Eine Kultur des Friedens. Eleanor Kreider
die gute Nachricht des Friedens. Er segnete die Friedensstifter, er schaffte Frieden. Und er erkannte, dass dies Konflikte mit sich brachte. Diesbezüglich war Jesus sehr deutlich; er kam nicht, um Frieden zu bringen, sondern den Kampf (Matthäus 10,34). Ohne Konflikte bleibt Ungerechtigkeit bestehen und wird nicht herausgefordert, und dann gibt es keine Hoffnung. Also ließ sich Jesus auf den Konflikt ein, der Frieden schafft: er wandte sein Gesicht Jerusalem zu; er verursachte einen Aufruhr im Tempel, im Herzen des religiösen Establishments seines Volkes. Er übertrumpfte mit seinen Argumenten die religiösen Führer. Und dafür zahlte er einen hohen Preis: Das Kreuz steht im Mittelpunkt des friedenstiftenden Wirkens Christi. Es ist eine Folge seines Friedensstiftens und es ist zugleich, so betonen die neutestamentlichen Schreiber immer wieder, das Mittel seines Friedensstiftens. Alles hat Frieden gefunden, als er am Kreuz sein Blut vergoss (Kolosser 1,20, im Hinblick auf Jesaja 53,5). Eine Gemeinde, die dabei ist, eine Kultur des Friedens zu werden, denkt über das aufs Kreuz ausgerichtete Leben Christi und sein rettendes Werk am Kreuz nach und öffnet sich dafür, ihr eigenes Kreuz auf sich zu nehmen. Indem sie das tut, führt Gott sie in das Abenteuer: Risiko und Konflikte um des Friedens willen.
Friede führt zu Überraschungen
In der antiken Welt hätten nur wenige Dinge mehr überrascht als das, was sich in Apostelgeschichte 10 abspielte. Es war einfach nicht zu erwarten, dass Galiläer wie Petrus, die mit einem von den Römern Gekreuzigten befreundet waren, das Haus eines Hauptmanns in Cäsarea aufsuchen. Den meisten Beobachtern war die Vorstellung einer „neuen Menschlichkeit“, die Römer wie Juden gemeinsam eine neue weltweite, messianische Familie bilden lässt, zutiefst überraschend. Ihnen kam das wie eine merkwürdige Kreuzung zweier völlig unverträglicher Gruppen vor. Sie kamen nicht auf die Idee, dass dies die kreative Lösung eines tief sitzenden Problems sein könnte. Wie merkwürdig, wie unkonventionell waren doch diese messianischen Nonkonformisten, die meinten, dass durch Christus der Feind zum Bruder geworden sei! Wer behauptete, dass dies durch das Kreuz geschehen sei, wo sich Fluch und Grausamkeit begegnet waren, stand in der Gefahr, als unrealistischer und ungehobelter Narr abgeschrieben zu werden.
Doch anstatt sich der Überraschung zu stellen, bereiteten sich viele Juden auf etwas viel Naheliegenderes vor: den revolutionären Krieg gegen die Römer. Er vollzog sich zwischen 66 und 70 unserer Zeitrechnung und hatte traumatische Folgen für das jüdische Volk: die Zerstreuung der Bewohner Jerusalems und die Zerstörung des Tempels. Dabei hatte Gott einen anderen Weg im Sinn gehabt: die Schaffung einer weltweiten Familie in Christus, die aus ehemaligen Feinden besteht. Gott blieb sich treu. Er denkt nach wie vor über unsere Stereotypen hinaus und schafft tatsächlich eine Kirche, eine „heilige Nation“, die wahrlich global ist. Gott ist ein Gott der Überraschungen. Er überraschte Petrus, der darauf hin beschloss, nicht länger wie ein typischer Jude des ersten Jahrhunderts zu denken und zu handeln. Und der friedenstiftende Gott überrascht weiterhin.
Friede kommt durch die Macht Gottes zustande
Petrus schildert Kornelius (Apostelgeschichte 10,39–40): Diesen Jesus haben sie an das Kreuz genagelt und getötet. Aber schon drei Tage später hat Gott ihn wieder zum Leben erweckt. Das friedenstiftende Werk Gottes zeigt sich in der Auferstehung. Die Auferstehung Jesu belegt Gottes Entschlossenheit, den Weg des Friedens zu untermauern. Ein frühchristlicher Segen lautete: Er ist es ja, der uns seinen Frieden schenkt. Er hat unseren Herrn Jesus Christus von den Toten auferweckt (Hebräer 13,20). Der Tod kann den friedenstiftenden Gott nicht aufhalten. Das scheinbar Unmögliche kann den friedenstiftenden Gott nicht aufhalten. Paulus schrieb den Römern von einem Gott, der die Toten lebendig macht und der aus dem Nichts ins Leben ruft (Römer 4,17). Menschen, die auf ihre eigene Kraft angewiesen sind, ist das Friedenstiften unmöglich; Gott schenkt Frieden. Dank der göttlichen Barmherzigkeit blieb im Südafrika der 1990er Jahre ein Rassenkrieg aus. Statt dessen bildete sich wie durch ein Wunder eine „Wahrheits- und Versöhnungskommission“. Gottes Macht, im Verbund mit den Gebeten und dem Mut von Menschen, führt Veränderungen herbei. Im 21. Jahrhundert wie in der Stadt Cäsarea im ersten Jahrhundert leistet der Heilige Geist Geburtshilfe bei der Entstehung neuer Optionen. Der Geist kommt gleichermaßen auf Römer, Unterdrücker, Feinde und Schwache herab. Er begegnet denen, denen Menschenunmögliches abverlangt wird. Allein aufgrund der Auferstehung und des Heiligen Geistes können Gottes Menschen Friedensstifter werden.
Jesus ist der Schlüssel zum Frieden
Petrus berichtete Kornelius auch, dass es der Friede sei, mit dem Jesus evangelisierte (Apostelgeschichte 10,36). Und in Epheser 2,14 heißt es über Jesus: Durch Christus haben wir Frieden. Jesus ist der Friedensstifter. Um zu erkennen, was Friede bedeutet, braucht man weder über Politik noch über Theologie zu streiten – wir blicken einfach auf Jesus. Wir erzählen die Geschichte Jesu. Wir hören ihm zu. Wir beobachten Jesus in Aktion: Jesus mit seinen Freunden, Jesus beim Streiten, Jesus beim Lieben seiner Feinde, Jesus am Kreuz, Jesus beim Friedenstiften. Im Laufe der Generationen fällt der Kirche die Aufgabe zu, die Geschichte und Lehre Jesu zu betrachten und seine Art weiterzugeben. In diesem Sinne verstand auch Paulus seine Aufgabe: Folgt meinem Beispiel, so wie ich dem Vorbild folge, das Christus uns gegeben hat (1. Korinther 11,1). Die Lebensart Jesu, von seinen Jüngern vorgelebt, würden künftig auch andere nachahmen und wiederum vorleben. Paulus schrieb den Christen in Philippi: Richtet euch nach dem, was ich euch gelehrt habe, und lebt nach meinem Vorbild. Dann wird Gott bei euch sein und euch seinen Frieden schenken (Philipper 4,9). Jesus, die Verkörperung göttlichen Friedens, lebt. Paulus sagt, dass Jesus selbst der Friede ist, und zeigt uns, was es mit diesem Frieden auf sich hat.
Der Friede steht im Mittelpunkt biblischen Glaubens. Es ist unmöglich, hier zu übertreiben. Alle acht Facetten weisen darauf hin, dass der Friede der Bibel zufolge kein zusätzliches, gebührenpflichtiges Extra ist. Er ist von zentraler Bedeutung. Der einzige Grund, warum wir Heiden (indonesische Heiden, argentinische Heiden, deutsche Heiden und alle anderen auch) uns in der Gemeinde befinden, liegt in der übernatürlichen friedenstiftenden Tat Gottes in Christus. Darum ist der Friede zum Wohle der gesamten Kirche gedacht. Den Begriff könnten wir sogar verwenden, um unsere Gemeinden zu beschreiben. Wenn Leute uns nach unserer Gemeinde fragen, dann könnten wir antworten: „Wir sind eine Kultur des Friedens. Gott ist ein Gott des Friedens, und wir sind dabei, zu lernen, was Friede wirklich bedeutet. Das ist ein spannender Weg! Sie sind herzlich eingeladen, mal reinzuschauen!“
Anmerkungen
1Marlin E. Miller, „The Gospel of Peace“ in: Robert Ramseyer (Hrsg.), Mission and the Peace Witness (Scottdale, PA, Herald Press, 1979), 9–23.
2Andrew Walls, „From Christendom to World Christianity“ in: The Cross-Cultural Process in Christian History (Maryknoll, NY, Orbis Books, 2002), 49–71.
3Dietrich Bonhoeffer, Ethik. Zusammengestellt und herausgegeben von Eberhard Bethge (Chr. Kaiser Verlag, München 91981), S. 264f.
4Miroslav Volf, Exclusion and Embrace – A Theological Exploration of Identity, Otherness, and Reconciliation (Nashville, Abingdon Press, 1996), 129.
5David P. Barash, Introduction to Peace Studies (Belmont, CA, Wadsworth Publishing Company, 1991), 7–8.
6Johan Galtung, Peace by Peaceful Means – Peace and Conflict, Development and Civilization (Oslo, PRIO International Peace Research Institute und London, SAGE Publications, 1996), 9.
7Ulrich Mauser, The Gospel of Peace – A Scriptural Message For Today’s World (Louisville, KY, Westminster/John Knox Press, 1992), 13.
8Perry Yoder, Shalom – The Bible’s Word for Salvation, Justice, and Peace (Newton, KS, Faith and Life Press, 1987), 10–16; ebenfalls Walter Brueggemann, Living Toward A Vision – Biblical Reflections on Shalom (New York, United Church Press, 1976), 18–20.
9Eine fundierte Abhandlung über Schalom und seine Auswirkungen auf Innenstädte findet sich bei: Mark R. Gornik, To Live in Peace – Biblical Faith and the Changing Inner