Mombasa. Jürgen Jesinghaus

Mombasa - Jürgen Jesinghaus


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Stemmeisen, Meißel und Hammer. Sie kramten das Werkzeug aus dem Kofferraum ihres PKW und griffen zwei Bierflaschen aus einem Kasten, der auf dem Rücksitz stand. So beladen kehrten sie zurück, setzten sich auf eine Bank in der verstaubten hintersten Ecke des Chores, den (seltsam genug) zwei Kakteen zierten. Die Männer tranken bedächtig glucksend ihr Bier, schauten auf die Verankerung des Kreuzes und ließen im Schwung des Trinkens ihren Blick weiter am Stamm nach oben fahren.

      „Hinten rohes Holz.“

      „Sieht ja sonst keiner.“

      „Die Viereckschrauben, an dem er hängt, sind auch nicht ohne. Ich wollte den nicht abnehmen müssen und zu Grabe tragen.“

      „Aber saubere Arbeit! Der hängt bombensicher, lässt sich gut transportieren.“

      In einer halben Stunde war der Stamm aus dem Stein gelöst. Sie hatten das Kreuz an den nackten Altar gelehnt, als der Pfarrer zurückkam.

      „Am besten, Hochwürden, wir lassen alles, wie es ist, und zementieren ihn in der neuen Kirche wieder ein.“

      „Ja, Herrgott, warum haben wir denn nicht alles so gelassen und das Kreuz einfach mit dem Sockel transportiert?“

      „Weil Sie ihn abgeschraubt haben wollten. Sie hatten Angst, wir beide könnten ihn nicht mit Sockel alleine transportieren.“

      „Zu ärgerlich! Tragen Sie beides jetzt bitte zur neuen Kirche!“

      Die Arbeiter nahmen das Kreuz, trugen es wie eine Bahre aus dem dämmerigen Kirchenraum ins Freie zu ihrem Auto, öffneten den Kofferraumdeckel und schoben es - Füße voran - schräg über die Sitzlehnen bis zur Frontscheibe. Der Kofferraum ließ sich nicht schließen, das Haupt des Gekreuzigten ragte über den Rand hinaus, Blick abwärts gerichtet. Der Pfarrer schritt voran, als hätte er mit diesen ungeschickten Arbeitern und dem peinlichen Transport nichts zu tun. Ein Arbeiter lief im Abstand von einigen zehn Metern hinterher, denn der Beifahrersitz war für den Stamm und die mächtigen, mit Holzfetzen und Steinresten umgebenen Schrauben reserviert. Der Fahrer fuhr, mit der Rechten die Schrauben haltend, um den Stamm am Hinausrutschen zu hindern, an dem Pfarrer vorbei, der sich in seiner Würde nicht beirren ließ. Einen Kilometer weiter endete die Fahrt. Das Haupt des hölzernen Christus perlte, als hätte er geschwitzt. Es war verrusst. Als der eine Arbeiter eintraf, zog er abermals sein Taschentuch hervor und säuberte das hölzerne Antlitz.

      „Das bekommt dem Material nicht. Wir hätten ihn anders legen müssen.“

      Aber die Sorge galt nicht dem Material. Es geschah aus Mitleid mit einem, der seine Nase zwei Minuten, ohne sich rühren zu können, in den nassen Qualm eines Auspuffrohrs hatte halten müssen. Die beiden nahmen das Kreuz, als trügen sie einen verletzten Fußballspieler vom Platz, und schleppten es in die neue Kirche, die von der Straßenbahntrasse durch eine Reihe dünner Tännchen getrennt war.

      „Bringen Sie ihn hierher, hierher, und legen Sie ihn dorthin, dorthin. Danke. Meine Köchin braut ihnen gerne einen Kaffee.“

      „Später, wir holen zuerst den Sockel, und wenn ihre Köchin dann vielleicht ein Bier hätte?“

      Eines Tages flatterten weiß-rote Bänder zwischen Gabeln aus zusammengeschweißten Moniereisen. Sie surrten und ratterten. ‚Fußgänger, andere Straßenseite benutzen!‘ Auf dem Bürgersteig stand ein Container, den eine Holzschütte mit dem Kirchendach verband. Die Schieferplatten, die durch den rechteckigen Holzschlauch flogen, konnte keiner mehr gebrauchen. Keiner wollte damit sein Gartenhäuschen täfeln, niemand sein Dach abdichten, keiner die Theke seines Partykellers verkleiden. Auch von Grein, der Hotelbesitzer, schien keine Verwendung dafür zu haben (er war gefragt worden), so dass nun die Platten in dem eisernen Behälter zerbarsten und auf die städtische Deponie gebracht werden mussten. Das hölzerne Kirchendach wurde entkleidet. Das Schiff sah aus wie ein räudiges Tier, dessen blaugraues Fell mehr und mehr verschliss bis auf die helle Haut. Bevor die letzte Schiefer in die Schnauze der Holzschütte geworfen wurde, hatten die Dacharbeiter (die in ihrer jetzigen Funktion den Namen nicht verdienten) damit begonnen, die Fichtenplanken aufzustemmen und in das Kircheninnere zu werfen. Die Bestuhlung war längst entfernt worden, die Empore abgerissen (einige hölzerne Versatzstücke sind in den Häusern von Gemeindemitgliedern verschwunden). Der Chor wurde als erstes niedergebrochen, so dass der Autofahrer, der Radfahrer oder Fußgänger, der von Norden über die Heerstraße kam, in die gähnende Steinschachtel blicken konnte. Er staunte dann, wie dünn die Wände waren im Vergleich zu dem Raum, den sie wie ein Häutchen umspannten. Er traute ihnen den Widerstand gegen einen Sturm nicht zu und befürchtete, ein Regen würde sie aufweichen. Sie wirkten wie Papier. Im Chor entstand allmählich ein Hügel aus Steinen, für die sich ein Käufer gefunden hatte, der mit dem ehrwürdigen Debris die Betonmauer seines Häuschens verkleiden wollte, um eine altväterliche Bauweise und die Gediegenheit (die man vergangenen Zeiten andichtet) vorzutäuschen. Bald sah das Schiff aus wie eine antike Ruine vor einem neugotischen Kirchturm, denn die steinerne Schachtel war unterteilt in drei Streifen durch zwei Reihen, die aus je vier Säulen mit korinthischen Kapitälen bestanden. Die Säulen hatten die Emporen und die Dachkonstruktion getragen. Erst nach ihrer Zerlegung würde der Bagger in das Haus Gottes einziehen, den Rest der Außenhaut einstoßen und alles mit dem Staub alten Mörtels beweihräuchern.

      Schon in der folgenden Woche waren die Säulen in acht Teile zerlegt worden. Ihre Kapitelle teilten sich Stadt und Kirchengemeinde. Zwei davon flankierten den Eingang des Pfarrhauses hinter der Betonkirche, zwei lagen im pfarrherrlichen Garten zwischen Birken und Tännchen auf einem Rasen und muteten dem Gärtner zu, den großen Rasenmäher gegen eine elektrisch betriebene Rasenschere einzutauschen, denn kein Halm und kein Löwenzahn durfte sich mit den Akanthusblättern messen! Die übrigen Kapitelle zu suchen, war (und ist noch) eine lohnende Aufgabe an Sonntagnachmittagen zwischen Kompott und Kuchen.

      Die eiserne Birne pendelte im Hause des Herrn. Sie machte kurzen Prozess mit dem Schemel, darauf ER seine Füße setzt. Die dünnen Wände knickten wie Hostien. Die Fensterrahmen verdrehten sich wie der Draht einer Papierklammer unter den Händen eines nervösen Beamten. Das Glas war wertlos, undurchsichtig grau, mit Draht durchzogen. Nur die Oberlichter an zwei Fenstern im Nordosten stammten aus der Bauzeit der Kirche. Das jedenfalls vermutete Ellen Finke, eine Lehrerin am Beethoven-Internat (von ihr wird noch die Rede sein), die sich für die Abbrucharbeiten interessierte und sich vorgenommen hatte, eine Messe zu besuchen, als es längst zu spät war. Da ihr an einem Gottesdienst in der neuen Kirche nichts lag, wartete sie eines Tages das Ende der Messe ab, setzte sich auf eine der Bänke, die den gepflasterten Parkplatz säumten (sie bestanden aus Teilen der zersägten Säulen). Auf je zwei Stümpfen lagen zwei Bretter und formten eine Bank. Ellen sprach die alten Frauen an. Alle konnten sich daran erinnern, dass an den Fenstern vorn rechts und ziemlich oben noch buntes Glas eingelassen war, das der Sonne erlaubte, Strahlenbündel in den grauen Chor zu senden, wo sie manchmal den Leib des Herrn beleuchteten, an schönen Sommertagen, wenn man sich wünschte, wieder draußen zu sein: Da kam das Licht aus der Ecke und war schön blau und rot. Sie hatten oft darauf geachtet.

      „Wissen Sie, er war wie eine Sonnenuhr, es hätte ab Mai keine bessere Sonnenuhr geben können. Wenn das blaue Licht seine Achseln erreichte, ob Sie es glauben oder nicht, dann stand die Wandlung kurz bevor, und wenn das rote Licht seine Wunde beleuchtete, dann, dann ereignete sich die Wandlung. Dann fand sie statt. Was habe ich gesagt? Ja. Ich habe mir immer etwas dabei gedacht. Man hätte die Kirche nicht abreißen dürfen!“

      „Waren das die einzigen Fenster?“

      „Ja, die einzigen. An der Straßenseite waren oben Löcher, einige offen, andere mit Pappe oder Sperrholz zugenagelt, sonst nur uni Glas. Von dort herein kam niemals Licht, nicht so ein Licht, das aussieht, als leuchtete einer mit einer Taschenlampe auf den Altar.“

      „Waren die Dreiecke ausgefüllt?“

      „Dreiecke? Was für Dreiecke?“

      „Ich meine, waren die Spitzbogen oberhalb des Fensters mit buntem Glas gefüllt?“ „Ja, wir glauben das.“

      „Haben Sie erkennen können, welche Motive verarbeitet waren?“

      „Welche


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