Take Me Home. Carrie Elks

Take Me Home - Carrie Elks


Скачать книгу
es stets getan habe.«

      Bei all der überzeugten Selbstüberschätzung hätte Gray ihm beinahe geglaubt. Doch man musste nur einen Blick auf den betagten Mann im Bett werfen. Sein Körper wirkte zerbrechlich, verbraucht, und sein Gesicht war zerfurcht vom Alter. Es war ausgeschlossen, dass er jemals wieder auf das Dach klettern oder Rohre ersetzen würde.

      Gray schluckte das Mitgefühl hinunter, das in ihm aufzusteigen versuchte. Schob es mit einem Schulterzucken beiseite. »Ich mache es«, entschied er.

      »Machst was?«

      »Ich tausche die Rohre aus. Flicke das Dach.«

      Sein Vater stieß ein hustendes Lachen aus. »Du machst das? Tatsächlich? Du hast in deinem Leben noch keinen Tag körperliche Arbeit verrichtet. Weißt du, wie man Rohre schneidet? Sie zusammenschweißt?« Ein weiteres Husten. »Das will ich sehen.«

      »Ich sagte, ich mache es. Und das werde ich auch.« Mit angespanntem Kiefer nahm Gray einen tiefen Atemzug. Er war sich nicht sicher, wen seine Entschlossenheit mehr überraschte – seinen Vater oder ihn selbst. So oder so musste er die bitter schmeckende Frustration hinunterschlucken, die aufkam, wann immer er mit seinem Vater sprach.

      »Nur zu. Ich könnte ein wenig Unterhaltung gebrauchen.«

      Gray zuckte die Achseln und verließ das Büro seines Vaters. Die Wände drohten, ihn zu erdrücken. Er musste für eine Weile raus aus diesem Haus. Sonst fiel ihm noch die Decke auf den Kopf.

      K

      Maddie kam durch die Küchentür ins Diner und rief nach Murphy, damit er wusste, dass sie wieder hier war.

      Er schaute hoch und zeigte auf die Tür, die ins Diner führte. »Wer is’n das, was glaubst?«, fragte er und deutete dabei auf jemanden, der an einem Tisch in der hinteren Ecke saß. »Er hat nach Cora Jean gefragt.« Murphy senkte die Stimme. »Doch nicht einer dieser Goldgräber? Der’s auf ihr Geld abgesehen hat?«

      Maddie tat ihr Bestes, nicht zu lachen. Cora Jean hatte eine kleine Pension zusätzlich des Geldes, das sie im Diner verdiente. Sie war jetzt nicht direkt eine Sugar Mama.

      Ein Blick nach hinten reichte aus und Maddie erkannte, wer der Mann mit den breiten Schultern und dem braunen Haar war, das sich in seinem Nacken kräuselte. Er hatte sich eine dunkelblaue Kappe tief ins Gesicht gezogen und das Kinn nach unten geneigt, als studiere er die Speisekarte vor sich sehr genau. Täuschen konnte er Maddie damit nicht, doch es erlaubte ihr, ihn einen Moment länger zu betrachten. Die Muskeln auf seinem Rücken, die Tattoos, die fast vollständig von den Ärmeln seines schwarzen T-Shirts bedeckt wurden. Sie fragte sich, wie es sich anfühlen würde, mit dem Finger über die Tinte zu streichen.

      »Es gibt nur eine Möglichkeit, es herauszufinden«, erklärte Maddie an Murphy gewandt, während sie ihre Tasche in ihren Spind stopfte und sich vom Kleiderhaken eine frische Schürze schnappte. »Ich schaue mal, ob er Kaffee zu seiner Cora Jean möchte.«

      »Versuch, ihm Waffeln anzudrehen. Ich habe zu viel Mischung gemacht.«

      »Wie viel ist zu viel?«, wollte Maddie wissen.

      »Ungefähr fünf Liter.« Murphy zuckte die Schultern. »Heute war nicht viel los.«

      Grinsend schob sie sich durch die metallenen Doppeltüren raus in den Hauptbereich des Diners. Murphy hatte recht, es war überhaupt nichts los. Typisch für einen Dienstag.

      »Kaffee?«, bot sie ihrem Kunden an, während sie eine volle Kanne hinüber zum einzigen besetzten Tisch trug.

      Gray blickte hoch. Langsam kräuselte ein Lächeln seine Lippen. »Cora Jean«, grüßte er. »Wie geht es dir?«

      Ein Kribbeln huschte über ihre Haut. Selbst mit der Mütze war es unverschämt, wie gut er aussah. Sie wollte sich am liebsten einen verdammten Eimer Wasser über den Kopf kippen. Ja, er war attraktiv, aber sie hatte schon viele gutaussehende Kerle getroffen. Obwohl noch keiner ihren Körper derart in Aufruhr gebracht hatte. »Schwarz. Ohne Zucker, richtig?«

      »Richtig.«

      Sie schenkte ihm einen Becher voll und nickte dann zur Speisekarte vor ihm. »Kann ich dir etwas zu essen bringen?«

      »Schenk dir auch eine Tasse ein und setz dich zu mir«, bat Gray, ihren Blick noch immer festhaltend. »Maddie.«

      Sie hatte damit gerechnet. In dieser Stadt dauerte es nicht lange, alles über jeden herauszufinden, und Gray war nicht dumm. Dennoch fühlte sie, wir ihr Herz sank, als er ihren Namen aussprach. Nicht weil er aus seinem Mund nicht wunderschön klang. Das tat er. Sondern weil es bedeutete, dass Maddie sie selbst sein musste.

      Die lahme, alte Maddie Clark. Dabei hatte es ihr gefallen, die unerschrockene Cora zu spielen, die Gray Hartson vom rechten Weg abbrachte.

      »Ich muss arbeiten«, informierte sie Gray.

      Er schaute sich im leeren Diner um. »Sieht nicht direkt nach Rushhour aus. Ich lade dich ein. Was immer du möchtest.«

      »Ich habe gehört, die Waffeln sollen gut sein«, erwiderte sie und Belustigung zog dabei an ihren Mundwinkeln.

      »Besser als die Eier?«

      »Alles ist besser als die Eier.« Er fing ihren Blick ein, und sie erwischte sich dabei, wie ihre Wangen zu glühen begannen. Gray hatte diesen unwiderstehlichen Charme an sich. Einen, der Kinder zum Grinsen brachte, junge Mädchen beinahe in Ohnmacht fallen ließ und ältere Frauen dazu verleitete, einen Arsch voll Geld für seine Musik auszugeben.

      »Zweimal Waffeln, also.«

      Sie gab die Bestellung an Murphy weiter und schnappte sich dann einen Becher Kaffee. »Du bist mutig, direkt am Fenster zu sitzen«, sagte sie. »Nach letztem Sonntag hätte ich gedacht, du würdest dich vielleicht eher verstecken wollen.«

      »Ich schätze, die meisten dieser Mädchen sind gerade in der Schule. Und ich wollte dich sehen.«

      Ihr stockte der Atem. »Wirklich?«

      »Ja. Ich habe eine Frage an dich.«

      »Kann sein, dass ich sie nicht beantworten will«, warnte sie ihn, den Kopf zur Seite gelegt. Er lächelte erneut. Ein Lächeln wie purer Sonnenschein, das Fältchen in seine Augenwinkel malte.

      »Den Eindruck machst du mir auch, ja.« Das Kinn auf die Fingerknöchel stützend, beugte er sich nach vorne und zog die Brauen zusammen. »Aber ich finde, du schuldest mir die Wahrheit.«

      »Wie kommst du darauf?«

      Sie abschätzend musternd, lehnte er sich wieder zurück. »Weil wir am Sonntag gemeinsam ein Trauma erlebt haben. Sowas steht man nicht zusammen durch, ohne eine Verbindung aufzubauen.«

      »Wir sind über ein paar Zäune geklettert.«

      »Und wurden beinahe von einem wilden Hund zerfleischt.« Er hob eine Augenbraue und nahm einen Schluck Kaffee.

      »Einem inkontinenten Hund, dem der Großteil seiner Zähne fehlt.«

      »Siehst du.« Ein Hauch an Belustigung blitzte in seinen Augen auf. »Gruseliger Scheiß.«

      Maddie lachte. Sie konnte nicht anders. Da war etwas an diesem Mann, das sie einfacher atmen ließ. Etwas, das eine Last von ihrer Schulter nahm und sie dazu brachte, sich leichter als Luft zu fühlen. »Okay, also teilen wir uns ein Trauma. Das bedeutet doch sicher, dass du lieb zu mir sein musst.«

      »Ich werde ganz besonders lieb zu dir sein.« Seine Stimme war so voller Zucker. »Warum hast du mir nicht gesagt, wer du bist?«

      »Weil du dann Fragen gestellt hättest, die ich nicht beantworten wollte.«

      »Reizend.« Erneut grinste er. »Lass mich raten? Du dachtest, ich würde dich nach deiner Schwester fragen?«

      Sie umklammerte den Becher fester. »Hättest du nicht?«

      »Ich muss über Ash nichts herausfinden. Ich bin mir sicher, dass sie verheiratet ist und Kinder hat. Vermutlich lebt sie in einem riesigen Haus


Скачать книгу