Take Me Home. Carrie Elks

Take Me Home - Carrie Elks


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Du hast es geschafft!« Die Eingangstür flog auf und ein verschwommener Schatten in Pink und Blau raste auf ihn zu. Er hatte gerade noch genug Zeit, Gitarre und Koffer abzustellen, bevor Becca mit wehendem, dunklem Haar in seine Arme sprang. »Ich dachte mir schon, dass du das bist«, verkündete sie, kaum, dass er sie aufgefangen hatte. »Ich habe ein parkendes Auto am Ende der Straße gesehen. Tante Gina schuldet mir fünf Dollar.«

      »Darauf hast du gewettet?«, fragte Gray mit einem breiten Grinsen. Er musste immer lächeln, wenn er seine kleine Schwester sah. Tante Gina hatte sie ein paar Mal zu seinen Shows gefahren und es machte ihn immer glücklich, wenn sie bei ihm war.

      »Das WLAN geht schon wieder nicht. Irgendwie müssen wir uns also die Zeit vertreiben.« Becca zuckte die Achseln, als wäre es keine große Sache. »Warum hast du die riesige Kiste nicht vor unserem Haus parken lassen? Dann hätten wir etwas zum Anstarren gehabt.«

      »Genau das ist der Grund, warum ich nicht vorgefahren bin«, gab Gray trocken zurück.

      Becca entzog sich der Umarmung und schnappte sich seine Hand. »Komm, es warten schon alle.«

      »Alle?« Er ignorierte das Ziehen in seinem Magen.

      »Na ja, da sind ich und Tante Gina. Und Tanner ist für zwei Tage hier.« Tanner war Grays jüngster Bruder. »Logan und Cam haben es nicht geschafft, aber sie kommen zu Tanners Geburtstag.« Sie grinste breit. »All die Hartsons an einem Ort. Die Leute haben keine Ahnung, was da auf sie zukommt.«

      »Und Dad? Ist er hier?«

      »Er liegt im Bett«, offenbarte sie mit gesenkter Stimme. »Er erholt sich nur langsam.« Sie wartete, bis er seine Sachen hochgenommen hatte, bevor sie ihn die Eingangstreppe nach oben schleifte. Dabei sprang sie über die mittlere Stufe, in deren Holzbrettern ein Loch klaffte. Als er oben ankam, sah er Tanner lässig im Türrahmen lehnen. Mit achtundzwanzig war Tanner der jüngste der vier Brüder, aber immer noch vier Jahre älter als Becca.

      »Der Reisende kehrt zurück«, kommentierte er gedehnt, als Gray seine Gitarre an die Holzwand lehnte. »Was, keine Paparazzi? Keine grölenden Fans?« Er senkte die Stimme um eine Oktave. »Keine Groupies?«

      »Tut mir leid, dich enttäuschen zu müssen.« Gray nahm seinen Bruder in einer ungestümen Umarmung gefangen. »Was machst du denn hier? Ich dachte, du wärst in New York?«

      Tanner zuckte mit den Schultern und hob eine Hand, um sich sein sandfarbenes Haar aus den Augen zu streichen. »Ich habe gehört, du würdest kommen. Ich bin allerdings wegen der Groupies hier.«

      Becca rümpfte die Nase. »Du bist ekelhaft«, befand sie mit einem Hieb auf seinen Arm. »Seid ihr beide.«

      Gray hob die Hände. »Hey, ich habe gar nichts gesagt.«

      »Muss er auch nicht. Diese Groupies fliegen auch so auf ihn.« Tanner grinste. »Hey, Becca, habe ich dir von dem einen Mal erzählt, als ich Grays Auftritt in Vegas gesehen habe?«

      »Was soll der ganze Lärm hier draußen? Versucht ihr, euren Vater in den Wahnsinn zu treiben?« Tante Gina kam aus der Küche in den Flur. Ihre Augen leuchteten auf, als sie Gray auf der Veranda entdeckte. »Grayson. Du bist hier«, bemerkte sie.

      »Jepp. Und du schuldest mir fünf Mäuse«, warf Becca ein.

      Tante Gina schlurfte zum Eingang, wo sie Gray in eine Umarmung zog. »Oh, du bist Balsam für diese wunden Augen«, flüsterte sie an seiner Brust. »Ich dachte wirklich nicht, dass du kommen würdest.«

      »Warum hast du dann sein Zimmer hergerichtet?«, fragte Tanner stirnrunzelnd.

      »Weil ich immer Hoffnung habe.« Tante Gina machte einen Schritt zurück und musterte Gray von oben bis unten. »Ist das neu?«, wollte sie wissen. Dabei zeigte sie auf einen Teil des Tattoos, das unter seinem Shirt hervorlugte.

      »Das alte Ding?« Gray grinste und deutete an, sich das Shirt auszuziehen, um ihr mehr davon zu zeigen. »Willst du es sehen?«

      »Nein, will ich nicht. Lass dein Shirt genau da, wo es ist.« Sie schüttelte den Kopf. »Wir haben gewisse Standards in diesem Haus.«

      »Anders als in Vegas«, stichelte Tanner und zwinkerte seiner Tante dabei zu. »Gray hatte dort die ganze Zeit kein Oberteil an.«

      »Du kannst jetzt still sein«, befahl Tante Gina an Tanner gewandt. »Und bring die Sachen deines Bruders rein.«

      Tanner zog eine Grimasse. »Er kann sein Zeug selber tragen.«

      Gray schluckte ein Lachen hinunter. Manche Dinge änderten sich einfach nie. Beccas übertriebener Enthusiasmus, Tanners Genörgel, sogar Tante Ginas gluckenhaftes Gehabe fühlte sich so vertraut an, dass es sein Herz zusammenzog. Es war, als wäre er in zwei unterschiedlichen Zeitzonen gelandet. Irgendwo zwischen dem Mann von heute und dem Kind, das er früher einmal gewesen war. »Ich trage meine Taschen«, informierte er Tanner. »Ich würde nicht wollen, dass du dir den Rücken verrenkst, Herzchen.«

      Tanner verdrehte die Augen. »Ich mache das schon«, meinte er, sich den Griff meiner Tasche schnappend. »Es wäre doch schrecklich, wenn du dir deine hübschen Hände verletzen würdest. Die müssen ja auf ein paar Millionen Dollar versichert sein.«

      »Zwei, um genau zu sein.« Gray zuckte die Achseln bei dem Gedanken an seine eigene Empörung, als er davon erfahren hatte.

      Tanner fasste nach seinem Gitarrenkoffer, aber Gray kam ihm zuvor. »Den nehme ich«, wimmelte er seinen Bruder ab und schob den Riemen über seine Schulter. Er folgte seiner Tante ins Haus und sofort füllte der Duft von Butterkeksen seine Nase. Ihm lief das Wasser im Mund zusammen.

      Er war zu Hause. Was auch immer das bedeutete. Vielleicht würden ein paar Wochen an diesem Ort doch nicht so schlimm werden.

      2. Kapitel

      Im Frühling und Sommer waren Freitagabende gleichbedeutend mit Chairs. Das war der seltsame Name, den die guten Leute von Hartson’s Creek ihren wöchentlichen Zusammenkünften gegeben hatten. Sie versammelten sich alle in ihren Gärten entlang des Bachs und brachten Krüge voll selbstgemachtem Eistee mit. Die ein oder andere Mischung enthielt auch mal etwas Stärkeres. Dazu kamen noch die Stühle, die der Versammlung ihren Namen gegeben hatten.

      So lange sie sich erinnern konnte, war Chairs ein Teil von Maddie Clarks Leben in Hartson’s Creek gewesen. Als Kind war sie herumgerannt und hatte gespielt, während sich die Erwachsenen unterhielten. Sie hatte in der Freiheit geschwelgt, herumalbern zu können, bis es draußen dunkel war, ohne ins Bett geschickt zu werden. Dann als Teenager hatte sie alles getan, um nicht zu Chairs gehen und den Erwachsenen bei ihren langweiligen Gesprächen zuhören zu müssen. Es war die Art von engstirnigem Klatsch, der sie unendlich dankbar für das Stipendium machte, das sie an der Ansell School of Performing Arts in New York bekommen hatte, wo sie sich ihren Bachelor in Musik verdienen wollte.

      Und ja, sie hatte keinen Zweifel daran, dass sie das Thema des kleinlichen Tratschs war, als sie nicht mal ein Jahr später wieder nach Hause zurückkehrte, nicht gewillt, jemandem zu erzählen, weshalb. Nicht, dass irgendjemand etwas zu ihr gesagt hätte – weder als sie im Diner kellnerte noch als sie den jüngeren Kindern in der Stadt das Klavierspielen beibrachte.

      Ihre Mom hingegen genoss es, von ihren Freunden und Nachbarn auf den neuesten Stand gebracht zu werden. Herauszufinden, was in der Stadt so vor sich ging. Nur ihr zuliebe grinste Maddie und bereitete sich mental auf den Abend vor, während sie ihre Mom in ihrem Rollstuhl über die Straße schob. Für sich selbst hatte sie einen alten Klappstuhl dabei. Die Beine des Stuhls lagen beim Tragen über ihrer Schulter. Eine kleine Kühltasche gefüllt mit selbstgemachtem Eistee und Zuckerkeksen ruhte auf dem Schoß ihrer Mutter.

      »Heute sind eine Menge Leute hier«, bemerkte Maddie, als sie am Bach ankamen. »Muss am Wetter liegen.«

      Es war ihre Lieblingsjahreszeit. Frühling und Sommer kämpften um die Oberhand und das Resultat war bereits eine ausgemachte Sache. Die Kälte und der Schnee des Winters waren eine bloße Erinnerung, die in der Wärme der Luft und dem Geruch


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