Lockvogel. Theresa Prammer

Lockvogel - Theresa Prammer


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schob er nach, damit sie nicht weiterfragte.

      Aus ihrem Funkgerät waren Stimmen zu hören, zu leise, um sie zu verstehen.

      „Ich hab was über deinen Felix Meier rausgefunden.“

      „Bist du deshalb gekommen?“

      „Du hast gestern nicht besonders gut geklungen am Telefon. Ich hab mir gedacht, ich seh mal nach dir. Ist wirklich alles in Ordnung?“

      Als wäre das ein Stichwort, begann Edgars Herz zu rumpeln. Sein Nicken war wahrscheinlich etwas zu eifrig, doch zum Glück wurde Fernanda in dem Moment angefunkt. Sie wimmelte ihre Kollegen ab.

      „Okay, also dieser Felix Meier. Das Geburtsdatum, das du mir genannt hast, ist falsch. Ich hab ihn mithilfe des Fotos gefunden. Vor etwas mehr als einem halben Jahr war er in eine Schlägerei verwickelt. Am Vormittag vor einer der Geisterbahnen im Prater. Angeblich ist ein privater Streit eskaliert.“ Sie reichte ihm einen Notizzettel. „Zwei Handynummern, eine von Felix Meier, das ist aber abgemeldet. Die andere von einem Milos Kubra. Meier ist in der Wohnung einer Antonia Lorenz im achten Bezirk gemeldet.“

      „Danke.“

      Er nahm einen Schluck Kaffee und war überrascht, wie sie dieses köstliche Getränk aus der alten Maschine gezaubert hatte.

      „Eine Prise Zimt“, verriet sie, ohne dass er gefragt hatte.

      „Ich habe Zimt?“

      Sie griff in die Brusttasche ihrer Uniform und nahm eine kleine Glasviole heraus.

      „Du nicht, aber ich. Hab ich immer mit. Ist gut für den Blutzuckerspiegel.“

      Sie lächelte ihn an, und erst jetzt merkte er, wie sehr es ihm fehlte, mit jemandem über so ganz normale Dinge zu sprechen. Kurt war nicht nur sein Geschäftspartner gewesen, sondern auch sein bester Freund.

      „Wie geht es den Kindern?“, fragte Edgar und nahm einen weiteren Schluck.

      Fernanda hob die Schultern, wandte den Blick Richtung Fenster.

      „Es gibt jetzt eine Stiefmutter. Ganz reizend, eine Sportlehrerin, noch keine dreißig.“ Sie verzog das Gesicht, als hätte sie einen unangenehmen Geschmack im Mund. „Natürlich freue ich mich für die Kinder. Sie mögen sie, das ist gut.“

      „Kommen Sie dich wieder besuchen?“

      „Ja, aber erst in den Sommerferien. Wir skypen jedes Wochenende.“

      Am liebsten wäre Edgar aufgestanden, um Fernanda zu umarmen. Aber es kam ihm zu dramatisch vor, und außerdem war er viel zu müde.

      „Triffst du dich mit jemandem?“, fragte er.

      Sie lächelte gezwungen.

      „Ich hab Onlinedating versucht. Da gibt es entweder die Psychos, die sagen so Sachen wie, ich soll zum ersten Treffen meine Waffe mitnehmen und ob ich sie mal verhafte, nur aus Spaß.“ Sie rollte mit den Augen. „Der Rest bricht den Kontakt sofort ab, wenn sie erfahren, was ich mache. Ich glaube, eine arbeitslose Mutter mit fünf Kindern hat mehr Chancen als eine Polizistin. Aber verschweigen, das ist nicht meins. Und du? Siehst du jemanden?“

      Erneut kamen Stimmen aus dem Funkgerät. Edgar war sich nicht sicher, aber hatte er da gerade den Namen „Steiner“ gehört?

      „Heute ist ja ganz schön was los“, wich er aus.

      „Das kannst du laut sagen. Und wenn erst die Presse davon Wind bekommt – halleluja!“

      Edgar stand auf, nahm die Packung Mannerschnitten aus dem Regal und legte ihr ein paar davon auf einen Teller.

      „Was ist denn passiert?“

      Fernanda lachte auf.

      „Sehr subtiles Ablenkungsmanöver, Edgar. Du warst auch schon mal raffinierter.“

      Sie nahm trotzdem eine Mannerschnitte, spuckte sie aber gleich wieder aus.

      „Wie alt sind die?“

      Er schaute auf das Ablaufdatum. Die Schnitten waren tatsächlich bereits seit Jahren abgelaufen.

      „Entschuldige, ich war länger nicht einkaufen.“

      „Wie lang? Fünf Jahre?“

      „Kommt so ungefähr hin.“

      Sie grinsten einander an, und Edgar deutete fragend auf ihr Funkgerät.

      „Also gut, das muss aber unter uns bleiben“, sagte sie und legte eine Hand darauf. „Bei dieser Schickimicki-Party in der Villa im Achtzehnten, der Kellner, der angeblich ertrunken ist?“

      „Angeblich?“

      „Irgendeines von den Genies aus der Forensik hat sich vor ein paar Minuten gemeldet, die waren die ganze Nacht dran … Typisch Promifall.“ Sie rollte mit den Augen. „Aber bitte schön, jetzt wissen wir es wenigstens. Es war kein Unfall.“

      Sofort war Edgar hellwach. „Sondern?“

      „Dieses Ding, das ihm auf den Schädel geknallt ist – da wurde nachgeholfen.“

      „Was?“

      Fernanda nickte nur bedeutungsvoll, formte mit den Lippen stumm Worte, die Edgar nicht verstand. Er schüttelte ratlos den Kopf.

      „Sie gehen von einer Tötungsabsicht aus“, sagte sie sehr leise und hielt eine Hand über ihr Funkgerät.

      „Wieso, was ist passiert?“

      Statt einer Antwort verschloss sie ihren Mund mit einem imaginären Schlüssel.

      „Weiß man schon, wer der Tote ist?“

      Fernanda nickte, sah auf die Uhr.

      „Ich muss los. Pass auf dich auf. Und lass deine zehn Jungs von mir grüßen. Vielleicht schaut ja einer mal bei mir vorbei.“

      Sie küsste ihn auf die Wange und murmelte: „Du stichst.“

      Edgar dachte schon, sie würde gehen, da drehte sie sich noch einmal um: „Hast du ihn wieder mal angerufen?“

      Es war eindeutig, dass sie Kurt meinte, trotzdem traf ihn die Frage völlig unvorbereitet. Sie schien es ihm anzusehen, denn sie schenkte ihm ein Lächeln und verließ die Küche, ohne auf eine Antwort zu warten.

      Edgar horchte, bis die Tür ins Schloss fiel, erst dann fischte er sein Handy aus der Tasche des Bademantels. Es war Sybille Steiner gewesen, die ihn mit ihrem Anruf vorhin im Halbschlaf überrumpelt hatte. Er rief sie zurück.

      „Ja?“, antwortete sie verärgert.

      Doch das änderte sich sofort, als Edgar sie fragte, ob sie schon von den neuesten Ermittlungserkenntnissen wusste. Sie stieß ein leises Keuchen aus, als er ihr davon erzählte.

      „Nein. Oh Gott. Wieso hat sich niemand von der Polizei gemeldet?“

      „Die Information ist eben erst raus. Das muss jetzt den offiziellen Weg gehen.“ Er sah auf die Uhr. Ein Glück, dass es noch so früh war. „Ich schätze, Sie werden in den nächsten ein, zwei Stunden verständigt. Spätestens.“

      „Weiß die Presse schon davon?“

      Ihre Stimme war um zwei Oktaven höher gerutscht.

      „Keine Ahnung. Wir sollten uns sofort treffen.“

      „Natürlich. Ich komme in Ihr Büro.“

      „Gut. Und bringen Sie das Tagebuch mit.“

      Ohne sich zu verabschieden, legte er auf. Spezielle Situationen erforderten spezielle Maßnahmen. Mit ein paar tiefen Atemzügen versuchte er, sein rumpelndes Herz zur Ruhe zu bringen. Es gelang nicht. Nun musste er dringend Toni Lorenz erreichen.

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