Gespräche mit dem Henker. Ein Buch nach Tatsachen über den SS-General Jürgen Stroop, den Henker des Warschauer Ghettos. Kazimierz Moczarski
Rosenberg2, Streicher3 und vor allem Hitler. Aus der Flut dieser Meinungen und Konzeptionen will ich einige herausgreifen.
»Pacelli4, der böse Geist Papens, der einzige Ausländer in Deutschland mit tatsächlichem, großem Einfluss.«
Überhaupt: »Die katholische Kirche ist eine in tiefster Konspiration arbeitende Weltgemeinschaft, eine Clique, ein Orden, ein Bündnis der verschiedensten Gruppierungen, die nur scheinbar miteinander verfeindet sind. Diese Elemente können sich sogar gegenseitig bekämpfen, aber in allen wesentlichen Fragen werden sie immer gemeinsam vorgehen oder sich zumindest gegenseitig unterstützen. Das Beispiel des letzten Krieges beweist es. Im Jahre 1943 sagte mir Heinrich Himmler, er habe sachliche Beweise für eine enge Zusammenarbeit der Mitglieder des engsten Stabes des Papsttums mit der tief im Untergrund arbeitenden Führung der Freimaurer. Diese, wie man annehmen sollte, ungewöhnliche Zusammenarbeit hatte die vollständige Vernichtung Deutschlands durch den Krieg zum Ziel.«
Stroop gab auch seine Ansichten über das Christentum zum Besten, das, seiner Meinung nach, »nicht nur eine Gemeinschaft der vom Judaismus durchdrungenen Religionen, sondern eine Institution ist, die aus jüdischen Anregungen entstanden ist«.
»Und Christus?« frage ich.
»Christus war ein sehr kluger Mann. Ein Philosoph, Romantiker. Rassisch gesehen: halbnordisch. Seine Mutter war Tempeldienerin und besaß das Wohlwollen eines wichtigen Priesters. Sie wurde von einem Soldaten, einem blonden Germanen, geschwängert, einem Angehörigen jener germanischen Stämme, die von den Karpaten nach Süden bis Kleinasien zogen. Deshalb war Christus blond und unterschied sich auch psychisch von den Juden, die seine Lehre für ihre Ziele »umfrisierten« und anschließend auf den internationalen Markt warfen, um die Menschen durch das Einimpfen von Schuldgefühlen weich zu machen und zu erniedrigen.«
Ich hörte geduldig zu, ohne ihn zu unterbrechen. Einen Augenblick lang hatte ich das Gefühl, nichts, gar nichts vom Leben zu wissen.
Während des einen Jahres in Münster (Mai 1934–Juni 1935) wurde Stroop endgültig in die SS-Elite aufgenommen. Im Stab des XVII. SS-Abschnittes brachte man ihm »ideologische Erkenntnisse« bei, dazu die Geheimnisse der Parteibürokratie und die »höheren Methoden« bei der Durchführung von Verhören und der Anwendung von Terror.
Wahrscheinlich hier in Münster setzte bei Stroop jener rasche Deformierungsprozess ein, den man immer dort feststellen kann, wo eine plötzliche Verbesserung der Lebensbedingungen eintritt; sie ist Menschen mit einem unterentwickelten Intellekt, einem unscharfen Verstand und wenig gefestigtem Charakter eigen; diese verbesserten Lebensbedingungen werden begleitet von Privilegien und einer Entfremdung gegenüber dem gewohnten Milieu.
»Kaum etwas hat die Nazis, besonders die Angehörigen der SS-Stäbe, so von der Bevölkerung isoliert«, meinte Schielke, »wie die vier Autoreifen. Damals gab es im Reich noch verhältnismäßig wenige Autos, aber diese Leute waren ständig mit ihren Wagen unterwegs. Verdeckte Einkünfte und geheime Prämien haben die SS-Führer rasch verändert. Eigene Versorgungsquellen durch die NSDAP, eigene Schneider und Schuhmacher, Heime der SS, Krankenhäuser, Hotels, Kurorte, Klubs nordischer Menschen, getarnte Bordelle des ›Lebensborn5‹ – alles das entfremdete sie dem Volk. Als ich jung war, sagten mir Sozialdemokraten oft, ›das Sein prägt das Bewusstsein‹. Und sie hatten damit wohl Recht«, schloss Schielke.
Am Ende seiner Stabstätigkeit in Münster wird Stroop zum SS-Sturmbannführer (Major) befördert und anschließend auf einen wichtigen Posten nach Hamburg versetzt. Es ist Juni 1935, als Stroop die Führung der 28. SS-Standarte (Regiment) in dieser großen Hafenstadt, dem Zentrum von Handel und Industrie, übernimmt. Eine Hansestadt mit einem liberalen Bürgertum und einem seit langem organisierten Proletariat, vor allem unter den Werftarbeitern und Matrosen. Hamburg war eine schwierige Stadt für die Nazis, sie erregte ihr Misstrauen. Man musste sie mit Schlägereinheiten überziehen. Eine dieser Einheiten führte Stroop.
»Unser Hauptquartier lag nicht in den historischen Grenzen Hamburgs, sondern in der Vorstadt Altona, einer damals selbstständigen preußischen Stadt, die von der Freien Hansestadt Hamburg unabhängig war«, erzählte Stroop.
»Sie als Führer der 28. SS-Standarte herrschten also in Altona?«
»Auf Altona brauchten wir nicht besonders aufzupassen. Unsere Aufmerksamkeit richtete sich auf das Zentrum von Hamburg und den Hafen- und Industriebereich.«
Ich war bereits im Bilde und begriff, worum es ihm ging. Die 28. SS-Standarte war offensichtlich als Interventionseinheit gedacht, die da zuschlagen sollte, wo sie gerade gebraucht wurde. Wie ein bissiger Hund. Er wurde von der Leine gelassen, wenn die Interessen der NSDAP in Gefahr waren. Allein das Wissen, dass die 28. SS-Standarte wacht, musste auf einen Teil der Hamburger Bevölkerung beruhigend wirken.
Stroop, der ähnlich wie die Mehrzahl der SS-Führer nicht mit zahllosen Alltagspflichten und politischen Aktionen beschäftigt war, hatte andere Aufgaben. Unter anderem musste er Schulungen durchführen. Bei ihm in Altona wurden Lehrgänge abgehalten, ideologische Schulungen, »Diskussionen«, Übungen usw. Dort wurde auch ein religiös-germanisches Zentrum errichtet. Stroop erzählte:
»Unsere Wissenschaftler hatten in der Nähe von Bardowick Reste eines urgermanischen Holzbaus entdeckt. Wir haben ihn nach Altona gebracht und rekonstruiert. Aber es gab Probleme. Die Brandschutz-Bestimmungen Hamburgs verboten die Errichtung von Häusern aus leicht brennbarem Material. Die Hamburger Bürokraten schützten gesetzliche Bestimmungen vor und erlaubten uns nicht, einen Holzbau zu errichten. Wir mussten eine Menge Geld ausgeben, um jeden Balken, jedes Brett und jede Dachschindel mit einer besonderen Flüssigkeit feuersicher zu imprägnieren. Dazu mussten wir hoch bezahlte Fachleute einstellen, aber schließlich wurde alles so gemacht, wie wir es haben wollten.«
In einem wunderschönen Park, inmitten von Eichen, wurde ein historischer Bau errichtet ...
»Wohl euer Tempel?«
»Jawohl. Wir statteten ihn mit Dingen aus, die alten germanischen Kultgegenständen nachgebaut waren. Es gab einen Saal mit einer offenen Feuerstelle und einem an Ketten hängenden Metallkessel. In diesem Saal wurden Trauungen nach germanischem Ritus durchgeführt, wir versammelten uns dort ...«
»Zu Gottesdiensten?«
»Na, nicht gerade zu Gottesdiensten, aber es war etwas Ähnliches. Versammlungen, SS-Tagungen und so weiter.«
Schielke hörte interessiert zu, wurde aber immer unruhiger. Sein angeborenes Gefühl für Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit ließ ihn schließlich explodieren: »Wozu zum Teufel habt ihr für teures Geld diese Pseudokirche aufgebaut?!«, brach es aus ihm heraus. »Allein das Imprägnieren des Holzes kostet zehnmal so viel wie das Errichten eines modernen Gebäudes! Die Menschen mussten damals schwer arbeiten, oft für einen Hungerlohn, und ihr habt Tausende von Brettern und Schindeln mit kostbarer Flüssigkeit getränkt, einfach so zum Vergnügen! Verrückte Verschwender!«
In der Zelle kam es zu einer heftigen Auseinandersetzung, die zur Folge hatte, dass Stroop und Schielke mindestens drei Tage lang kein Wort miteinander sprachen. Ich spürte, dass Schielke sich endlich als ein selbstständiger Mensch zu fühlen begann. Wenigstens für eine Weile schien er sich aus der den Deutschen angeborenen Bewunderung für einen Generalsrang gelöst zu haben. Das konnte für ihn den Durchbruch bedeuten.
In Altona bewohnt Stroop die Hälfte einer großen Villa. Ein Wagen steht ihm zur Verfügung, er hat Geld, ist gepflegt, die Köchin kocht ausgezeichnet. Die Tochter wächst, sie ist bereits acht. Im Februar 1936 bringt seine Frau einen Sohn, Olaf, zur Welt. Stroop ist stolz und glücklich. Endlich hat er den sichtbaren Beweis, auch ein guter Zuchthengst zu sein. Seit einiger Zeit beteiligt er sich zwar an der Aktion »Lebensborn«, aber es ist ein großer Unterschied, ob man einen eigenen Sohn mit dem skandinavischen Namen Olaf hat oder am Gedeihen einer SS-Nachkommenschaft mit Hilfe geheimer Lebensborn Praktiken teilnimmt. Die Treffen im »Lebensborn« vermitteln zwar das prickelnde Gefühl eines Ehebruchs, sie haben den Nachgeschmack heimlicher Hotel-Abenteuer, befriedigen verbotene Sinnlichkeit und schaffen Gelegenheiten zu einem offiziellen, wenn auch geheim gehaltenen Abenteuer mit der Bürosekretärin – aber das alles bedeutet