Take Me Home. Carrie Elks

Take Me Home - Carrie Elks


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zuckte. »Ich bin hier gerade ziemlich am Arsch, oder? Wenn ich dir sage, dass Cora Jean wie eine Sechzigjährige mit Nikotinflecken auf den Fingern aussieht und einen besseren Schnurrbart hat, als ich ihn mir je stehen lassen könnte, und sich herausstellt, dass dein Name tatsächlich Cora Jean ist, wirst du mich ohrfeigen wollen.«

      »Und wenn mein Name nicht Cora Jean ist?«

      Er senkte die Stimme. »Dann würde ich sagen, dass mich das nicht überrascht, weil du an dem Schnurrbart echt noch arbeiten müsstest.«

      »Du bist ein ziemlicher Süßholzraspler.«

      »Du bringst das einfach aus mir heraus, Cora Jean.« Er grinste, und Maddie konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Es schien unmöglich, ihn nicht anzulächeln. Gott, sah er gut aus. Sein graues, langärmeliges T-Shirt trug nichts dazu bei, die Konturen seiner Brust oder die Größe seines Bizeps zu verbergen. Und seine dunkelblauen Jeans klebten an seinem Hintern, als wollten sie ihn niemals loslassen.

      Als sie sich das erste Mal in die Augen gesehen hatten, hatte Maddie erwartet, er würde sie sofort erkennen. Sie hatte sich nicht besonders verändert, seit sie ein Kind gewesen war. Oder zumindest glaubte sie das nicht. Dennoch war kein Hauch von Wiedererkennen in seinen Blick getreten, während sie ihm den Kaffee von den Fingern gewischt hatte. Und aus irgendeinem seltsamen Grund gefiel ihr das. Sie musste nicht erklären, warum sie noch immer hier in Hartson’s Creek wohnte, obwohl sie die Stadt Jahre zuvor hätte verlassen sollen. Musste ihm nicht erzählen, dass sie bei ihrer Mom lebte und Kartoffeln frittierte, um sich ein Dach über dem Kopf zu verdienen, während er in fünf unterschiedlichen Ländern die Charts toppte.

      Für ein paar Minuten hatte sie es genossen, jemand anderes zu sein. Aber das Gefühl war flüchtig, so viel stand fest. Es musste nur jemand an ihnen vorbeigehen und sie grüßen, schon wüsste er, wer sie war. Niemand flog in dieser Stadt unter dem Radar.

      »Meine Pause ist aus«, erklärte sie Gray, nachdem sie ihren letzten Schluck Kaffee genommen hatte. »Ich muss zurück zur Arbeit.«

      Er nickte und trat einen Schritt von ihr weg. »Es war schön, dich kennenzulernen, Cora Jean. Danke für das Frühstück und dafür, dass du mich vor gebratenem Ekelei bewahrt hast.«

      Kopfschüttelnd lachte sie und warf ihren geflochtenen Zopf beim Aufstehen über die Schulter. »Jederzeit.« Dann wandte sie sich um und lief, ohne sich ein weiteres Mal umzudrehen, zum Diner. Ihre Kehle fühlte sich für einen Blick zurück zu eng an. Sobald sie die Tür aufgezogen hatte und eingetreten war, stieß sie die gesamte Luft aus ihrer Lunge.

      Gray Hartson hatte Frühstück bei ihr gegessen. Wenn sie diese Story bei Chairs erzählen würde, wäre sie wochenlang in aller Munde. Was exakt der Grund war, warum sie es keiner Seele verraten würde.

      5. Kapitel

      »Ich hätte nie gedacht, den Tag noch zu erleben, an dem du freiwillig in die Kirche gehst«, stellte Tante Gina fest, während sie auf dem Weg die Treppen zur First Baptist Church hoch die Hand durch seine Armbeuge schob. Die Kirche stand direkt neben dem Stadtplatz.

      Gray zuckte die Achseln. »Was gibt’s hier sonst an einem Sonntagmorgen zu tun?«

      »Becca und Tanner haben etwas anderes gefunden, um sich zu beschäftigen.«

      »Sie sind noch nicht mal wach.« Gray lächelte seine Tante an. »Ich spüre noch immer den Jetlag. Mein Körper weiß nicht, ob es noch gestern oder schon morgen ist.«

      »Na ja, du bist jedenfalls ein guter Junge.« Sie zog ihre Hand aus seiner Armbeuge und tätschelte sein Gesicht. Bei der Berührung rümpfte sie die Nase. »Obwohl du dich hättest rasieren können.«

      »Ich hoffe, Gott wird mir die paar Haare vergeben.«

      Er drückte die Kirchentür auf und schluckte hart, als sich alle zu ihnen umdrehten. Die Bänke waren zum Bersten gefüllt mit Gläubigen und so, wie es aussah, auch mit einigen Ungläubigen. Ein paar der Letzteren tippten auf ihren Handys herum. In der Hoffnung, seine Anwesenheit würde sich nicht wie ein Lauffeuer verbreiten, schickte er ein Stoßgebet gen Himmel.

      »Heute ist viel los«, murmelte Tante Gina, seinen Arm tätschelnd. »Auch viele jüngere Leute sind hier.« Beim Anblick der Handys schnalzte sie die Zunge. Als sie an einem Mädchen vorbeikamen, das Gray ungeniert filmte, warf Gina ihr einen finsteren Blick zu. »Kannst du das fassen?«, zischte sie. »Es ist ihnen noch nicht mal peinlich.«

      »Schon okay. Ich bin’s gewohnt.«

      »Tja, ich aber nicht.« Zwischen ihren Augen schien ein tiefes V eingemeißelt worden zu sein. »Das ist so unhöflich.«

      Gray führte sie zu einer Bank, die ein paar Reihen vom Altar entfernt stand, und alle rutschten zur Seite, um ihnen Platz zu machen. Hier erkannte er ein paar Gesichter wieder – Eltern seiner alten Freunde und Freunde seiner Eltern. Sie wirkten erschöpfter und ihr Haar war weißer als zum Zeitpunkt seines Fortgehens. Dennoch waren sie immer noch dieselben.

      Jemand tippte ihm auf die Schulter und er drehte sich zu einem Handy um, das ihm von einer Teenagerin hingehalten wurde. »Kann ich ein Selfie mit dir machen?«

      »Ähm. Klar. Sicher.«

      Noch bevor er das letzte Wort herausgebracht hatte, platzierte sie ihre Schulter neben seiner und neigte das Handy so, dass ihre Gesichter darauf erschienen. »Hey«, fing sie an, während sie gefühlt hundert Fotos knipste. »Wirst du heute singen?«

      »Natürlich wird er singen«, warf das Mädchen neben ihr ein. Nach der Farbe ihres Haares und der Ähnlichkeit ihrer Gesichtszüge nach zu urteilen, nahm er an, dass die beiden Schwestern waren. »Wir sind in einer Kirche. Da gibt es Kirchenlieder, du Dummerchen.«

      »Ich meinte vorne. Ein Solo. Wäre das nicht unglaublich? Ich könnte es aufnehmen.« Die Augen des ersten Mädchens leuchteten. »Hast du einen Insta-Account? Dann verlinke ich dich im Foto. Oh, könntest du ein Kommentar darunterschreiben? Das würde Ella Jackson wahnsinnig machen. Sie behauptet, sie sei dein größter Fan, kennt aber nicht mal die Lyrics zu Along the River

      Die Orgel ertönte mit voller Wucht und erstickte mit ihren tiefen Noten jedwede mögliche Antwort. Nicht, dass Gray eine parat gehabt hätte. Den Blick nach vorne wendend, entdeckte er Reverend Maitland, dessen lange, weiße Robe hinter ihm herwehte. Das Auftauchen des Geistlichen reichte nicht aus, um die Aufmerksamkeit von Gray wegzulenken. Er spürte noch immer dieses Brennen im Genick, das ihm deutlich machte, dass alle Augen auf ihn gerichtet waren. Vielleicht hätte er ein paar Bodyguards mit in die Stadt bringen sollen. Aber welches Arschloch traf in der örtlichen Kirche seine eigenen Sicherheitsmaßnahmen? In dieser Situation konnte er nur verlieren. Entweder saß er hier und nahm es hin oder er rauschte divenhaft davon. Als Tante Gina zu ihm aufsah und ihre besorgte Miene vom schummrigen Licht erhellt wurde, war ihm klar, dass er so oder so festsaß. Er musste bloß die nächste Stunde überstehen. Das sollte machbar sein. Und danach würde er die Kirche für die nächsten tausend Jahre meiden.

      K

      Maddie versuchte, sich im noch menschenleeren Diner zu beschäftigen. Sie wischte bereits blitzblanke Tische ab und arrangierte die Speisekarten über dem Tresen neu. Diesen Teil des Sonntags hatte sie immer schon gehasst. Die Ruhe vor dem Sturm, kurz bevor der Gottesdienst zu Ende war und jeder ins Diner rannte, um den besten Platz zu ergattern.

      Letzte Woche wäre es beinahe zu einer Schlägerei gekommen, als Mary-Ellen Jones und Lucy Davies versuchten, ihre ausladenden Hintern in die begehrte Nische an der Eingangstür zu schieben. Erst nach einer zehnminütigen Verhandlung und Maddies Versprechen, ihr gratis Backwaren zu servieren, begnügte sich Lucy mit einem Tisch weiter hinten im Diner.

      Die Glocke über der Tür ertönte und Cora Jean kam herein. Ihr silbernes Haar war zu einem perfekten Knoten gebunden. Trotz ihres Alters war sie rüstig und liebte den sonntäglichen Hochbetrieb. Den meisten Teenagern von Hartson’s Creek konnte sie dabei noch eine gesunde Gottesfurcht lehren.

      Coras Anblick erinnerte Maddie an ihr Gespräch mit Gray. Er hatte doch nicht wirklich vor, einen


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