Eine Kultur des Friedens. Eleanor Kreider

Eine Kultur des Friedens - Eleanor Kreider


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sein Leben für andere hin, versöhnte uns alle mit Gott, uns jüdische Zugehörige ebenso wie euch heidnische Außenstehende (Vers 16). Aus Gnade tat Gott das Unmögliche: Durch Jesus zerstörte Gott die Mauer der Feindschaft, die euch heidnische Außenstehende von uns jüdischen Zugehörigen trennte. Über die zerstörte Mauer hinweg ist ‚eine neue Menschheit‘ entstanden, die aus ehemaligen Feinden besteht. Diese neue Menschheit ist die Gemeinde, die Hausgemeinschaft Gottes. Darum handelt es sich, Kornelius, beim Friedenstiften (Vers 15). Das ist etwas anderes als der römische Friede (Pax Romana, die Herrschaftsideologie des römischen Reiches); dieser Friede greift viel tiefer. Im Frieden Christi (Pax Christi) werden ehemalige Feinde mit Gott versöhnt; sie werden zu Brüdern und Schwestern in der Familie Gottes.“

      Petrus wie auch die Christen in Ephesus hatten gewusst, dass die Kirche, wo auch immer, eine Friedenskirche war. Gott hatte die Mauer niedergerissen – die Mauer, die trennte, Stereotypen schuf und Gemeinschaft verhinderte.

      In Christus ist Gott dabei, eine neue Menschheit zu schaffen. Christus ist unser Friede. Darum war in der Gemeinde in Ephesus Friede nicht das selbstgewählte Anliegen einzelner Glieder. Nein – in Ephesus gab es eine Kultur des Friedens, in der der Friede allen Gliedern wichtig erschien. Warum? Weil der Friede, den sie kannten, in ihrer christlichen Grunderfahrung von Vergebung und Versöhnung in Christus wurzelte. Friede ist, damals wie heute, in Gottes Wirken und seinem Willen zentral.

       Friede steht im Mittelpunkt der göttlichen Mission

      Denken Sie an Petrus und Kornelius am Tag ihres Durchbruchs in Cäsarea. Hatte nicht Gottes wundersame Aktion, vom Heiligen Geist bestätigt, ihnen vollkommen klar gemacht, dass der Friede im Zentrum der göttlichen Mission steht?

      In Cäsarea, Apostelgeschichte 10, war Gott am Werk. Die Juden empfanden Cäsarea als einen widerlichen Ort, eine römische Garnisonsstadt. Sie war der Mittelpunkt römischer Militärmacht. Die römischen Soldaten waren kriegsgestählte Besatzungstruppen, als Werkzeuge göttlichen Wirkens denkbar ungeeignet. Doch in den Augen Gottes ist kein Mensch unerreichbar. Es mag Menschen geben, die wir als Mitmenschen nicht erreichen können. Doch sie sind sicherlich niemals außerhalb der Reichweite Gottes. Ehe Petrus Kornelius begegnete, war Gott ihm vorausgeeilt und hatte Kornelius bereits erreicht. Petrus ist lediglich dem Pfad gefolgt, den Gott bereits geschlagen hatte. Petrus hatte keine eigene Mission – seine Mission war die Mission Gottes.

      In Cäsarea vollbrachte Gott etwas völlig Unerwartetes. Er rührte die Herzen der Feinde an und schenkte ihnen den Wunsch, Gott kennenzulernen. Das Ergebnis war, dass er jüdische Gläubige wie Petrus dazu berief, ihr Weltbild und ihre Prioritäten zu ändern. In Cäsarea war Gott am Werk, und das bedeutete für alle, sich zu ändern. Am Rande, im Dunkeln, an einem gefährlichen und riskanten Ort begann Gott etwas Kleines, das groß werden sollte: die weltweite Kirche.

      An dieser Stelle, und überhaupt im Neuen Testament, ist Gottes Mission von gewaltigem Ausmaß. In Matthäus 8,11 erkannte Jesus Gottes Wirken in einem anderen Hauptmann und freute sich auf den Tag, an dem viele Menschen aus aller Welt kommen werden und mit Abraham, Isaak und Jakob im Himmel das Freudenfest feiern. In Offenbarung 7,9 sah Johannes der Seher eine riesige Menschenmenge, so groß, dass niemand sie zählen konnte. Die Menschen kamen aus allen Nationen, Stämmen und Völkern, und beteten das Lamm Jesus an. Gottes Mission im Neuen Testament und darüber hinaus besteht darin, diese „eine neue Menschheit“ herbeizuführen, die friedlich miteinander isst und gemeinsam das Lamm anbetet.

      Das ist von Anfang an Gottes Sendung. Doch den Menschen war nicht immer klar, was das bedeutet. Die Gläubigen der Urgemeinden wussten, dass Christus Frieden gestiftet und sie mit Gott und ganz andersgearteten Menschen versöhnt hatte. Wunderbar! Doch welche Folgen hatte dies für ihre Gemeinden?

      In seinen Besuchen und Briefen bemühte sich Paulus, Gemeinschaften ganz gewöhnlicher Menschen zu beraten und zu ermutigen, die etwas Außergewöhnliches taten: sie vereinten ehemalige Feinde (Juden und Heiden). Das war nicht leicht, sondern es schuf Probleme. Welche Speisen würden sie zu sich nehmen? An welchem Wochentag sollten sie Gottesdienst feiern? Welche Sicht in Bezug auf die Ehe, weltliche Gerichte oder jüdische Sitten und Gebräuche war richtig? Der Jerusalemer Rat in Apostelgeschichte 15 war ein wichtiger Versuch der Leiter der frühen Gemeinden, Konflikte anzugehen, die unvermeidbar waren auf dem Weg, eine neue Menschheit und ein Volk des Friedens zu werden. Und wer war der entscheidende Zeuge bei den Beratungen in Jerusalem? Petrus, der berichtete, was Gott in Cäsarea vollbracht hatte (Apostelgeschichte 15,7–11).

      Wie hatte Petrus auf das reagiert, was er in Cäsarea als Gottes Willen erkannt hatte? Als er sah, dass Gott seinen Heiligen Geist den feindlichen Heiden ebenso zukommen ließ wie zuvor den jüdischen Jüngern, ging Petrus mit und taufte den Feind (Apostelgeschichte 10,47). Als er diese Handlung vor den Ältesten in Jerusalem verteidigte, verwies er darauf, dass Gott selbst dafür verantwortlich war: Wer bin ich, dass ich Gott daran hätte hindern können? (Apostelgeschichte 11,17). Beim Jerusalemer Rat in Apostelgeschichte 15 lud Petrus die Leiter ein, so zu handeln, wie er in Cäsarea gehandelt hatte: sich Gottes Handeln anzuschließen. Genau dazu fordert Gott uns auch heute auf: zu entdecken, wo er am Wirken ist, und darin seine Mitarbeiter zu werden. Jesus hatte gesagt: Von sich aus kann der Sohn gar nichts tun, sondern er tut nur das, was er auch den Vater tun sieht (Johannes 5,19).

      Heute ist der Auftrag Gottes immer noch die Mission des Friedensstiftens. Die weltweite Kirche des 21. Jahrhunderts bringt das in erstaunlicher Weise zum Ausdruck. Im 20. Jahrhundert verlagerte sich der Mittelpunkt des Christentums südwärts, zu den südlichen Kontinenten. Folglich besteht die Kirche des 21. Jahrhunderts aus ehemaligen Feinden wie Petrus und Kornelius, aus ehemaligen Sklaven und Herren, aus ehemaligen Kolonialherren und Revolutionären, aus ehemaligen Unterdrückern und Unterdrückten.2 Gott reißt die Mauern nieder. Er vergibt uns allen, versöhnt alle mit sich, vermittelt den Frieden Christi an uns alle und macht uns alle zu Mitgliedern einer internationalen Gemeinschaft des Friedens.

      Die weltweite christliche Kirche ist ein Wunder. Sie ist eine neue Familie. Sie schenkt uns unsere wesentliche Identität. Sie ist ein Ort, wo wir durch Gottes Gnade erkennen können, wer wir sind und wohin wir eigentlich gehören. Auf der ganzen Welt tut Gott heute genau das. Unsere Berufung heute ist dieselbe wie die des Petrus, Gott nicht „zu hindern“ (Apostelgeschichte 11,17). Wir sollen ihm nicht im Weg stehen, sondern uns an der göttlichen Mission, Frieden zu schaffen, beteiligen.

       Friede ist eine Reaktion auf Gottes Gnade

      In Apostelgeschichte 10 suchten Petrus und Kornelius nicht nach einer neuen Vision für die Menschheit. Das dringendste Bedürfnis von Petrus war ein Mittagessen: er hatte Hunger (10,10). Sein allgemeineres Anliegen bestand darin, einer jüdisch-messianischen Erneuerungsbewegung zum Wachstum zu verhelfen. Die Ziele des Kornelius waren ähnlich bescheiden. Er versuchte, gottesfürchtig zu leben und den Gott der Juden anzubeten, so weit das als römischer Soldat eben möglich schien.

      Doch Gott ging Petrus und Kornelius voraus. In seiner Güte war er dabei, ihren Horizont zu erweitern. Was sich dann zugetragen hat, hatten Petrus und Kornelius weder geplant noch selbst bewerkstelligt. Nein, was hier geschah, war das Geschenk eines gütigen Gottes. Gottes Vision war größer als ihre, Gottes Wirken war ihrem eigenen Wirken weit voraus. Also vergab Gott Petrus und Kornelius, versöhnte sie und schenkte ihnen eine neue Vision und eine neue Identität. All das geschah aufgrund der Güte Gottes.

      So ist es immer. Gottes Gnade ist zuerst da, und dann lädt er Menschen ein, darauf zu reagieren. Es wäre falsch, die göttliche Gnade nur auf die Frage der Rechtfertigung zu reduzieren – als ob Gott alles täte und die Menschen gar nichts. Die Gnade Gottes befreit, ermächtigt und heiligt. Sie befreit Menschen aus der Gefangenschaft von Absonderung und Isolation. Die Gnade ermächtigt Menschen, sich mit ehemaligen Feinden zu versöhnen. Und sie heiligt Menschen, so dass sie Friedensstifter werden. Es liegt an uns, auf diese Gnade zu reagieren. Niemand, nicht einmal Gott, kann uns zwingen, auf die Gnade Gottes zu reagieren. Unsere Antwort muss sich aus freien Stücken ergeben. Der Theologe Dietrich Bonhoeffer sagte einmal: „Das verantwortliche Handeln ist eben darin ein freies Wagnis, durch kein Gesetz gerechtfertigt …“ Denn es seien wir, die Subjekte, die „beobachten,


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