Am Meer. Peter Seeberg

Am Meer - Peter Seeberg


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      „Und trotzdem starben sie“, warf Gerard ein.

      „Ja, oft sogar früher“, sagte Bloch, „sie waren noch nicht darauf eingestellt, lange zu leben, alles hatte seine Zeit, die verkürzte Sexualität in der Ehe, die Begrenzung der Gefühle, die Formalisierung aller Dinge, das Eingestelltsein aufs Sterben – aber dafür war das Leben intensiver.“

      „Die Äpfel schmeckten damals auch besser, hab ich gehört“, sagte Gerard.

      „Alles schmeckte besser, das Leben selbst ist verflacht, wir sind jetzt alle ein Industrieprodukt, wir halten ein bißchen länger, aber dementsprechend ist auch der Inhalt. Der Mensch ist nicht dazu geschaffen, so lange zu leben.“

      „Und damit fanden sie sich ab“, sagte Gerard.

      „Ja“, sagte Bloch, „damit fanden sie sich ab, selbst sie fanden sich damit ab, sie waren ja trotzdem Optimisten, sie konnten es nicht lassen ...“

      9.55

      „Komm“, sagte Bloch, und sie standen auf, „sieh sie dir mal alle auf einmal an, fast hunderttausend, fünfundneunzigtausend gleich hier an der Abfahrt konzentriert, hier sind die Angebote: Unterhaltung, Erste Hilfe, dort hinten sind die anderen, die Platz brauchen, am weitesten weg sind jene, die ganz allein sein wollen, jene, die allein sein müssen, jene, die nur allein sein können. Wer von ihnen schafft es, was glaubst du?

      Hier sind einige zwanzigtausend Autos, sie stellen lediglich einen Wert von ungefähr einer Milliarde dar, jeder Mensch ist mit einer Million versichert, das sind hundert Milliarden plus eine Milliarde für die Autos, du hast bestimmt nicht gewußt, daß Autos so wenig wert sind. Das sind einhunderteine Milliarde, völlig schutzlos, ohne Ärzte, ohne irgend etwas. Ist das nicht großartig? Ein paar Polizeiautos, ein Hubschrauber, doch im Prinzip total entblößt. Um der Sonne und des Badens willen. Und das geht.“

      „Es ist eine Religion“, sagte Gerard.

      „Vielleicht“, sagte Bloch, „es ist eine Ergriffenheit, die keiner so recht in Betracht zieht – bis auf die Grundstücksspekulanten –, das Meer läßt sie alle total vergessen. Alles, was an Unbehagen mit dem Körpergewicht verknüpft ist, wird eliminiert, die Bewegungen werden freier, das Gemüt gewinnt seine Kindlichkeit zurück, sieh dir die Zehntausenden Buddhas an, die das Gesicht der Sonne zugekehrt haben. Ja, das ist ein religiöses Fest, ein Eskapismus, eine Erlösung der ursprünglichen Art, aber total konsequenzlos, asozial erfrischend für die, die vor dem allumfassend Regulären flüchten müssen. Beachte bitte, daß am Strand nie Verkehrsunfälle vorkommen, aber dann sieh dir das mal an, wenn die Leute nach Hause fahren.“

      „Es gibt Menschen, die es lieben, schnell zu fahren“, sagte Gerard.

      „Natürlich“, sagte Bloch, „die Geschwindigkeit ist eine andere Religion, alles geht in Richtung Reduzierung eines Bewußtseins, das keinen Inhalt hat und keinen finden kann, das ist der Strand.“

      „Ist das der Strand?“ fragte Gerard.

      „Ja“, sagte Bloch, „das ist der Strand. Und deshalb werden sie kommen, ganz gleich, wieviel sie sind, je mehr, desto besser, und sie werden ins Wasser gehen, selbst wenn es verunreinigt ist, denn das lindert, das erlöst, das nimmt weg, und selbst wenn man ganz in der Nähe der Küste Bohrtürme baut, werden sie unter und zwischen ihnen baden, so stark ist die Überredung des Wassers.“

      „Und niemand weiß davon“, sagte Gerard, „sie sind ja einfach nur hier, sie kommen mit Tausenden von Absichten.“

      „Ja“, sagte Bloch, „mit Tausenden von Absichten, so nähern wir uns alle den heiligen Stätten, aber hier können sie sein, hier ist alle Rastlosigkeit von ihnen genommen, hier haben sie keine Verpflichtungen, hier sind sie nichts und brauchen nichts zu sein.“

      „Es genießen, nennen sie es“, sagte Gerard mit einem Lächeln.

      „Das ist eine neue Tatsache“, sagte Bloch, „sie ist furchtbar, denn sie ist ohne Geschichte, der Mensch will sich nicht mehr zu sich selbst bekennen, und das ist überall so.“

      „Glaubst du, daß du recht hast?“ fragte Gerard.

      „Ja“, antwortete Bloch, „ich glaub, da ist was dran.“

      „Das ist eine Geschichte“, sagte Gerard.

      10.00

      „Ja“, sagte Bloch, „aber noch kennt sie keiner ganz.“

      10.30

      Paul hatte gerade den Teereimer aus dem Geräteschuppen geholt, als Inger an der Hausecke stand. Er setzte den Eimer ab und legte den Pinsel hin.

      Und nun kann man sie von allen Nachbarhäusern aus sehen.

      „Warum bist du gekommen?“ fragte er. „Du weißt ja, wie es ist, du weißt ja, ich kann nicht ...“

      „Ach Paul“, sagte sie, „Paul ...“

      „Inger“, sagte er, „du weißt ja, daß es unmöglich für mich ist, du wußtest es, und nun wollte ich gerade den Sockel teeren, und was soll ich jetzt, wozu willst du mich jetzt haben?“

      „Paul“, sagte sie, „ich bin am Strand, zusammen mit Peter und mit Freunden, ich geh über Mittag nach Süden, ich bin vor drei zurück – am Meer entlang können wir uns gar nicht verfehlen.“

      „Ich weiß nicht, was ich zu dir sagen soll“, entgegnete Paul.

      „Das macht nichts, Paul, du sollst bloß eins wissen“, sagte sie.

      „Sag es jetzt!“

      „Hier kann ich es nicht“, sagte sie, „hier wird es zu lang. Dort draußen kann ich mich vielleicht mit sehr wenig Zeit begnügen.“

      „Ja“, sagte er.

      10.35

      „Dann“, sagte sie, „dann, Paul ...“

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