Mombasa. Jürgen Jesinghaus
Forderung und wir schließen das Geschäft ab.“
Für drei Viertel seiner ursprünglichen Forderung verkaufte Hartkopf seine Firma, mit allen Außenständen. Am selben Tag im Turmkeller legte von Grein nach zweistündiger Debatte über den Preis einen Vertragsentwurf auf den Tisch, der zur Verblüffung von Hartkopf und Radebusch genau die Summe sauber mit der Maschine geschrieben enthielt, die als Kompromiss entstanden war.
„Es ist Ihnen also nicht gelungen, uns übers Ohr zu hauen.“
„Das war auch nicht meine Absicht, wie Sie sehen. Das Ergebnis unserer Verhandlung beweist es.“
Hartkopf schaute lange auf das Blatt. Je länger er es tat, desto größer wurde seine Wut. Er wollte aus sich herausbrüllen. Was bilden Sie sich ein, wen Sie vor sich haben. Sie können sich nicht alles erlauben. Aber nie verlor Hartkopf die Tatsache aus dem Auge, dass er mit 75% gut bedient war. Er hatte ja schließlich selbst zu der Summe, die er als gerecht eingeschätzt hatte, fast ein Drittel hinzugerechnet, um ein Kompromiss-Polster zu haben. Wenn ihn seine lebenslang geübte Prozentrechnung nicht im Stich ließ, stand ungefähr die Summe auf dem Papier, von der er ohne Illusionen ausgegangen war, bevor er hier eintraf. Aber das hätte dieser Pinkel nicht tun dürfen, seinen Lakaien vor dem Gespräch hereinzubefehlen, den Vertragsentwurf mit der später ausgehandelten Summe fix und fertig dem Herrn des Hauses, dem CDU-Ratsherrn, dem adeligen Schnösel, vor die Nase zu legen. Aber nicht mit mir. Hartkopf zerriss sorgfältig das Papier, legte die Hälften übereinander und zerriss sie noch einmal. Dann warf er sie mit einem Schwung, den Radebusch nie an ihm gesehen hatte, vor sich auf den Tisch und sagte:
„75% aufgerundet, macht glatte Eins-komma-zwei. Lassen Sie das hier bitte in diesem Sinne neu schreiben.“
Da trat die Tochter des Hauses herein, und Hartkopf nutzte die Gelegenheit, die Konfrontation zu mildern, indem er Herrn von Grein bat, zum Gelingen des Geschäftes auch die Tochter anstoßen zu lassen. Weil sich von Grein nicht blamieren wollte und weil ihn ein Gefühl von Großmut überkam oder weil er nicht mehr weiterverhandeln und dem überzeugenden Auftritt Hartkopfs nicht nachstehen wollte oder ihm nichts Gleichwertiges entgegenzusetzen hatte, und weil er fühlte, dass selbst nach einem Rausschmiss die beiden Herren seinen Keller als Sieger verlassen würden oder weil er fürchtete, dieses Vorkommnis könnte sich in Oplyr herumsprechen und seinem Ansehen als Mann von Adel schaden, also weil noblesse oblige, darum sagte er:
„Bring die Flasche, hol dir auch ein Glas und sag dem Müller-Meyer, er soll das hier neu schreiben lassen, glatte Eins-komma-zwei. Was er sich dabei gedacht hat!“
Hartkopf schwor sich, dass er die Differenz Radebusch in die Tasche stopfen würde. Das war es ihm wert, den Herrn von Grein zu disziplinieren!
Als Fräulein von Grein die Flasche hereintrug (die Dame unterschied sich von einer gewöhnlichen Bedienung dadurch, dass sie die Flasche nicht auf einem Tablett präsentierte, sondern leger vertraut mit ihrer beringten Hand den Hals der Flasche umschloss), standen die Herren betreten vor dem Tisch. Man merkte ihnen an, dass eine erregte Diskussion stattgefunden hatte. Sie vernahm den Nachhall dieser Diskussion:
„Als Ratsmitglied habe ich auch für eine gesunde Wirtschaft zu sorgen!“ Sie blieb auf halbem Wege zwischen den Männern und der offenen Türe stehen, umklammerte den Flaschenhals und hörte, wie sie um den Lohn ihrer Mühe gebracht wurde, wie ihr vorenthalten wurde, dass die Männer ihr zuprosteten, ihr als der Vertrauten ihres Vaters! Sie hörte zu ihrem Entsetzen:
„Meine Sekretärin wird sie zur Tür geleiten.“
Sie drehte sich herum, dass der Rocksaum der festgeschnürten Taille nicht folgen konnte (am liebsten dageblieben wäre), verließ rauschend den Turmkeller, stellte hörbar die Flasche auf das neobarocke Spiegelschränkchen im Flur und verschwand so schnell, dass ihr die beiden Herren nicht folgen konnten und Hartkopf zwang, Herrn von Grein zu versichern, dass er und sein Begleiter den Weg alleine fänden, jetzt da er um das Vergnügen gebracht worden sei, wenigstens beim Hinausgehen die Gesellschaft der lieben Tochter zu genießen.
„Ich nehme an, dass der Vertrag, auf den wir uns geeinigt haben, davon nicht berührt ist.“
„Pacta sunt servanda.“
Gustav Hartkopf ging schon durch das Vorzimmer, vorbei an der Flasche, als Fritz Radebusch sich herumdrehte und in den Turmkeller rief:
„Vielleicht haben Sie für meinen Sohn eine Lehrstelle?“
Ohne jedoch eine Antwort abzuwarten, eilte er Hartkopf hinterher und hörte nur mit einem Ohr, ohne die nötige Konzentration, aus dem Innern des Turmkellers heraus einen Ruf wie „Somafobeikom“.
Fritz Radebusch beschloss, etwas vergessen zu haben und es holen zu müssen. Sein väterlicher Instinkt hieß ihn, für seinen Sohn jede Chance wahrzunehmen. Er hatte von Greins Ruf nicht verstanden, aber wenn es eine freche Bemerkung gewesen sein sollte, würde er dem Herrn seine Meinung geigen, unter vier Augen. Fritz Radebusch ist schon mit ganz anderen Leuten fertig geworden! Herr von Grein stand in seinem Turmkeller, als hätte er eine Vase aus Meißen fallen gelassen und als hätte der Schmerz über den Verlust ihn bewegungsunfähig gemacht. Radebusch brauchte seine Rückkehr nicht zu erklären. Der junge von Grein meinte:
„Lassen Sie Ihren Sohn, wie heißt er gleich?“
„Philipp.“
„… morgen vorbeikommen, natürlich nur, wenn er Interesse hat, eine Kellnerlehre zu machen. Die Lehrstelle für den Koch ist leider besetzt. Die jungen Leute werden lieber Koch. Aber wenn er sich einarbeitet, kann er später eine Hotelfachschule besuchen und Hotelmanager werden. Hotelmanager! Jungen Leuten steht die Welt offen. Meine Tochter, die jetzt auch meine Sekretärin ist, verstehen Sie das nicht falsch, in erster Linie ist sie meine Tochter, nach dem Tod meiner Frau geht sie mir zur Hand, meine Tochter hat auch die Hotelfachschule besucht, in Lausanne. Also sagen Sie das Ihrem Sohn. Ich bin kein Unmensch, ich habe die Arbeitslosigkeit nicht erfunden.“
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