JURASSIC DEAD. David Sakmyster

JURASSIC DEAD - David Sakmyster


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dort draußen standen zwei sehr hohe Kräne wie Kolosse aus Eis, die über die Grube wachten … nur, dass diese Maschinen nicht zur Verteidigung, sondern zur Extraktion eingesetzt wurden.

       Marcus saß an seinem Schreibtisch, einem Koloss aus Mahagoni, der besser in das Büro eines Bankiers gepasst hätte, als in die Feldstation eines Paläontologen, doch das war von seinem edlen Spender nicht anders zu erwarten. William DeKirk scheute keine Kosten und wollte, dass sein Personal im Überfluss ertrank, so als könnten Wohlstand und das bloße Vorhandensein überteuerter Einrichtungsgegenstände die Entdeckungen hervorbringen, die er erwartete.

       Vielleicht hatten sie das in diesem Fall auch getan, aber es konnte auch nur ein dummer Zufall sein – oder es lag, wie Marcus gern geglaubt hätte, an seiner eigenen Verbissenheit und Forschungskraft. Außerdem an der peniblen genauen Arbeit und der Sachkenntnis, die ihn davon überzeugt hatten, Russland in dieser von zwei Nationen angegangenen Mission zum See auszustechen. Er hatte seine Einflüsse geltend gemacht, um die Bohrung von Westen her vornehmen zu können, der mit Sicherheit schwierigere Ansatz, denn in diesem Gebiet lag der Untergrundsee tiefer und war nicht so leicht zugänglich, weil es keinerlei Gefälle gab, über das sie sich mit fahrbarem Untersatz hätten nähern können.

       Marcus erinnerte sich noch gut an die monatelange Überzeugungsarbeit und die Beharrlichkeit, die er hatte aufbringen müssen. Falls DeKirk wirklich hinter etwas mehr Beachtenswertem und Medienwirksamem her war als Mikroorganismen, fand man es wohl mit höchster Wahrscheinlichkeit in den tieferen Sedimenten am Westrand, wo allen Schallmessgeräten und den ersten Sondierungen zufolge ein älteres Becken lag, das eher dem natürlichen Lebensraum und den Futterstellen größerer Dinosaurier entsprach.

       Alex räusperte sich und hob seine Hände – deren Gelenke immer noch in Plastikfesseln steckten. »Wenn ich verurteilt werde, kann ich dich genauso gut mit hineinziehen.« Er schaute auf, nass und betrübt und zitternd in eine Decke gewickelt zwischen zwei schwergewichtigen Soldaten. Sein langes teilweise verfilztes Haar war mit einem Stück Rohleder zu einem Pferdeschwanz zurückgebunden. Er trug eine einfache Halskette mit einem einzelnen matten Stein als Anhänger.

       Einer der Soldaten trat vor und hob vorsichtig einen Rucksack hoch, den Alex in seiner Jacke verborgen hatte; er war vollgepackt mit Ziegeln, die wie Lehm aussahen, sowie Drähten und Steckern.

       »C-4?«, fragte Marcus fassungslos. »Oh Gott, Alex, was hast du dir nur dabei gedacht?«

       Sein Sohn ließ den Kopf hängen. »Dad, ich weiß, dass es zwei Jahre her ist und was du von mir denkst, aber …«

       »Ich kann das einfach nicht glauben. Ausgerechnet jetzt platzt du in mein Leben?«

       Nun schrie Alex ihn an: »Ich klammere die Heuchelei in dieser Frage mal aus und stelle stattdessen dir eine: Ist dir klar, dass das Ding dort unten lebt?«

       »Du hast also bereits gesehen«, entgegnete Marcus nun leiser, »worauf wir dort unten gestoßen sind?«

       Alex schüttelte vehement den Kopf. »Ja, das … es ist völlig unglaublich, und Glückwunsch für den Fund deines Lebens, aber ich schwöre dir: Es lebt.«

       Daraufhin schüttelte Marcus den Kopf. »Es lebt nicht. Die durchschnittliche Wassertemperatur dort unten beträgt etwa -3 Grad, und das sehr wahrscheinlich schon seit Abermillionen von Jahren, und davor wäre es fest in einer Gletscherschicht eingeschlossen gewesen, also ein regelrechter Eiswürfel. Kein Kreislauf kann unter solchen Bedingungen arbeiten, ganz zu schweigen von der Tatsache, dass er außerstande gewesen wäre, zu atmen oder etwas zu essen. Auch wenn du es für ein Wunder der Evolution gehalten hast wie das Monster von Loch Ness, hätte es Nahrung aufnehmen müssen.«

       »Dad, es hat sein Auge geöffnet – und sein Maul, verdammt.«

       »Vielleicht aufgrund von Gasblasen, die aus seinen Eingeweiden entwichen sind, als die Düsen deines Tauchbootes das Wasser aufgewühlt haben und somit den Druck veränderten.«

       »Quatsch.«

       »Ach ja? Was wäre denn die Alternative? Dass ein 65 Millionen Jahre alter Dinosaurier die ganze Zeit über ein Kälteschläfchen gehalten hat?«

       Marcus erkannte, dass sein Sohn fieberhaft überlegte, um auf eine andere Möglichkeit zu kommen. Er musste diese Sache klären, damit er sich wieder dringenderen Angelegenheiten widmen konnte. »Hör zu, du hast dir ziemlich übel den Kopf gestoßen und warst wer weiß wie lange extrem tiefen Temperaturen ausgesetzt. All das zusammengenommen und – ich kenne dich ja – Schlafentzug … Da ist es kein Wunder …«

       »Wir haben auch das gefunden«, warf ein Soldat ein und zeigte ihm eine Kamera mit kaputter Blende. »Wir werden die Aufnahmen sichten müssen.«

       »Genau!«, verlangte Alex, wobei seine Augen wieder funkelten. »Sieh dir das an, dann hast du den Beweis.«

       Marcus runzelte die Stirn und schaute von der Kamera zu seinem Sohn. Er sah den irren Blick des Jungen und einen Anflug von Angst darin, die weit über jene hinauszureichen schien, die ihm diese Soldaten hätten einjagen können. »Den Beweis wofür?«

       »Dass du größere Probleme hast als die Frage, ob ich spinne oder nicht; größere Probleme als den Fund eines prähistorischen Ungeheuers, das nicht hier sein sollte.«

      ***

      Marcus war nicht klar gewesen, dass Alex seine Karriere verfolgt hatte, geschweige denn etwas über die Verbreitung von Dinosauriern aus dem Jura und deren geografischer Vorherrschaft wusste. Wenngleich es einleuchten konnte, dass wohl kaum ein Laie unten an diesem Pol mit so etwas wie Fossilien gerechnet hätte, stimmte Alex’ Aussage. Die vormals wenigen Entdeckungen in der Antarktis hatten nur auf die Präsenz bestimmter vogelartiger Dinosaurier, einiger pflanzenfressender Spezies und eines bisher unbekannten Karnivoren hingedeutet. Dem sogenannten Cryolophosaurus, von dem man bisher nur nicht geschlechtsreife Exponate gefunden hatte, also blieben Beschreibungen zu Größe und Merkmalen ausgewachsener Tiere weiterhin nur reine Spekulation. Marcus war einmal zu der Theorie gelangt, dass die Landmasse, welche die Antarktis mit Australien verbunden hatte, wohl durchaus so beschaffen gewesen sei, dass sie zu einer Zeit, als der Südpol fruchtbar und subtropisch gewesen war, ohne Weiteres eine größere Vielfalt von Dinosaurierarten ermöglicht habe. Genau diese Annahme hatte das Interesse des Milliardärs DeKirk an Marcus geweckt. Egal welche Motive der Mann genau hegte (er hatte ihn definitiv nicht eingeweiht), war sich der Paläontologe sicher, dass seine eigenen Vermutungen dabei eine große Rolle spielten. Im Zuge dieser Entdeckung fiel DeKirk nun vor Aufregung offensichtlich aus allen Wolken.

       Dass Alex jetzt in Erscheinung getreten war – ein nicht zu verachtender Stachel in seinem Fleisch –, hätte zu keinem ungünstigeren Zeitpunkt passieren können.

       »Die Russen«, fuhr Alex fort. »Die andere Seite. Wir fingen dort an und …«

       »Sir!« Jetzt stürzte ein anderer Soldat herein und kam schlitternd neben seinen Kameraden zum Stehen. »Gerade habe ich erfahren … zwei Meilen östlich von hier wurde ein Erdstoß aufgezeichnet. Theta-1, anders kann es nicht sein …«

       Marcus warf seinem Sohn einen bösen Blick zu und schaute dann auf den Rucksack voller C-4. »Was hast du getan?«

       Alex zerrte an seinen Handfesseln und wollte sich einem der Soldaten entziehen, der ihn am Arm festhielt. Endlich nickte Marcus und gab ein Handzeichen, woraufhin der Junge von dem Plastik befreit wurde.

       »Danke. Also, dort drüben hat es vielleicht wirklich eine Explosion gegeben, aber Tony und ich hatten nichts …«

       »Oh nein«, unterbrach Marcus ihn mit leiser Stimme. »Nicht Tony Harrison, oder?«

       »Dad, hör mir einfach zu.«

       »Wo steckt er?« Marcus sah die Soldaten an, dann wieder seinen Sohn. »Was habt ihr beiden getan? Gary, verständigen Sie Theta-1 und …«

       »Habe ich schon versucht, Sir. Keine Antwort.«

       »Dad …«

       »Versuchen Sie es wieder.«

       »Dad!« Marcus wandte sich wieder Alex zu. »Was?« »Tony ist … tot.« »Oh, Alex.« »Es war ein Unfall, jedenfalls zuerst. Wir sind in die Grube gefallen. Er


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