Als wäre nichts geschehen. Walther von Hollander
orakelhaften Spruch schlüpfte sie aus der Tür und klinkte sanft von außen zu. Ilse starrte auf die geschlossene Tür. Dann ging sie schnell in das Untersuchungszimmer, packte ihre Arzttasche, zog sich eilig ihren Mantel an. Plötzlich liefen Tränen über ihre Wangen. Sie konnte also doch weinen! Was für ein Unsinn, dachte sie, alles Unsinn. Lauter kluge Worte und nichts, nichts dahinter. Sie wischte die Tränen ab. Sie erinnerte sich mit großer Schärfe jener Abende in ihrer Ehe, an denen Conrad mit den gleichen verräterisch glänzenden Augen weggegangen war. Schrecklich, ganz schrecklich. Sie paßte einfach nicht in diese Welt. Sie war ein prähistorisches Monstrum, ein Dinosaurier der Liebe. Und wie diese Vorwelttiere gestorben waren, weil die ihnen gemäße Nahrung nicht mehr vorhanden war, so würde auch sie sterben, weil es auf dieser Welt nicht mehr die ihr gemäße Herzensnahrung gab. Keine Liebe. Jedenfalls nicht das, was sie unter Liebe verstand. Nun gut. Wenn es das nicht gab, dann mußte sie eben verkümmern und verhungern. Das war noch besser, als das zu fressen, was die jetzige Welt als Liebe bezeichnete. Außerdem hatte sie ja noch ihren Beruf. Mußte man etwa lieben? Lächerlich. Man mußte natürlich nicht lieben, wenn es keine Liebe gab.
Sie schloß die Wohnungstür ab und lief schnell die Treppe hinunter. Draußen atmete sie erlöst auf. Fast wörtlich flüsterte sie dasselbe, was Conrad eine Stunde vorher an der gleichen Stelle gesagt hatte: „Was für eine saubere, anständige Luft.“
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