Take Me Home. Carrie Elks
das sie mitgebracht hatten, bevor Maddie ihrer Mom ein Glas einschenkte. Dann trug sie ihren eigenen Stuhl rüber zu dem Platz, wo sich die jüngeren Leute zusammengefunden hatten. Frauen, die sie aus Schultagen kannte, tratschten über ihre Ehemänner und riefen ihren Kindern zu, sie sollten sich beruhigen, wann immer ihre Stimmen zu laut wurden. Die Ehemänner standen neben dem Bach und tranken lachend aus braunen Bierflaschen. Dabei ignorierten sie alles um sich herum, während sie das Footballspiel der Woche zerpflückten.
»Hast du schon die Neuigkeiten gehört?«, platzte Jessica Martin heraus, bevor Maddie ihren Stuhl aufklappen und aufs Gras stellen konnte.
»Nein.« Maddie lächelte höflich. Jessica hatte denselben Jahrgang wie Maddies Schwester Ashleigh besucht. Seit sich Maddie erinnern konnte, waren die beiden Cheerleader im selben Team.
»Willst du raten?«, bot Jessica ihr händereibend an. »Oh, da kommst du nie drauf.«
»Sind bei den über Fünfzigjährigen Chlamydien ausgebrochen?«
Maddie verbiss sich beim Klang von Laura Bayleys tiefer Stimme ein Grinsen.
»Nein. Igitt. Natürlich nicht.« Jessica rümpfte die Nase. Dann warf sie Laura einen Blick zu. »Das stimmt doch nicht, oder?«
Laura zuckte die Achseln. »In dieser Gegend würde mich nichts mehr überraschen.«
Kopfschüttelnd wandte sich Jessica wieder an Maddie. »Hast du in letzter Zeit was von Ashleigh gehört?«
»Sie lebt in der Nachbarstadt«, zeigte Laura auf. »Das ist nicht gerade die Antarktis.«
Maddie warf Laura einen dankbaren Blick zu.
Obwohl Laura ein paar Jahre älter war als Maddie, waren die beiden befreundet, seit Laura ihren Kleiderladen neben dem Diner aufgemacht hatte, in dem Maddie arbeitete. Der schönste Teil des Tages war für sie, wenn sich Laura ihren morgendlichen Kaffee holte.
»Sie kam letzte Woche mit ihren Kindern vorbei«, erzählte Maddie den anderen Frauen.
»Und hat sie irgendwas gesagt?«, wollte Jessica nach vorne gebeugt wissen. Ihr blondes Haar fiel ihr dabei ins Gesicht.
Maddie blinzelte. »Was zum Beispiel?« Sie spürte, wie sich etwas in ihr zusammenzog. Stimmte mit Ashleigh irgendetwas nicht? Oder schlimmer noch, mit Grace oder Carter? Maddie liebte ihre Nichte und ihren Neffen, als wären sie ihre eigenen Kinder.
Jessica lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. »Dann schätze ich, sie weiß es wohl nicht.«
»Was weiß sie nicht?«, hakte Maddie nach und versuchte, nicht aufgebracht zu klingen.
»Dass Jessica der Auslöser für den Chlamydienausbruch ist«, flüsterte Laura aus ihrem Mundwinkel heraus.
Maddie musste lachen.
»Dass Gray Hartson zurück ist.« Jessica schickte Laura ein selbstzufriedenes Grinsen. »Ich schätze, ich bin die Einzige in der Gegend, die davon weiß.«
Trotz der warmen Luft um sie herum, gefror Maddie das Herz in der Brust. »Gray Hartson?«, wiederholte sie, das seltsame Trommeln in ihren Ohren ignorierend.
»Jepp. Carrie Daws hat mir davon erzählt. Sie arbeitet im Supermarkt. Laut ihrem Bericht ist er in einem schwarzen Rolls Royce angekommen.« Jessica verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich schätze, so reisen reiche Stars, wenn sie ihre Heimatstadt besuchen.«
»Ist Becca deshalb heute nicht hier?«, wollte die Frau wissen, die neben Jessica saß. »Ich habe mich schon gewundert.«
Gemeinsam mit Laura war Becca Hartson eine von Maddies engsten Freundinnen. Sie genoss Chairs ebenso sehr wie Maddie, also war ihre Abwesenheit keine Überraschung. Maddie hätte allerdings nie gedacht, dass Grays Rückkehr der Grund sein könnte.
Der Gedanke, dass er nach all den Jahren wieder hier war, brachte ihren Körper dazu, sich beinahe schwerelos anzufühlen. Sie legte die Hände fest um die Metallstangen ihres Stuhls, um nicht davonzuschweben.
»Was wird Ashleigh wohl sagen?«, sinnierte Jessica in einer Lautstärke, die hoch genug war, um Maddies Gedanken zu durchdringen. »Glaubst du, Michael wird eifersüchtig sein?«
»Warum sollte Michael eifersüchtig sein?«, fragte Laura. »Ashleigh war während der Highschool ein paar Jahre lang mit Gray zusammen. Na und? Seither sind mehr als zehn Jahre vergangen.« Sie grinste Jessica an. »Manch einer von uns ist im letzten Jahrzehnt erwachsen geworden.«
Maddie stützte das Kinn auf ihre Handfläche und starrte auf den Bach hinaus. Das Wasser war dunkel und sie konnte seine Bewegungen eher hören als sehen. Auf der anderen Seite des Ufers erleuchteten Glühwürmchen die Bäume wie tausend kleine Lampen.
Gray Hartson war zurück. Es fühlte sich seltsam an. Zu wissen, dass sie in derselben Stadt war und denselben Sonnenuntergang beobachtete wie er. Früher einmal war sie in ihn verknallt gewesen. Auf eine dieser herzzerbrechenden, intensiven Arten, die nur ein junger Teenager verstehen konnte. Sie hatte an ihrem Fenster gesessen und ihn beobachtet, wann immer er Ashleigh von einem Date nach Hause brachte. Die Luft hatte ihr in der Brust gestockt, sobald er eine Haarsträhne aus dem Gesicht ihrer Schwester strich und sich nach vorne beugte, um sie zu küssen.
Sie hatte damals stets eine seltsame Mischung aus Eifersucht und Wehmut verspürt. Doch sogar mit dreizehn war sie reif genug gewesen, um zu wissen, dass er nicht in ihrer Liga spielte. Zu alt, zu talentiert, zu gutaussehend. Ashleigh jedoch, mit ihrer eisblonden Schönheit und ihrer Beliebtheit in der Schule, hatte perfekt zu ihm gepasst. Zusammen waren sie der König und die Königin ihrer Abschlussklasse gewesen.
»Du solltest es Ashleigh vermutlich sagen, bevor Jessica dazu kommt«, flüsterte Laura an Maddie gewandt, als sie an ihr vorbeiging. »Ich weiß, es ist Jahre her, aber niemand freut sich darüber, seinem Ex unverhofft über den Weg zu laufen. Gib ihr die Chance, in den Schönheitssalon zu gehen und auszusehen, als wäre sie eine Million Dollar wert.« Laura richtete sich auf und zwinkerte ihr zu. »Ich hole mir noch etwas zu trinken. Will noch jemand was?«, fragte sie jetzt lauter in die Runde.
Nach Jessicas Offenbarung verspürte Maddie den Drang nach etwas Stärkerem als Eistee.
Und das war ganz und gar Gray Hartsons Schuld.
3. Kapitel
»Tja, dein Geheimnis ist raus«, verkündete ihm seine Schwester am Esstisch. »Ich habe gerade eine Nachricht von Laura Bayley erhalten. Du bist das Thema bei Chairs. Bis zum Ende des Tages wird die ganze Stadt wissen, dass du hier bist.«
»Süße, du kennst die Regeln. Keine Handys bei Tisch«, schimpfte Tante Gina.
Becca grinste und schob das Mobiltelefon zurück in ihre Hosentasche.
»Chairs?« Gray runzelte die Stirn. »Das macht ihr immer noch?«
»Das hier ist immer noch Hartson’s Creek«, erinnerte Tanner ihn und schaufelte sich einen riesigen Löffel voll Kartoffelpüree auf den Teller. »Dieser Ort ist gerade erst im zwanzigsten Jahrhundert angekommen, ganz zu schweigen vom einundzwanzigsten. Was gibt’s hier sonst zu tun, als sich zu betrinken und Tratsch zu verbreiten?«
»Die Leute bei Chairs betrinken sich nicht«, korrigierte Tante Gina und nahm Tanner dabei die Schüssel mit Püree ab, um sie an Gray weiterzugeben. »Und wir unterhalten uns. Wir tratschen nicht.«
»Das ist doch ein und dasselbe.« Tanner grinste sie an. »Und wir wissen alle, dass Rita Dennis ihren Eistee ein bisschen aufpeppt. So fängt das mit dem Tratsch ja immer an.« Er schluckte einen Mundvoll Püree runter. »Ich habe versucht, meinen Freunden in New York das Konzept von Chairs zu erklären. Sie haben mich angestarrt, als wäre ich durchgeknallt.«
»Grayson, kannst du deinem Vater einen Teller richten?«, bat Tante Gina und reichte ihm einen. »Er sollte mittlerweile wach sein. Vielleicht kannst du ihm etwas bringen und hallo sagen.«
»Ich werde ihm wahrscheinlich den Appetit verderben.« Gray nahm