Lockvogel. Theresa Prammer

Lockvogel - Theresa Prammer


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aus. „Noch nichts davon gehört?“ Sie drehte den Bildschirm zu Toni.

      Auf dem Display war die Startseite einer Agentur zu sehen, die mit höchster Diskretion warb. Ein Fenster mit der Frage, ob man über achtzehn Jahre alt sei, ploppte auf.

      „Das boomt gerade.“

      Lena klickte auf Bestätigung, und eine ganze Seite voller gesichtsverpixelter schlanker Frauen in sexy Outfits erschien. Darunter standen ihre Vornamen und das Alter: Janine, 25. Emilia, 31. Lucia, 21. Es hatte etwas von einer Vermittlungsagentur.

      „Ein Lockvogel findet heraus, wie treu das Herzibinki ist“, erklärte Lena. „Offiziell wird nur geflirtet, um zu schauen, wie weit jemand geht. Kein Sex. Bei genug Beweisen bricht man den Kontakt wieder ab. Das klingt jetzt mal nicht so schwer.“

      „Wie kommst du darauf?“

      „Na, ist doch logisch: Die Steiner hat gesagt, sie will wissen, ob ihr Mann treu ist, oder?“

      „Ich glaube schon, ja. Ich mein, sie hat dann ja auch #MeToo erwähnt …“

      „Aber du hast doch gesagt, es war nur ganz beiläufig und dann auch kein Thema mehr. Oder?“

      Toni nickte. „Genau.“

      „Also, sie hat nicht gesagt ‚Finden Sie heraus, mit wem mein Mann eine Affäre hat!‘ oder ob er in irgendwelche #MeToo-Vorwürfe verstrickt ist, richtig?“

      „Nein, hat sie nicht. Es scheint eher irgendwas mit ominösen Unterlagen zu tun zu haben. Aber Brehm ist ja dann sehr schnell zusammengebrochen … keine Ahnung, was dahintersteckt.“

      „Gut. Gehen wir mal davon aus, es geht tatsächlich um seine Treue. Ich Superbrain hab jedenfalls mal ein bisschen im Netz recherchiert. Und wenn man zwei und zwei zusammenzählt … voilà, machst du dich an den Steiner ran. Und wenn er dir an die Wäsche will, hat die Ehefrau den Beweis. Ich glaub, das könnte ich auch. Eigentlich ein cooler Nebenjob. Auf jeden Fall besser, als im Café zu kellnern.“

      Toni lachte auf und schüttelte den Kopf.

      „Eine Schauspielstudentin, die sich an einen berühmten Regisseur ranmacht, der zufällig gerade eine Serie dreht … wie originell. Außerdem: Würde sie so was wollen, wäre sie doch sofort zu einer dieser Agenturen gegangen.“

      Lenas Fantasie schien mal wieder mit ihr durchzugehen. Toni klappte den Laptop zu und langte nach einem Stück kalter Pizza Funghi.

      „Aber du hast doch gesagt, Brehm ist so drauf abgefahren, als er erfahren hat, dass du Schauspiel studierst. Das heißt natürlich, du sollst so tun, als wärst du wer anderes.“

      Wenn Toni an die vielen Anzeigen auf Brehms Schreibtisch dachte, weil er unqualifiziertes Personal eingesetzt hatte, dann klang Lenas Theorie vielleicht doch nicht ganz so weit hergeholt. Aber machten Privatdetektive so etwas überhaupt? Gehörten Beschattungen nicht zu deren Hauptgeschäft? Stundenlanges Auf-der-Lauer-Liegen in irgendwelchen Autos?

      Als könnte Lena ihr die Skepsis ansehen, klappte sie den Laptop wieder auf, tippte und drehte Toni den Bildschirm voller kleiner Alexander Steiners zu. Der Regisseur war nicht schlank, aber auch nicht dick. Toni konnte sich nicht entscheiden, ob er ihr sympathisch war oder nicht. Auf den meisten Fotos trug er dunkle Anzüge, weiße Hemden, dazu dunkelblaue Nike-Sneaker.

      „Diese Nikes liebt er. Nur unter Androhung von Gewalt trägt er andere Schuhe. Das ist doch süß.“ Lena schenkte sich Merlot nach.

      „Woher weißt du das, hast du ihn mal kennengelernt?“

      „Nein, ich hab ein bisschen im Netz nachgelesen, weil ich mich für diese neue Serie, die er gerade dreht, beworben hab.“

      „Und?“

      Lena stieß ein Lachen aus.

      „Ich hab die Hauptrolle, was sonst? Ich wurde nicht mal zu einem Casting eingeladen. Aber, was nicht ist …“

      Sie waren beide im ersten Studienjahr, aber was Ehrgeiz und Karriereplan betraf, war Lena Toni weit voraus. Was vielleicht auch daran lag, dass Lena drei Jahre lang vergeblich Aufnahmeprüfungen an der Schauspielschule absolviert hatte, bis sie aufgenommen worden war. Während Toni zuerst ein Semester Medizin studiert hatte, bis ihr klar geworden war, dass es nicht das Richtige für sie war. Dann war Jus dran, aber das langweilte sie rasch. Psychologie fand sie zumindest teilweise interessant. Doch die ganze Zeit war dieses drängende Gefühl geblieben, dass noch etwas anderes auf sie wartete. Mehr aus Spaß hatte Toni die Aufnahmeprüfung gemacht. Gleich beim ersten Anlauf hatte es geklappt.

      Sie wusste selbst, dass es reine Glückssache war. So viele Faktoren zählten dazu: Welcher Typ wurde gesucht? Hatte man die richtigen Monologe fürs Vorsprechen gewählt? Und trotzdem: Endlich hatte Toni das gefunden, was sie wirklich wollte. Als hätte sie vorher all diese Umwege nehmen müssen, um das zu erkennen.

      „Weißt du sonst noch etwas über Steiner?“, fragte Toni.

      „Natürlich. Er war auf der Filmakademie in Wien. Ist der Einzige aus seinem Jahrgang, der erfolgreich wurde. Seine Kinofilme waren sogar international auf Festivals, aber das viele Reisen war nicht seins. Deshalb arbeitet er seit ein paar Jahren fürs Fernsehen. Vor allem in Russland ist er eine ganz große Nummer.“ Sie schnalzte mit der Zunge. „Die stehen voll auf seine Filme, finanzieren die mit, darum ist er dort einer der erfolgreichsten Regisseure, und auch das Budget kann sich sehen lassen. Na, kein Wunder, dass er in Österreich so auf Händen getragen wird, der muss ja jede Menge Kohle bringen.“

      „Und privat?“

      Lena hob die Schultern. „Ich hab nix gefunden. Keine Skandale, kein Streit. Aber das muss nix heißen. Über Woody Allen hat man auch jahrelang nix gefunden. Auf jeden Fall soll es super sein, mit ihm zu arbeiten, darum wollen das auch alle.“

      „Mit wem jetzt, mit Steiner oder Woody Allen?“

      „Wahrscheinlich mit beiden, aber ich red vom Steiner. Und er hat echt viele spätere Stars entdeckt, als sie erst ganz am Anfang standen. Den Thiel und die Ferry zum Beispiel, mit denen dreht er auch gerade wieder.“ Lena stieß ein tiefes Seufzen aus.

      „Stimmt, was ist das noch mal genau?“, fragte Toni.

      Lena tippte erneut, und ein Zeitungsartikel erschien. „Hier. Das Foto ist von der Kostümprobe mit den beiden. Ich hätte da fabelhaft reingepasst.“

      „Das kommt alles. Dir steht noch Großes bevor“, sagte Toni und meinte es auch so. Lena grinste und nahm einen Schluck Rotwein.

      Auf dem Foto war Steiner vor einer vollbeladenen Kleiderstange neben einem großen Mann mit schiefer Nase in Nazi-Uniform und der hinreißend schönen Anna Ferry in einem schäbigen braunen Mantel zu sehen. Darunter wurde Steiner zitiert: Ich geb es nicht gern zu, aber ich bin ein Arbeitstier. Das klappt aber nur dank meines Teams, das ich von Filmset zu Filmset schleppe. Wir sind quasi beruflich miteinander verheiratet.

      Toni scrollte runter zu einem weiteren Foto: Steiner in seinem gewohnten Outfit auf dem roten Teppich, daneben eine Frau mit strahlendem Lächeln in einem hautengen mitternachtsblauen Abendkleid mit sehr hohem Beinschlitz auf schwindelerregenden High Heels. Lena stieß einen anerkennenden Pfiff aus.

      „Wow, wer ist denn der scharfe Zahn?“

      Die Frau auf dem Foto war zwar noch aufgebrezelter, aber zweifellos dieselbe Person, der Toni vor ein paar Stunden bei Edgar Brehm über den Weg gelaufen war.

      „Das ist Sybille Steiner“, sagte sie.

      „Echt? Na bumm. Die hat doch mal ganz anders ausgesehen.“

      Lena tippte ihren Namen in die Bildersuche. In bunten Sakkos über tief ausgeschnittenen Shirts und Skinny Jeans tauchte Steiners Ehefrau auf unzähligen Fotos von Charity-Events für Frauen und Kinder und bei Nobelboutique-Eröffnungen auf. Außerdem in bonbonfarbenen und kurzen Cocktailkleidern bei diversen Spendengalas, stets ein Champagnerglas in der Hand. Sie war immer sexy gekleidet, aber gerade nur so sehr, um nie geschmacklos zu wirken.

      „Ein


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