Seewölfe Paket 35. Fred McMason
und Schnüren teilte sich klappernd, und ein kleiner, schwitzender Mann stolperte herein.
Er begrüßte keuchend seinen Herrn und sagte: „Am Waldrand, Herr, hinter der Gartenmauer am Taubenhaus, hat jemand ein Feuer entfacht. Ich bin hingeschlichen, und“, er grinste die drei Seewölfe an, „dort sitzen vier Männer. Sie sind nicht aus dem Dorf. Sie sind mit den Booten von Indien hierhergesegelt, hinter eurem Schiff, Seeleute.“
„Warum so aufgeregt?“ fragte Philip.
Der Diener sprach ein schauerliches Portugiesisch, mit spanischen Brocken durchsetzt, aber dann wechselte er in die Sprache des Landes über.
Nach einer Weile lachte der Kaufmann kurz auf und rief: „Das wird euch gefallen, meine Freunde.“
„Was? Das Feuer am Waldrand?“ fragte Clinton und hielt die Schale in die Höhe, damit der Schreiber wieder ein paar Schluck zugießen konnte.
„Die Männer, die am Feuer sitzen, haben zwischen sich eine Kiste voller Silberstangen und Goldbarren“, erklärte der Kaufmann.
Sunder zeigte mit den geöffneten Händen die Länge und Breite der Kiste an. Hasard und Philip blickten überrascht, standen zögernd auf, und ihre Augen suchten in dem Raum nach irgendwelchen Waffen.
„Haben die Kerle Waffen?“ fragte Clinton sachlich.
„Er sagt“, erwiderte der Schreiber, „daß sie nur Dolche haben. Und wahrscheinlich ein paar Knüppel. Sie braten Fleisch über dem Feuer.“
Ginjal Chand sagte nur: „Meine Diener helfen euch. Holt euch das Gold zurück. Sunder! Benachrichtige die anderen. Seid leise, aber ihr wißt ja, wie man Diebe und Räuber behandelt.“
Sunder verbeugte sich und eilte hinaus.
Ginjal Chand schlug Hasard auf die Schulter und fuhr fort: „Sunder wird euch den Weg zeigen. Kehrt bald zurück, und dann sehen wir weiter.“
„Wir sind gleich wieder da. Mit dem Gold“, versicherte Philip.
6.
Ben Brighton hob den Kopf über das Süll des Luks und versuchte in der Dunkelheit etwas zu erkennen. Die Buglaterne und die Laterne im Heck brannten ungewohnt schwach. Will Thorne hatte absichtlich die feinsten Dochte hervorgekramt.
Das Wasser war gestiegen, die Wellen klatschten an die Pfähle des Steges und an die Bordwand. Die Bewegungen der kleinen Boote, die noch immer in einem Halbkreis um die Schebecke lagen, erzeugten ein ununterbrochenes Knarren und Poltern.
Unter Deck bastelten Old Donegal, Al Conroy, der Kutscher und ein paar andere Arwenacks an den Teilen der „Überraschung“. Einige Hindu-Seeleute waren aus dem Dorf zurückgekehrt und schliefen zwischen den Duchten der Boote. Die Bewacher waren abgelöst worden, hatten ihre eigenen Fackeln und Öllampen auf dem Steg und dahinter aufgestellt und zeigten, daß sie ein Ablegen der Schebecke verhindern würden.
„Schön ist das alles nicht“, knurrte der Erste und enterte ein paar Sprossen weiter auf. Das Deck war leer, bis auf die wenigen Wachen. Über den Mastspitzen funkelten die Sterne klar und riesengroß.
Don Juan und Batuti saßen auf dem Achterdeck und unterhielten sich leise. Der Erste schwang sich an Deck, ging zum Backbordschanzkleid und beobachtete einige Atemzüge lang die Eingeborenen in den Booten. Jetzt wirkten sie nicht mehr wütend und gefährlich, eher müde und harmlos. Ben wechselte zur Backbordseite über und kontrollierte die Lage der Schebecke. Sie zerrte schwach an den Festmacherleinen.
Ben lehnte sich an die achterlichste Backbord-Culverine. Sie war, wie alle anderen Geschütze, eingerannt und verzurrt, aber geladen und nahezu feuerbereit. Auf nackten Sohlen tappte der Erste zu seinen Kameraden und setzte sich neben den Spanier.
Er flüsterte, obwohl die Spanier und Portugiesen hinter der schweren Läufen der Musketen nichts verstehen konnten.
„Langsam wird sogar Hasard unruhig. Wo stecken die verdammten Burschen?“ fragte er.
Don Juan zuckte mit den Schultern und gähnte mit blinzelnden Augen.
„Mir ist um die Jungens nicht bange“, erwiderte er. „Wie weit seid ihr mit dem Nachtgeschenk für unsere Belagerer?“
„In einer Stunde, sagte Al Conroy, sei das Zeug fertig. Ob es so erfolgreich sein wird, wie wir hoffen, hängt von uns allen ab.“
„Wann schlagen wir los?“ fragte der Gambiamann mit rauher Stimme. Sein Bogen und der volle Köcher waren am Schanzkleid angebändselt. „Von mir aus – jederzeit.“
„Hasard gibt den Befehl“, erwiderte Ben Brighton. „Sie dürfen uns nur nicht erwischen. Ich hasse diese verdammte Warterei.“
„Du sprichst mir aus der Seele“, brummte Don Juan. „Das muß dann alles blitzschnell vor sich gehen. Und ohne jeden Lärm.“
„Für den Lärm sorgen wir an Deck“, erklärte der Erste. „Haben wir schon abgesprochen.“
„Gut. Ich glaub’s dir“, sagte Batuti und rieb sich die Nase.
Vom Dorf her schimmerten wenige unruhige Lichter durch die Dunkelheit. Das einzeln stehende Haus mit dem großen Garten war weitaus besser beleuchtet. Hinter fast jedem Fenster brannte ein Lämpchen. Die Karavelle und die Galeone hatten nicht nur Bug- und Hecklaterne gesetzt, sondern zusätzlich Beleuchtung ausgebracht.
Auch unter den Bäumen am Tempelhügel erkannten die Seewölfe kleine Flämmchen und Lichtkreise. Im Licht der eigenen Lämpchen bildeten sich große Schleier tanzender Mücken. Die Wachen auf dem Steg wurden ebenso von den stechenden und blutsaugenden Quälgeistern umschwirrt wie die Seewölfe. Nur die Hindi in den Booten schienen die Stiche nicht zu spüren.
Die Nacht hatte keinen kühlen Wind gebracht. In dieser abgelegenen Weltecke schienen Schwüle und Feuchtigkeit auch um diese Zeit nicht zu weichen, obwohl der ablandige Wind aus dem nördlichen Sektor mehr als eine leichte Brise war.
„Den Zwillingen und unserem Moses ist die Lage wahrscheinlich nicht ruhig genug“, sagte Don Juan.
Zwischen der Kante des Stegs in ganzer Länge, dem sandigen Ufer am Bug und dem Backbordschanzkleid der Schebecke herrschte pechschwarze Finsternis. Wenn jemand an Deck enterte, das auch noch geräuschlos, würden ihn die bewaffneten Wächter nicht sehen können. Die Jakobsleiter hing längst von der Back ins Wasser.
Ben Brighton bemerkte nach einer Weile: „Jedenfalls fangen wir ohne die Jungen nicht an, sagt der Kapitän.“
„Einverstanden.“
Sunder schien nachts wie eine Katze sehen zu können. Er führte den Zug an und glitt völlig lautlos über den Pfad. Nach einiger Zeit gewöhnten sich die Augen an die Dunkelheit, und die Umgebung war schwach zu erkennen. Clint folgte dem Ceylonesen, der einen armlangen Hartholzknüppel geschultert hielt.
„Nicht laufen“, flüsterte Sambhu, der zwischen den Zwillingen dahinschlich.
Eine Kabellänge nach dem schmalen Tor im Lagerhaus des Kaufmanns spürte man nichts mehr von Ordnung und Reichtum. Durch Weiden und entlang modrig riechender Reisfelder trabten die Diener Ginjals und die Seewölfe auf den Wald zu.
Es war ungewöhnlich ruhig, nur die Zikaden und das Sirren der Stechmücken bildeten die Begleitmusik zu den Lauten der Sandalen und dem Atmen der Männer. Hasard wechselte den Griff um das Rundholz, das sie im Werkzeuglager des Kaufmanns gefunden hatten. Seine Handfläche war schweißnaß.
„Wer läuft denn?“ gab er in Hindi zurück. Er hob den Kopf und spähte nach vorn. Gorath stolperte und prallte schwer gegen ihn. Hasard hielt den gedrungenen Singhalesen fest und grinste. „Ihr habt es eiliger als wir.“
„Es ist euer Geld“, sagte Gorath und schlich weiter.
Die Stelle, an der die Räuber um das Feuer hockten, hob sich schwach gegen die Baumstämme und das Blättergewirr ab. Nur rötliche und gelbe Spiegelungen