Die Totenbändiger - Äquinoktium - Die gesamte erste Staffel. Nadine Erdmann

Die Totenbändiger - Äquinoktium - Die gesamte erste Staffel - Nadine Erdmann


Скачать книгу
zu nehmen, war bei den momentanen Mietpreisen jedoch absolut unerschwinglich. Selbst wenn er mit Sky und Gabriel zusammengezogen wäre, hätten sie sich nur eine winzige, heruntergekommene Bude irgendwo in Brixton oder Croydon leisten können, und diese Viertel waren fast so schlimm wie das East End. Jeder, der es irgendwie verhindern konnte, vermied es, dort hinzuziehen.

      Cam hatte nicht viel Ahnung von Politik. Nicht, dass er sich nicht dafür interessierte, aber viele der Entscheidungen, die im Stadtrat getroffen wurden, fand er unlogisch, nicht nachvollziehbar oder einfach nur dämlich. Wie zum Beispiel, dass Polizisten, die in London für Ordnung sorgten und dabei immer wieder ihre Leben riskierten, nicht ausreichend Geld für diesen Job bekamen, um sich problemlos in genau der Stadt, für die sie so viel taten, ein sicheres Zuhause in einer halbwegs netten Gegend leisten zu können.

      Für Cam klang das völlig irrsinnig.

      Aber was wusste er schon.

      Und insgeheim war er froh, dass Connor zu ihnen gezogen und Sky und Gabriel nicht weggegangen waren. Die alte Villa war sein Zuhause und Gabe und Sky gehörten zu seiner Familie. Ohne sie wäre beides nicht mehr komplett gewesen. Vor allem die Vorstellung nicht mehr mit Gabriel unter einem Dach zu wohnen, mochte Cam nicht. Überhaupt nicht. Auch wenn das kindisch und egoistisch war.

      Er schaute hinauf zu den Baumwipfeln des Waldes, über denen die Abendsonne den Himmel in ein hübsches Farbenspiel aus orange, rot und blau tauchte.

      Holmes sprang zu ihm und legte ihm einen der bunten Stoffbälle vor die Füße, die Ella für die tierischen Familienmitglieder genäht hatte. Lächelnd strich Cam dem kleinen Kater über das schwarze Fell.

      »Gut gemacht.«

      Dann warf er den Ball ein weiteres Mal in den Garten und Holmes flitzte begeistert hinterher.

      »Der Kater versteht das Prinzip des Apportierens irgendwie deutlich besser als der Dackel.« Gabriel kam aus dem Wohnzimmer über die Terrasse und setzte sich neben Cam auf die Stufen, die zum Rasen hinunterführten.

      Beide sahen hinüber zu einem üppigen Rhododendronstrauch, in dem es wild raschelte. Ihr Dackelwelpe versteckte seinen Ball lieber irgendwo dort in den floralen Tiefen, statt ihn zum Spielen zurückzubringen.

      Cam grinste. »Sherlock ist halt was Besonderes.«

      Gabriel lachte und streichelte Watson, der sich auf Cams Schoß zusammengerollt hatte. Der rotweiße Katzenjunge war im Gegensatz zu seinen beiden tierischen Geschwistern die Ruhe schlechthin und kuschelte lieber mit seinen Menschen, als irgendwelchen Bällen hinterherzujagen.

      Holmes kam mit seiner Beute zurück, legte sie Gabriel vor die Füße und strich maunzend um seine Beine, um auch eine kurze Streicheleinheit zu bekommen. Dann tippte er mit der Vorderpfote auf den Stoffball, maunzte erneut und sah erwartungsvoll zu Gabriel auf.

      »Da sag noch mal einer, Tiere können nicht sprechen.« Gabriel nahm den Ball und warf ihn in den Garten. Wieder sauste Holmes hinterher und überschlug sich dabei vor Begeisterung beinahe.

      Eine Weile sahen sie dem Kitten zu, wie er sich mit dem Ball über die Wiese kugelte, dann blickte Gabriel zu Cam.

      »Okay, Kleiner, jetzt mal raus mit der Sprache. Wie war es heute in der Schule wirklich? Jules und Ella nehme ich ihre Begeisterung ab, aber dass du es ziemlich okay fandest – nicht wirklich. Ich rechne dir hoch an, dass du der Erzieherfraktion dieser Familie zuliebe so tust, als ob, aber zu mir kannst du ehrlich sein. Also, auf einer Skala von eins bis zehn: Wie schlimm war dein erster Schultag wirklich?«

      Cam schnitt eine Grimasse. »Wenn ich zehn sage, kann ich dann ab morgen wieder Homeschooling machen?«

      »Netter Versuch, aber da du beim Essen gerade so getan hast, als wäre alles in Ordnung, hast du nicht vor, das Mum und Granny anzutun.«

      Wieder verzog Cam das Gesicht. »Stimmt. Und so schlimm war es auch nicht.«

      Watson schmiegte sein Köpfchen an Cams Brust und rollte sich dann auf den Rücken, um sich den Bauch kraulen zu lassen.

      »Aber?«, hakte Gabriel nach und warf den Stoffball, den Holmes ihm brachte, zurück in den Garten. »Bist du mit jemandem aneinandergeraten?«

      Cam seufzte und erzählte von Topher und seinen Drohungen, aber auch, dass Evan ihm geholfen hatte.

      »Hast du dieses Video?«, fragte Gabriel, als Cam geendet hatte.

      Cam nickte. »Evan hat es mir geschickt.«

      »Gut. Schick es mir auch.«

      »Nein. Ich will nicht, dass du irgendwas gegen Topher unternimmst. Das gibt nur Ärger. Und der Mistkerl ist mein Problem. Das regle ich alleine.«

      »Daran hab ich auch keine Zweifel. Trotzdem will ich mir diesen Musterknaben und seine Gang mal ansehen. Nenn es brüderliches Interesse – und darüber diskutieren wir nicht«, würgte Gabriel ihn ab, als Cam erneut den Mund aufmachen wollte. »Schick mir einfach das Video. Wissen Jules und Ella von den Drohungen gegen euch?«

      »Ja, natürlich. Wir haben ihnen alles erzählt und Evan hat ihnen das Video ebenfalls geschickt. Wenn Topher oder jemand anderes uns Ärger in die Schuhe schieben will, können wir es der Carroll zeigen.«

      Gabriel nickte zufrieden. »Ich mag diesen Evan.« Er bedachte Cam mit einem Seitenblick. »Der hat definitiv gutes Freundschaftspotenzial.«

      Unverbindlich zuckte Cam die Schultern. »Ja, vielleicht.«

      »Magst du ihn?«

      Wieder hob Cam bloß die Schultern. »Ja, ich denke schon. Er hat mir geholfen. Einfach so. Das war ziemlich cool und er scheint ganz okay zu sein.«

      »Dann gib ihm eine Chance. Auch wenn es nicht so dein Ding ist, aber nach der Aktion heute, hat Evan einen Vertrauensvorschuss verdient. Und jeder braucht Freunde.« Gabriel rempelte ihm sanft gegen die Schulter. »Überzeugt?«

      Cam verzog das Gesicht, nickte aber knapp. »Okay.«

      Wieder brachte Holmes seinen Ball und wollte diesmal, dass Cam ihn warf.

      »Also, von eins bis zehn«, fragte Gabriel erneut. »Wie schlimm ist die Schule für dich jetzt wirklich – so alles in allem?«

      Cam schnaubte. »Keine Ahnung. Fünf? Sechs? Ich freue mich nicht darauf, morgen wieder hinzumüssen. Aber ich hab auch keine Panik davor. Das reicht doch, oder?«

      Gabriel seufzte innerlich, schenkte Cam aber ein kleines Lächeln und nickte. »Ja, das reicht. Und mit der Zeit wird es sicher noch besser. Vor allem, wenn du Leuten wie Evan eine Chance gibst.«

      Cam schwieg und sie sahen Holmes dabei zu, wie er alleine mit seinem Ball spielte, bis ihm das zu langweilig wurde und er ihn wieder Gabriel brachte.

      »Auf einer Skala von eins bis zehn, wie knapp war es heute, als du und Sky von dem Hocus angegriffen wurdet?«

      Gabriel wandte sich zu Cam um und hob eine Augenbraue.

      »Komm schon. Ich bin nicht blöd. Ihr habt die Sache beim Essen runtergespielt, um Sue, Phil und Granny nicht zu schocken. Genauso wie Ella, Jules und ich nichts von Topher erzählt haben.«

      Gabriel musste grinsen und schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, ob mir gefällt, wie gut du mich durchschaust.«

      »Danke, gleichfalls! Aber offensichtlich müssen wir beide damit leben. Also? Wie schlimm war es heute?«

      Gabriel seufzte. »Es war knapp, aber Sky und ich sind ein gutes Team«, sagte er dann. »Wir waren dumm und haben vorschnell Schlüsse gezogen. Aber unsere Seelenverstecke haben perfekt funktioniert, deshalb ist alles gut gegangen.«

      »Denkst du, der Hocus hat euch belauscht und euch absichtlich mit Kinderweinen angelockt? Weil ihr gedacht habt, die Leichen im Tunnel sind von dem Mistkerl, der im letzten Unheiligen Jahr die Totenbändigerkinder gequält hat?«

      »Nein, das glaube ich nicht. Kinderweinen vorzutäuschen,


Скачать книгу