Gefallen getan und es ihm erklärt, aber Mama hätte


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