Take Me Home. Carrie Elks

Take Me Home - Carrie Elks


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fühlt sie sich merkwürdig an? Du kanntest ihn kaum. Du warst noch ein Kind, als er die Stadt verlassen hat.« Ashleigh schüttelte ihren hübschen Kopf. »Ehrlich, Maddie, du musst dich nicht um mich sorgen. Ich will nur das Richtige tun. Ich will nicht, dass alle über mich reden, weil sie denken, ich würde mich ihm gegenüber unhöflich verhalten. Aber ich will auch nicht, dass sie sagen, ich hätte ihn unbedingt sehen wollen.« Sie seufzte.

      Der äußere Schein war Ashleigh schon immer wichtig gewesen. Sogar als Kind. Sie war das hübscheste Mädchen in der Schule, Cheerleaderkapitänin und natürlich war ihr Freund der Junge gewesen, dem all die anderen Mädchen hinterherschmachteten.

      Manchmal fühlte es sich an, als würde es Ashleigh so viel leichter im Leben haben als Maddie. Meistens fand sie das amüsant, gelegentlich tat es weh. Als würde jemand in einer alten Wunde herumstochern. Der Gedanke daran, dass ihre Schwester Gray Hartson besuchen könnte, fühlte sich ähnlich an.

      »Ich muss los«, meinte Ashleigh und beugte sich vor, um Maddie zu umarmen. »Danke, dass du auf die Äffchen aufpasst. Wir sollten um acht zurück sein. Könntest du sie dazu bringen, ihre Pyjamas anzuziehen? Das würde es uns so viel einfacher machen, sie ins Bett zu bekommen.«

      »Klar. Ich lasse sie duschen und mache sie bettfertig.« Maddie küsste Ashleigh auf die Wange. »Viel Spaß.«

      »Danke dir. Wir sehen uns später.« Ashleigh lehnte sich durch die Eingangstür ins Haus. »Grace, Carter, ich gehe. Seid lieb zu eurer Tante und Grandma«, rief sie hinein.

      »Tschüss, Mom!«, brüllten Grace und Carter zurück, die wohl keine Lust dazu hatten, aus der Küche zu rennen.

      Als Ashleigh die Eingangstreppe hinablief, klapperten ihre Absätze auf dem Stein. Maddies Blick hing an dem Knoten in Ashleighs Nacken, und sie tastete nach dem geflochtenen Zopf. Sie zuckte beinahe zusammen, als sie spürte, wie viele Haare ihm bereits entkommen waren. Schnell zog sie die Hand weg und seufzte.

      Es machte keinen Sinn, zu versuchen, mit ihrer schönen Schwester zu wetteifern. Diese Lehre hatte sie schon vor Langem gezogen.

      K

      Nach dem Abendessen mit seiner Familie und weiteren Seitenhieben von Tanner wegen des Zaunkletterns machte sich Gray zurück auf den Weg in sein Zimmer. Er hatte Jetlag als Grund vorgeschoben, aber in Wahrheit wollte er bloß allein sein.

      Er kam immer noch nicht über die Tatsache hinweg, dass ihm Maddie Clark bei der Flucht aus der Kirche geholfen hatte. Wann zum Teufel war sie erwachsen geworden? Und, was noch wichtiger war, warum hatte sie wegen ihrer Identität gelogen?

      Sie wusste, wer er war. So viel hatte sie zugegeben, als sie über diese verdammte Mauer klettern wollte.

      Er versuchte, sich mit Gitarrespielen abzulenken. Ein ganzes Album wartete darauf, geschrieben zu werden; in vier Monaten sollten die Songs studioreif sein. Dennoch schienen seine Finger nicht zu funktionieren. Es war, als hätte er vergessen, wie man Musik schrieb; eine Note neben die andere legte, bis sie eine Melodie formten. Stattdessen klang jedes Streichen über die Saiten falsch.

      So falsch.

      Er stellte die Gitarre beiseite und ging duschen. Danach legte er sich aufs Bett und tat sein Bestes, sich an die Gründe für seine Rückkehr zu erinnern. Warum?

      Weil du es deiner Schwester versprochen hast. Und dein Vater krank ist.

      Oh ja, und natürlich war da noch die Tatsache, dass er sich seit einer Ewigkeit nicht mehr in Hartson’s Creek hatte blicken lassen. Schlussendlich schien ihm eine Mütze voll Schlaf sinnvoller, als sich das alles zu sehr durch den Kopf gehen zu lassen. Doch wie alles andere in seinem Leben verhielt sich auch die Nachtruhe ihm gegenüber stur.

      Wenige Stunden später spürte Gray den ersten Tropfen. In seinem Schlummer registrierte er ihn kaum. Der zweite verwandelte sich in seinem Traum in Regen. Beim dritten riss er die Augen auf.

      Kein Tropfen, sondern eine Flut ergoss sich von der Decke und durchnässte alles in ihrer Umgebung – Gray und sein Bett eingeschlossen.

      Wasser aus seinem Mund spuckend, setzte er sich auf und blinzelte die Feuchtigkeit aus seinen Augen. Was zum Teufel ...? Mit zusammengezogenen Brauen starrte er in die Kuhle seines Kissens – wo eben noch sein Kopf gelegen hatte, sammelte sich Wasser zu einem See. Er folgte dem Nass mit seinem Blick hoch zur Quelle. Ein Loch klaffte in der Decke und offenbarte halb verrottete Balken und ein rostiges Rohr.

      Ein rostiges Rohr mit einem Leck darin.

      Gray sprang aus dem Bett und suchte nach einem Eimer, einer Schüssel, irgendetwas, das er unter der Sintflut platzieren konnte. »Tanner!«, rief er. »Da ist ein Riss in der Leitung. Hilf mir mal!«

      »Hm?«, fragte Tanner, der nur mit einer Pyjamahose bekleidet ins Schlafzimmer kam. Das war immer noch besser als Gray, der bloß Boxershorts trug und auf der Suche nach einer gottverdammten Schüssel durchs Zimmer jagte.

      »Wo ist es?« Becca war mit einem Eimer aufgetaucht. Gott sei Dank.

      Er und Tanner schleiften das Bett durch den Raum und stellten den Eimer unter den Wasserschwall.

      »Wo ist der Absperrhahn?«, erkundigte sich Gray. Er konnte sich beim besten Willen nicht mehr daran erinnern.

      »Unter der Spüle in der Küche.«

      Er rannte die Treppe nach unten. Becca und Tanner dicht auf seinen Fersen. Als sie an Tante Ginas Tür vorbeikamen, steckte sie den Kopf durch einen Spalt in den Flur. »Was ist los?«

      »Noch ein Leck. Diesmal in Grays Zimmer«, erklärte Becca.

      Noch eines? Diesmal?

      Vor der Spüle kniend, riss Gray die bemalten Holzschränke auf. Er holte die Reiniger heraus, die sich dahinter stapelten, und beugte sich nach vorne, um den Hahn abzudrehen. Sein Arm schmerzte, als er mit diesem halb verdreht an dem rostigen Metallstück rüttelte, bis das Ding endlich nachgab. Seufzend ließ sich Gray nach hinten auf den Boden fallen.

      »Wann hast du dir dieses Tattoo stechen lassen?«, fragte Becca, die die Tinte auf Grays Körper musterte.

      Er blickte an seiner Brust nach unten, wo die schwarzen Tribals ihren Anfang nahmen und von dort bis zu seinen Oberarmen reichten. »Vor einer Weile.« Es zu designen hatte über ein Jahr gedauert. Er hatte es bis ins kleinste Detail mit seinem Tätowierer geplant, der ihm während der Tour sogar nachgeflogen war. Vom ersten Nadelstich an hatte es sich richtig angefühlt. Als würde er sich zum Schutz eine Rüstung umlegen.

      »Es ist hübsch«, befand Becca, die den Linien des Designs mit ihrem Blick folgte. »Aber lass es bloß Dad nicht sehen. Ihm war schon dein zweites Albumcover nicht recht.«

      »Ich musste mir auch die Augen mit Bleichmittel auswaschen«, antwortete Tanner grinsend. »All diese Billboards in New York und von jedem einzelnen starrt mich mein Bruder mit nacktem Oberkörper an. Ich hatte Albträume davon.«

      »Bereust du sie?«, fragte Becca, Tanner ignorierend.

      »Nope. Auf meiner Liste von Dingen, die ich bereue, rangieren meine Tattoos ganz unten.« Gray zuckte die Achseln. »Kennt ihr die Nummer eines Notfallklempners? Wir müssen diese Rohre ersetzen lassen.«

      8. Kapitel

      »Was meinst du mit, er will nicht alle Rohre ersetzen lassen?«, fragte Gray mit angespannter Stimme. »Es ist Irrsinn, nur ein Stück Rohr auszutauschen, obwohl das ganze Ding am Verrosten ist. Wie viele Lecks hattet ihr im letzten Jahr?«

      »Ein paar.« Tante Gina atmete aus. »Aber du kennst ja deinen Vater. Er ist stur. Und ihm gefiel keines der Angebote, die er von den Klempnern bekommen hat.«

      Sie saßen beim Frühstück und Gray nahm gerade einen Schluck heißen Kaffee aus einem alten, abgeschlagenen Becher. Es war seltsam, wie viele Dinge in diesem Haus einer Reparatur bedurften. Nicht bloß das Dach und die Rohre und die abblätternde Farbe draußen. Sondern auch die Küche und die Badezimmer waren immer noch


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