Fluch der verlorenen Seelen. Darina D.S.

Fluch der verlorenen Seelen - Darina D.S.


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Persönlichkeit. Auch war sie keine Prinzessin, die gerettet werden wollte. Sie war schlicht und ergreifend Amalia, das Mädchen, in dessen Kopf eine eigene Welt existierte.

      Seufzend betrachtete sie ihre vernarbten Handgelenke und atmete bedrückt aus. Amalia fühlte sich überfordert – alles was geschehen war und all die Informationen, die auf sie einprasselten – es war zu viel. Stöhnend schüttelte sie den Kopf. Sie musste sich jetzt beeilen. Freya war immer pünktlich wie ein Uhrwerk. Hastig stieg sie unter die Dusche, putzte sich die Zähne und trocknete sich die Haare, die sie anschließend zu einem Pferdeschwanz band.

      Amalia hob den zerknüllten schwarzen Umhang auf, den sie am Vorabend achtlos in die Ecke gepfeffert hatte. Er bestand aus einem festen, leicht glänzenden Stoff und hatte das blaue Wappen mit den weißen Initialen ›DS‹.

      Zumindest wusste Amalia schon, dass sie Doom Slayer bedeuteten. Ein silbernes Kreuz diente als Verschluss am Kragen. Nachdem sie das Kleidungsstück inspiziert hatte, stand sie mit hängenden Schultern vor ihrem Kleiderschrank. Sie war sich nicht sicher, was sie zu ihrem ersten Auftrag anziehen sollte. Gab es einen Dresscode, der bestimmte, was unter dem Umhang getragen werden musste? Schlagartig wurde ihr klar, dass sie nicht einmal im Bilde war, worum es bei der Mission überhaupt ging. Schwarz, diese Farbe passte doch zu jedem Anlass. Stöhnend zog sie ihre schwarzen Hosen und ein dunkles T-Shirt, bedruckt mit einem weißen Hasen und dem Schriftzug Don’t worry – be happy an. Elegant schwang sie sich den Umhang über die Schultern und warf einen Blick in den Badezimmerspiegel. Das Cape schmiegte sich perfekt an ihre Konturen und obwohl das Material dick war, wirkte es federleicht. Amalia grinste, ihr gefiel der Umhang und wie er ihr stand.

      Als es an der Tür klopfte, schlüpfte sie noch rasch in ihre schwarzen Lackstiefel; sie wusste, wer da war.

      »Guten Morgen.« Amalia lächelte.

      »Guten Morgen«, grüßte ihre Freundin zurück und stürmte ins Zimmer. Vielleicht war das T-Shirt doch nicht die richtige Wahl, huschte Amalia als Erstes durch den Kopf, als sie Freyas Outfit sah. Mit offenem Mund musterte sie die schwarze Stretchhose in Lederoptik, besetzt mit spitzen silbernen Nieten an Knien und Unterschenkeln, und der schwarzen Dolchscheide, vermutlich aus Wildleder, am Oberschenkel.

      Freyas Füße steckten in hohen schwarzen Springerstiefeln mit niedrigen Absätzen und als sie den Umhang kokett etwas lüftete, entdeckte Amalia die atemberaubende Steampunk-Korsage mit den raffinierten Details wie dem integrierten Gürtel und der kleinen Tasche um die Hüfte. Ihre Haare lagen wie immer perfekt; diesmal zu einem französischen Zopf geflochten. Amalia war sich nicht sicher, ob dieses Outfit nicht besser für eine Domina geeignet gewesen wäre. In der Tat fehlte nur noch die Peitsche.

      »Du magst Steampunk?« Etwas anderes brachte sie in diesem Moment einfach nicht hervor und Freya lachte.

      »Ja, das passt zum Umhang, aber vor allem sehe ich darin heiß aus.«

      Amalia kicherte. Weil dieses Outfit auch so gut zur Kirche passte; sie könnte doch glatt mit einer Nonne verwechselt werden.

      »Hier, der ist für dich«, sagte Freya und streckte Amalia einen großen Dolch entgegen. Der Griff schien der Gleiche zu sein, wie von dem, der in ihrer Dolchscheide steckte.

      Der Knauf war rot und ähnelte einer Rose, das Griffstück hatte schwarze und silberfarbene geriffelte Verzierungen. In das Kreuzstück und die Parierstange waren verschiedene kleine Muster sowie ein L und W in den Farben des Griffes eingraviert. »E…er ist wunderschön«, stammelte Amalia, während sie den Dolch an sich nahm, prüfend in den Händen drehte und die feinen Gravuren in Form von zwei Hirschen in der Klinge bewunderte.

      »Er ist ein Familienerbstück und gehörte meinem Bruder. Er ist nur geliehen, pass gut auf ihn auf.«

      »Das werde ich!«, antwortete Amalia gerührt. Als sie die Hand auf Freyas Schulter legen wollte, packte diese sie am Arm und zog sie aus dem Zimmer.

      »Keine Zeit, wir müssen los.«

      Von Mal zu Mal erinnerte sie Amalia immer mehr an das weiße Kaninchen. Es fehlte nur noch eine Uhr, die Freya ständig mit sich herumtragen müsste. Doch solange sie ihr Verhalten nicht dem des verrückten Hutmachers anglich, war alles in Ordnung, überlegte Amalia und ließ sich bis zu dem Parkplatz vor der Akademie hinterherschleifen.

      »Ist das nicht das Auto, mit dem ihr mich aus der Psychiatrie geholt habt?« Amalia blieb abrupt stehen, sie war sich sicher, den großen schwarzen Geländewagen wiederzuerkennen.

      »Ja, wir nehmen es immer für Aufträge, aber wir haben noch weitere.« Freya wippte ungeduldig mit dem Fuß auf und ab. »Die Jungs müssten gleich hier sein.« Geduld zählte eindeutig nicht zu ihren Stärken. Mit zusammengekniffenen Augen blickte sich Freya prüfend um.

      »Na endlich!«, rief sie, als sie die beiden erspähte.

      Julien war ähnlich gekleidet wie am Tag von Amalias Entlassung aus der Psychiatrie. Unweigerlich hatte Amalia das Bild wieder vor Augen, wie er den Groohl mit seinem mächtigen Schwert aufgeschlitzt hatte und dieser in den Flammen qualvoll verging. Sie musterte lächelnd und sehr offensichtlich jeden Zentimeter an ihm. Unter seinem hüftlangen, mönchsähnlichen Outfit trug er schwarze Jeans und halbhohe Springerstiefel. Er wirkte so ritterlich und elegant.

      Yato begrüßte die Ladys in cowboytypischer Manier mit einem Tippen an die Krempe seines schwarzen Hutes, den ein großes silbernes Kreuz zierte. Er trug dunkle Hosen, schwarze Cowboystiefel und ein dunkles Hemd, darüber einen offenen, bodenlangen Mantel. Mit einem selbstgefälligen Grinsen stach er in dieser Montur deutlich neben Julien hervor.

      »Wo sind eure Waffen?«, fragte Amalia erstaunt und schaute suchend zwischen den dreien hin und her.

      »Schon längst im Kofferraum«, antwortete Yato mit einer abwinkenden Handbewegung.

      »Los, lasst uns fahren.« Julien öffnete die Fahrertür.

      »Amalia, willst du vorne sitzen? Dann kann ich mit Freya kuscheln.« Yato sah sie mit einem bettelnden Gesichtsausdruck an.

      »Niemals! Denkst du, ich will noch mal deine Kotze in meinen Haaren haben?«, schrie Freya gespielt panisch, zerrte Amalia auf den Rücksitz und schlug Yato die Tür vor der Nase zu.

      »Hey! Das war einmal! Wieso reitest du da immer noch drauf rum?«, motzte er und setzte sich beleidigt und mit verschränkten Armen auf den Beifahrersitz.

      »Wenn du kotzen musst, mach das Fenster auf«, sagte Julien trocken und startete den Motor. Er war ein wahrer Freund.

      »Echt jetzt? Du auch?« Yato war fassungslos und Amalia konnte nicht anders, als laut loszulachen.

      »Freya, ein Gedanke lässt mich einfach nicht los: Wie passt deine Glefe in den Kofferraum?« Amalia konnte sich nicht vorstellen, wie die knapp zwei Meter lange Waffe dort Platz finden sollte.

      Freya schmunzelte. »Ganz einfach, ich kann sie in der Mitte auseinanderschrauben.« Entgeistert schaute Amalia sie an; auf so eine simple Idee wäre sie nie gekommen.

      »Was ist das für ein Auftrag? Und warum haben wir noch nichts besprochen?«, fragte Yato und war von den Mobbingattacken seiner Freunde immer noch sichtlich gekränkt.

      »Es geht um eine angebliche Barghest-Sichtung in der Nähe von Canterbury. Da es so eine lange Fahrt ist und ich nicht denke, dass es sich tatsächlich um ein Geisterwesen handelt, habe ich keine zusätzliche Besprechung einberufen. Alles Wichtige klären wir jetzt, um keine Zeit zu verschwenden. Zudem erhalten wir nähere Informationen von den Einwohnern vor Ort«, antwortete Julien und konzentrierte sich auf die kurvig abfallende Straße, die vor ihm lag.

      »Och nö, so weit? Das sind doch mindestens fünf Stunden Fahrt«, jammerte Yato, nahm den Hut ab und legte ihn auf seinen Schoß.

      »Barghest? Meinst du den schwarzen Hund, der auch Kirchengrimm genannt wird?« Amalia konnte sich an diese Legende erinnern; sie hatte erst neulich im Unterricht davon gehört.

      »Ja, Barghest und schwarzer Hund sind Überbegriffe, Kirchengrimm ist die genauere Bezeichnung.« Julien ignorierte Yato geflissentlich.


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