Seewölfe Paket 35. Fred McMason
mit dem dunklen Rauch aus frischen Blättern gegeben, nicht wahr?“ Es war mehr eine Feststellung als eine Frage. Der Kaufmann hatte nackenlanges, blauschwarzes Haar und einen sauber ausrasierten, weißgrauen Kinnbart. Seine Kleidung war einfach, aber aus schillernder Seide mit Säumen in kostbarer Stickerei.
„Wir dachten, ein Signal sei besser als Nichtstun“, erwiderte Hasard. „Sie wissen also über alles Bescheid, Senhor?“
„Ich weiß, daß man euch eine große Ladung gestohlen hat. Es sollen Gold und Silber in den Kisten und Ballen gewesen sein.“
Er nahm die Zwillinge an den Oberarmen und zog sie mit sich in einen kühlen Raum mit hoher Decke. Arun schob Clint hinterher. Der Boden bestand aus festgestampftem Lehm, der mit farbigen Ornamenten bemalt und glänzend poliert war.
„Ich bin Ginjal Chand, der Kaufmann von Mannar“, sagte der schlanke Ceylonese, dessen Haut eine Spur heller war als jener Dörfler, die sie gesehen hatten.
Chand klatschte in die Hände. Zwei Frauen erschienen lautlos, lächelten die Fremden scheu an und verteilten Schalen und Becher auf einem großen Tisch. Die Platte, so dick wie die Decksplanken, bestand aus schimmerndem und duftendem Teak und stand auf zwei weißen Säulenresten.
„Daß Gold, Senhor Chand“, fing Hasard an, „um die Wahrheit zu sagen, ist nicht unser Besitz. Wir haben auch nicht ein Körnchen davon irgendwo gestohlen.“
„Aber …?“ Mit einer schwungvollen Gebärde wies der Kaufmann auf die geschnitzten Hocker und den Tisch. Die Frauen zündeten kleine Lämpchen an und warteten, bis die Dochte hoch brannten. Dann stellten sie die Henkelkännchen in Mauernischen.
„Es gehört dem Padischah Ischwar Singh aus Bombay. Wir sollen es nach Madras bringen.“
Die drei Seewölfe setzten sich. Der Kaufmann stand starr da, die Farbe wich aus seinem Gesicht. Er schluckte und sagte einige Sätze in Hindu oder der Sprache dieser Insel. Auch der Schreiber führte erschreckte Bewegungen aus und war plötzlich ebenso verblüfft wie sein Herr. Ginjal setzte sich zu den drei Gästen und stützte die Ellbogen auf den Tisch.
„Ich denke, ihr sprecht die Wahrheit“, sagte er mit veränderter Stimme. „Das ist, beim heiligen Zahn, ein schlimmes Geschehen. Ich muß nachdenken.“
Er zeigte auf die Speisen.
„Eßt, trinkt“, sagte er zerstreut. „Ich habe viele Männer gezählt, die alle schwer an der Beute geschleppt haben. Zwanzig Dutzend Lasten und mehr waren es.“
„Elf Tonnen, um genau zu sein“, antwortete Philip. „Meinen Sie, Senhor, daß Sie uns einen Rat geben können? Wir haben Geschütze, wir können uns wehren, aber die größte Menge ist mit den angeblich frommen Männern auf dem Weg nach Kandy.“
„Es ist sehr weit bis nach Kandy“, murmelte Ginjal. „Sehr weit. Und wenn der Padischah alles erfährt, wird sein Heer wenig rücksichtsvoll vorgehen. Die Bewohner von Mannar leiden darunter, obwohl sie wahrscheinlich das wenigste der Beute haben oder gar nichts.“
„So ähnlich sehen wir das auch“, entgegnete Philip.
Clinton aß und trank schweigend, als hätte er seit Wochen nichts mehr zwischen den Zähnen gehabt.
Mindestens zehn große Öllampen erhellten den Raum. Das ganze Haus roch nach den duftenden Waren des Kaufmanns. Aus anderen Zimmern drang durch die dünnen Türen und die Vorhänge das Gewirr der Stimmen. Kinderstimmen schrien, Frauen lachten. Der Kaufmann schaute ihnen beim Essen zu, aber er war mit seinen Gedanken irgendwo anders. Sehr weit weg, wie es schien.
Schließlich, als fast alle Schalen und Körbchen leer waren und nur noch die Krümel der Chapattis auf dem Tisch lagen, hob Ginjal Chand den Kopf und blickte schweigend von einem zum anderen.
„Geh in mein Arbeitszimmer, Arun, und hol den Reiswein. Wie kann ich euch helfen?“
Hasard hob den Becher und lehnte sich weit vor. „Mit den beiden Schiffen, der Karavelle und der Galeone, werden wir vielleicht selbst fertig. Wenn Sie alles gesehen haben, Senhor Ginjal, dann wissen Sie, daß die Portugiesen und die Spanier eine Menge erbeutet haben. Die Kisten haben sie in ihren Laderäumen verstaut. Oder an die Crew verteilt, was weiß ich.“
„Das wäre ein Teil, sicherlich kein kleiner“, murmelte Ginjal. „Mich würde es freuen, wenn jemand diese frechen und betrügerischen Fremden bestrafen würde. Sie haben mich betrogen, um sehr viel Geld. Aber noch mehr haben sie meinen Ruf geschädigt. Zwischen Kaufleuten, die einander ein Leben lang vertrauen, ist ein guter Ruf, Ehrlichkeit, richtige Zahlen mehr wert als Goldstücke. Ich will, daß die Fremden aus Mannar verschwinden.“
„Wir auch, aber vorher müssen wir ihnen die Beute abjagen“, sagte der Moses und vollführte drohende Bewegungen.
Ginjal Chand lächelte in sich hinein.
„Im Augenblick wird sich keins der Schiffe bewegen können“, zählte der Kaufmann auf. „Ihr wart im Tempel und habt, vielleicht, die Weihgaben der singenden Kali-Verehrer gefunden. Oder irren die scharfen Augen meiner Diener und Dienerinnen?“
„Wir haben versucht, das Vermögen des Padischah zusammenzuhalten“, bekannte Hasard und lächelte.
„Das sagt mir, daß ihr ehrliche Engländer seid. Mir scheint, ihr kennt das Fahrwasser zwischen Indien und Ceylon gut?“
Philip blickte in die großen Augen des Ceylonesen. Sie wirkten fast schwarz, die Flämmchen der Lampen flackerten winzig klein darin. Ginjal Chand war eine würdige, überzeugende Erscheinung.
„Wir kennen es gar nicht gut“, gab Philip zu. „Wir wissen nur, daß wir erst in der tiefen Nacht ablegen können – wenn uns die Portugiesen und Spanier nicht daran hindern. Sie sind in der Übermacht.“
„Du magst recht haben. Aber für jede Kanone gibt es eine Abwehr, und mit List erreicht man oft mehr als mit Gewalt. Ich kann euch genau sagen und zeigen, wie ihr sicher segeln könnt. Später. Seid ihr satt geworden, ihr hungrigen Engländer?“
„Ich bin satt. Es schmeckte ausgezeichnet“, sagte Philip junior und nickte lächelnd. „Viel besser als von unseren Köchen.“
„Wirklich, danke, es war sehr gut“, sagte Hasard und sah auf, als der Schreiber den Tonkrug und die Trinkschalen brachte. „Was denken Sie, Senhor Ginjal, über die Leute, die nach Kandy unterwegs sind?“
Der Kaufmann hob die Hand und zählte an den ausgestreckten Fingern ab: „Erst mal muß jedes Schiff weiter südlich einen Hafen finden, dann führt die Straße zuerst nach Anuradhapuraya, von dort nach Sigiriya und über Dambulla nach Kandy. Oder ihr werft Anker vor Negombo und zieht von diesem Hafen zum Tempel des Zahns. Ein weiter Weg, meine Freunde.“
„Das würde bedeuten“, sagte Hasard und wiegte den Kopf, „daß auch die heiligen Männer mit Malindis Zahn und unserem Gold ziemlich lange brauchen.“
„So ist es“, erwiderte der Kaufmann. „Einen Schluck Reiswein verträgt auch ein junger Seemann. Trinkt! Die Leute in Mannar brauen ihn für mich. Nur für mich, und ich verkaufe ihn überall dort drüben.“ Er zeigte in Richtung der großen Insel. Der Reiswein floß in die Schalen und roch nach unbekannten Blüten.
„Danke.“
In den anderen Teilen des Hauses wurden der Lärm und das Tappen vieler nackter Füße auf dem Lehmboden nicht leiser. Wieder zog Essensgeruch durch die Türen. Im Garten schimpfte laut eine Frau. Der Schreiber und der Kaufmann versuchten, den drei Seewölfen die Verhältnisse rund um Mannar und in dem schwierigen Fahrwasser zu erklären.
Schließlich sagte Ginjal Chand: „Ohne euch aufhalten zu wollen – aber ihr könnt nur in der Nacht zum Schiff zurück. Wenn die Flut gestiegen ist.“
„Dürfen wir hier warten?“ fragte Clint leise.
Der Kaufmann nickte, dann hob er den Kopf und lauschte.
„Das ist Sunder“, sagte er erregt.
„Einer unserer