Schattenreiter. Sarah Nikolai
stieg. Ich inhalierte dieses wilde Aroma, das meine Sinne vernebelte.
»Ja, ich weiß.«
Es war aufregend, ihm so nahe sein zu dürfen. Ich fing an zu schwitzen. Ausgerechnet jetzt. Rasch wischte ich meine klebrigen Hände an meiner Hose ab. In dem Moment ließ er mich los und ging vorneweg. Ich war enttäuscht, hatte ich doch gerade angefangen, seine Nähe zu genießen. Seine Bewegungen waren sehr anmutig und leichtfüßig, doch zugleich strotzten sie vor Stärke. Er besaß eine natürliche Eleganz, die ich nie zuvor bei einem anderen Menschen wahrgenommen hatte. Die schulterlangen Haare wippten im Rhythmus seiner Schritte, gleich der wilden Mähne eines Mustangs, der durch die Prärie galoppierte.
»Danke fürs Heimbringen«, sagte ich, als wir vor dem Desert Spring stehen blieben. »Hoffentlich hast du jetzt keinen allzu langen Heimweg vor dir?« Ich hoffte herauszufinden, wo er lebte. Dann könnte ich zufällige Begegnungen inszenieren.
Er nickte mit dem Kopf nach Norden. »Ein Stückchen von hier ist es schon. Aber das stört mich nicht. Ich lebe hinter der Stadtgrenze.«
»Auf einer Farm?« Ich hatte diese fixe Idee, Rin könne als Farmerjunge angestellt sein. Sein kariertes Hemd und die Jeanslatzhose erweckten diesen Eindruck. Er schüttelte amüsiert den Kopf.
»Aber was ist denn dort draußen? Noch eine Stadt?«
Von der hätte ich sicherlich inzwischen gehört. Andererseits gab es im Pennington County viele kleine Orte, die nur mit etwas Glück auf einer Landkarte zu finden waren.
»Ich lebe dort, wo die Wälder beginnen.« »Das muss sehr einsam sein.« »Ich mag es, wie es ist.«
Ich ließ das Gartentor hin- und herschwingen, doch als Rin mich plötzlich auf unsagbar sanfte Weise ansah, hielt ich abrupt inne. Seine Augen waren wie zwei große schwarze Löcher, in die man sehr schnell hineingesogen wurde, wenn man sich nicht in Acht nahm. Ich jedenfalls konnte nun, da ich zu lange hineingeschaut hatte, nicht mehr wegsehen.
Sein Blick wanderte tiefer und blieb an meinen Lippen hängen. Ein aufregendes Kribbeln breitete sich in meinem ganzen Körper aus.
»Das war ein schöner Abend«, sagte er.
»Ja, das war er.« Ich wünschte nur, er würde jetzt nicht zu Ende sein. »Kommst du auch zur Cluberöffnung?«, fragte ich in der Hoffnung, ihn dort wiederzusehen. »Cluberöffnung?«
»Der Cobra Club in Rapid City. Das soll schon jetzt ein angesagter Laden sein«, erklärte ich und berief mich dabei auf Iras Aussagen. »Der mit der großen Kobra über dem Eingang.«
Rin wiegte nachdenklich den Kopf. »Ich glaube nicht, dass das etwas für mich ist.«
»Schade.« Das hätte ich mir eigentlich denken können. »Gute Nacht, Jorani.« Er kam näher.
Ich spürte seinen Atem auf meinen Lippen und glaubte, nein, hoffte, er würde mich küssen. Mein Verlangen nach einem Kuss war so groß, dass ich mich sogar unbewusst auf die Zehenspitzen stellte, nur um seinen Lippen näher zu sein. Ich sog seinen Atem ein, spürte, wie mein Herz immer heftiger schlug, bis mir schwindelig wurde. Aber das konnte ich geschickt überspielen, indem ich mich leicht gegen den Zaun lehnte. Rins Duft vernebelte mir die Sinne. Erneut roch ich Gras, Weide, sogar Pferd, wahrscheinlich haftete etwas von Larkis Geruch an ihm.
»Bis bald«, sagte er leise. Fast berührten sich unsere Münder. Unmerklich spitzte ich die Lippen. Eine solche Sehnsucht hatte ich nie verspürt. Sie brannte unerträglich in meiner Brust.
Er machte einen Schritt nach hinten, und die Magie war fort. Plötzlich fühlte sich mein Kopf wieder klar an, als hätte ich zuvor unter einem Bann gestanden, der nun gebrochen war.
»Gute Nacht, Rin«, hauchte ich.
Er hob die Hand, dann wandte er sich ab.
Nur einen winzigen Moment schaute ich betreten, auch ein wenig enttäuscht, dass es mit dem Kuss nicht geklappt hatte, zu Boden, und als ich wieder aufsah, war er in der Dunkelheit verschwunden. Schwarze Vögel erhoben sich in die Luft und verschmolzen mit der Dunkelheit. Sie folgten ihm, da war ich mir sicher. Der Gedanke ließ mich frösteln.
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