Der ewige Berg. Karl Friedrich Kurz
der Sohn König Eivinds und der schönen blassen Frau Dagmar, hat mehreres: Leidenschaft und auch Phantasie, Klugheit und Gemüt. Und därum muss er jetzt für zwei oder für vier leiden und ist wirr im Kopfe vor allzugrosser Qual.
Trygve hat viele Jahre lang gewartet auf Jofrid. Sie wurde ihm endlich gegeben. Der, der sie ihm nehmen will, wird sein Feind in alle Ewigkeit — und ob es gleich Olav Arnevik wäre.
Das schwarze Ur ist eine ungeheure Geröllhalde. Grosse und kleine Blöcke haben sich im Laufe der Zeit von der Südostflanke des Helleberges gelöst und rollten den Hang hinunter. Einige kamen wohl mit einem Schwunge in den Fjord. Andere aber wurden in ihrem Laufe aufgehalten, blieben liegen, wurden von anderen begraben. Heute türmt es sich übereinander wie eine unbegreifliche Verwirrung aus Stein. Eine versteinerte Unbegreiflichkeit.
Felsblöcke, mächtig wie Kirchen, ruhen auf Flächen, die nicht grösser sind als ein paar Kinderhände. Sie werden durch ein himmlisches Wunder im Gleichgewicht erhalten. Sie haben vieles gemein mit den grossen Lügen des Lebens.
Sie bilden unter sich ein Labyrinth von Gängen und Höhlen. Seit Jahrhunderten hat sich ein weicher Moosteppich darüber ausgebreitet und verschliesst tückisch die Öffnungen.
Oft verschwinden hier Schafe und Kühe, die sich hinauswagten von den wenigen sicheren Pfaden, welche der Mensch und das Wild gefunden, das Ur zu überqueren.
Warum nun gerade hier eine Sennhütte steht? Das weiss man nicht. Vielleicht ist es wegen der guten Quelle, deren Wasser nie versiegt und im Sommer kalt, im Winter aber warm ist.
Herr Eivind hat diese Hütte erbaut. Herr Eivind wollte alles anders und auf seine eigene Art machen. Und wenn er es nach seinem Willen gemacht hatte und die Menschen sagten, es sei töricht oder verrückt, dann war er zufrieden und freute sich.
Doch diese Hütte stand schon manches Gottesjahr, und kein Stein traf sie. Sie steht auch heute noch und gleicht einem Felsblock, und nicht einmal einem von den bedeutenden. Sie ist schon vor langer Zeit grau geworden, und die weiche Moosdecke hat sich auch über sie hingelegt. Auf ihrem Dache wächst Gras und ein paar elende Krüppel von Birken.
Wenn der Wind schweigt, hört man tief unter den Felsen ein wildes Wasser rauschen. Ein verborgener Fluss, der aus dem Helleberg hervorbricht, aber an keiner Stelle das schwarze Ur verlässt und die Freiheit gewinnen kann. Dort regt sich das geheimnisvolle Leben unter der Zerstörung.
Heute rauscht es vielleicht etwas lauter als sonst. Das kommt wohl daher, dass die Stille am Berg so ungewohnt tief ist. Sogar Trygve beachtet diese verstärkte Stimme des verborgenen Wassers. Er, der doch heraufgezogen ist, um Gerichtstag zu halten und dessen Blut heute so mächtig rauscht.
Er bleibt stehen, nimmt das Gewehr vom Rücken und beginnt ein leises Gespräch.
„Jofrid!“ sagt er zu sich selber. „Hast du vielleicht je solche Augen gesehen? Oder gibt es auf fünf Meilen im Umkreis dieses seidenweiche Haar? — Nein, bei Gott! ... Aber bleich war sie und schwach in den Knien und ganz anders als sonst — wie nach einer Krankheit ...“
Die Tür zur Hütte ist sehr niedrig. Man muss sich tief bücken. Trygve klopft den Schnee von den Schuhen und legt Rucksack und Leinenjacke ab. Er zieht auch nach alter Gewohnheit im Vorraum die Schuhe aus. Das Gewehr aber nimmt er mit in die Stube hinein.
Er macht Feuer auf dem Herd. Er sitzt auf der Bank neben dem kleinen Tisch, nicht anders als ein gewöhnlicher Jäger. Er schaut den gelben Flammenzungen zu, wie sie spielend über die Birkenscheiter lecken. Weiche, zarte, sehr flinke Zungen — keine Zähne; aber sie zernagen und fressen das Holz und heulen und knurren in Wollust. Zuweilen brechen sie in ein lautes Gelächter aus. ...
Wie soll man hingegen das erklären, dass ein junges Weib so völlig ohne Herz sein kann? Hat Trygve ihr denn nicht gedient mit Geduld und Beständigkeit und in treuer Liebe? — Olav hingegen ist von ihr gegangen ...
„Mir wird es zu eng hier“, sagt Olav eines Tages. „Immer dieselben Gesichter“, sagt er, „immer dieselben Berge ... nur eine einzige Strasse ...“
Olav schwingt den Hut und besteigt das Schiff. —
Vorgestern kam er wieder zurück und brachte Unglück über Lisät. ...
Das Feuer auf dem Herd brennt unnütz. Trygve kocht sich kein Essen darauf. Er legt sich ins schmale Bett an der Wand. Und nun braucht er also nicht einmal die Wärme des vergeudeten Feuers. Er faltet wie zum Gebet die Hände unter dem Kopfe und denkt und denkt.
Im kleinen Fenster steht die leere Nacht. Die Zeit geht. Das Feuer wird nicht überdrüssig, zu singen, zu brummen und vor sich hinzulachen. In grosser Tiefe rauscht unermüdlich das verborgene Wasser.
Trygve denkt nun: Ich werde ihn ganz einfach fragen: „Was war das?“ — Und wenn er noch immer der Bursche ist, wie ich ihn kenne, wird er mir ins Gesicht schauen und antworten, denn er fürchtet nichts zwischen Himmel und Erden ...
Und darüber schläft Trygve ein.
Ein Traum weckt ihn. Er sieht sich in der Hütte um. Auf dem Herd liegt nur noch ein Häuflein Asche, unter der sich ein wenig Glut verbirgt.
Über die Stubenwand aber streicht ein rötlichgelber Schein. Und das ist nicht der Mond, sondern Laternenschein. Und das ist auch niemals Olav Arneviks Art gewesen, mit der Laterne in den Berg zu gehen.
Nein, der da kommt, das ist der alte Oswald.
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