Hasi. Christoph Straßer

Hasi - Christoph Straßer


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wurde er mir auch deshalb, da ich auf meiner folgenden Gehaltsabrechnung feststellte, dass ich plötzlich 200 Euro mehr verdiente. Ich hatte damals beschlossen, Rainer von meiner monetären Sonderbehandlung nichts zu erzählen, was sich in Anbetracht der jüngsten Bettelorgien meines Kollegen als weise herausstellte. Kurt war für mich also in jeder Hinsicht der ideale Vorgesetzte.

      Über ihn kursierten die merkwürdigsten Gerüchte, die meisten von ihnen wurden von irgendwelchen betrunkenen Idioten kolportiert, die sich spätabends hier hinein verirrten. Eine dieser Legenden besagte, dass Kurt früher einmal im Rotlichtmilieu tätig gewesen war. Und nachdem er aus irgendwelchen Gründen plötzlich keine Lust mehr dazu gehabt hatte, war er auf die Idee gekommen, sich drei Sexshops zu kaufen. Natürlich glaubte ich diesen Blödsinn nicht eine Sekunde. Wer um alles in der Welt würde sich mit drei abgehalfterten Shops zufriedengeben, wenn er die Einnahmen eines oder mehrerer Bordelle haben konnte?

      Nachdem Dustin verschwunden war, schaute ich nach, wie es den Kabinen ergangen war. Rainer hatte ganze Arbeit geleistet. In jeder einzelnen von ihnen roch es angenehm nach Putzmittel, an keinem der Monitore klebte Sperma, und auch die Sitze selbst und die Fußböden waren makellos. Ich war zufrieden. Wenn die Schicht schon so begann, dass ich bewaffnet mit Glasreiniger und Einmalhandschuhen das Sperma von irgendwelchen Taxifahrern von den Scheiben wischen musste, weil sie entweder nur im Stehen wichsten oder die Scheibe mit voller Absicht versauten, dann würde der folgende Abend meist auch nicht viel besser. So aber fing die Schicht äußerst entspannt an. Ich schaltete die kleine Stereoanlage an und wartete, mit welchen wundervollen Klängen Rainers USB-Stick bestückt worden war.

      Nach wenigen Sekunden begann Welcome To The Jungle von Guns’n’Roses und ich musste lächeln. Rainer hasste diese Band, so wie er beinahe jede Band hasste, die ihre Gitarre länger als 30 Sekunden pro Song nutzte. Er war am glücklichsten, wenn er seichten Plastik-Pop aus dem Radio hören konnte. Mit dem USB-Stick hatte er mir also einen Gefallen getan. Wie nett. Ich drehte die Anlage lauter, denn auf den Musikgeschmack meiner Kunden brauchte ich keine Rücksicht zu nehmen. Zum einen gab es sowieso kaum Kunden, zum anderen waren Leute, die ein Geschäft betraten, um dort etwas zu erwerben, das sie sich oder ihren Liebsten in den Hintern schieben wollten, in der Regel nicht dazu aufgelegt, mit dem Verkäufer über dessen Musikgeschmack zu streiten.

      Da ich heute auf dem Hocker noch genügen Zeit verbringen würde, wanderte ich lustlos durch den Laden und griff mir hier und da irgendwelche Artikel, die wir zum Verkauf anboten. Das meiste von diesem Zeug war wirklich ziemlicher Krempel, den man in besserer Qualität oder zumindest günstiger im Netz bekam. Aber so lange es noch Leute gab, die das nicht wussten oder sich nicht dafür interessierten, bestand immer die Möglichkeit, dass sich einer von ihnen hier hinein verirrte, weswegen ich im Shop tatsächlich gelegentlich Staub wischte. Zwar nur halbherzig mit einem alten Lappen, immerhin war ich keine Putzfrau, aber doch gewissenhaft genug, dass man nicht behaupten konnte, dass der Shop im Dreck versank. Den Eindruck, den die Regale und Verpackungen vermittelten, ließ aber darauf schließen, dass Rainer heute schon fleißig gewischt hatte. Jetzt musste ich mir also eine neue Beschäftigung suchen.

      Das Kichern einer Frau holte mich aus meinen Gedanken. Ich blickte zum Eingang, wo gerade zwei potentielle Kundinnen den Shop betraten. Ich schätzte beide auf Anfang zwanzig, und eine von ihnen schien bester Laune zu sein, während die andere wohl nur zur Begleitung diente und nicht so recht wusste, was sie hier drin eigentlich sollte. Schön, damit waren wir dann schon zu zweit. Kaum hatten die beiden Mädels den Laden betreten, blieben sie stehen und blickten sich um.

      Die Bessergelaunte, eine dralle Brünette in einem bunten Wollkleid, ließ ihren Blick neugierig umherschweifen, während das andere Mädchen, eine Blondine, deren Haarfarbe am Haaransatz deutlich herausgewachsen war, gelangweilt zu mir hinübersah.

      »Ach da!«, quiekte die Brünette schließlich und hielt in großen Schritten auf das Regal mit den Vibratoren zu.

      Die Blonde trottete lustlos hinterher. Die Frau im Kleid griff sofort nach einer Schachtel, in der sich einer der Auflegevibratoren befand. Sie wog das Päckchen in den Händen, betrachtete die Abbildungen und stellte es zurück an seinen Platz.

      »Wenn ich euch helfen kann, einfach melden«, rief ich den Frauen freundlich zu.

      Sofort nahm die Frau den Karton wieder aus dem Regal und hielt es mir entgegen.

      »Der hier ist aber nicht zum Einführen, oder?«

      Ich gesellte mich zu der Frau und ihrer griesgrämigen Freundin und nahm der Brünetten lächelnd die Schachtel aus der Hand.

      »Nein, der ist nur zum Auflegen. Der massiert den Kitzler und die Schamlippen. Natürlich kann man den auch einführen, aber das hängt dann eher vom persönlichen Ehrgeiz ab.«

      Die Frau kicherte, sodass ihr Busen im BH ordentlich herumhüpfte. Ihre Freundin bekam ebenfalls Farbe im Gesicht, jedoch schien sie eher peinlich berührt zu sein.

      »Suchst du denn etwas zu Einführen?«, fragte ich und lächelte so, wie es aufmerksame und service-orientierte Verkäufer taten.

      Ich wollte die Kleine schließlich nicht verschrecken, auch wenn ich so langsam das Gefühl bekam, dass sie ein ziemlich versautes Biest war.

      »Etwas zum Einführen ist doch immer gut«, grinste die Frau und blickte mich mit ihren stahlblauen Augen beinahe herausfordernd an.

      »Da hast du natürlich recht«, sagte ich und reichte ihr einen weiteren hochwertigen Vibrator. Das Modell war aus rosafarbenem Latex gefertigt und hatte zudem eine elegante und ansprechende Form. So etwas verkauften wir nur selten, da es meist Männer waren, die hier für ihre Frauen oder Freundinnen einkauften.

      Das Resultat war dann, dass sie schnell und verschämt einen Plastikknüppel aus China für zehn Euro kauften, der möglichst nicht größer als ihr eigener Schwanz war. Zu Hause wanderten diese Teile dann natürlich umgehend in den Müll, denn keine Frau würde sich diesen nach Industriegummi stinkenden Ungetümen freiwillig nähern. Ich packte den Vibrator aus und legte ihn ihr in die Hand.

      »Und der hat sofort Körpertemperatur und ist dazu kuschelweich, zumindest außenrum.«

      »Ich mag es lieber hart«, sagte die Frau und leckte sich über die Lippen.

      »Dann hast du damit die beste Wahl getroffen. Ich habe noch keine Beschwerden darüber bekommen. Du kannst ihn gern mal einschalten.«

      Das Mädchen drückte auf die Taste am unteren Ende, worauf der Vibrator sofort laut zu summen begann.

      »Der geht aber ab«, lachte sie dann und drehte sich zu ihrer Freundin herum.

      »Ist das Ding nicht ein bisschen zu groß?«, maulte sie und zuckte mit den Schultern.

      »Ach, da hab ich schon ganz andere Dinger geschafft.«

      Ich spürte, wie sich unterhalb meines Gürtels etwas regte.

      »So eine bist du also«, stellte ich lächelnd fest.

      »Ja, so eine bin ich«, grinste die Frau zurück.

      »Wenn das so ist, dann kannst du gern nach hinten gehen und den mal in aller Ruhe ausprobieren. Damit du weißt, was du für dein Geld bekommst …«

      »Können wir gehen?«, motzte die Begleiterin. »Das wird hier irgendwie creepy.« Ihre Freundin reagierte nicht auf diesen Einwand, sondern sah mich an, als wüsste sie nicht, ob sie diese kleine Herausforderung annehmen und sich überwinden sollte. »Vielleicht mach ich das«, sagte die Frau dann fast trotzig. Ich grinste breit.

      »Der Kunde ist König. Hinten ist ein Pausenraum, da hast du deine Ruhe und kannst dich ganz entspannt mit dir und deinem neuen Kumpel beschäftigen.« Die Frau schielte an mir vorbei in Richtung der Theke. Dann blickte sie mich mit einem gespielt gelangweilten Blick an.

      »Hinter der Theke?«

      »Direkt die erste Tür rechts.«

      »Das ist doch jetzt nicht dein scheiß ernst, oder?«, maulte die Freundin und sah uns beide beinahe entsetzt an.

      »Wieso denn nicht? Ich muss doch testen,


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