Lockvogel. Theresa Prammer

Lockvogel - Theresa Prammer


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zu tun?“

      Sein Schreibtisch brach fast zusammen unter den Vorladungen bei Gericht wegen hoher Schulden, Rückzahlungsforderungen, Rechnungen, Mahnungen. Um alles zu begleichen, müsste er doch nur diese antiken Möbel hier verkaufen. Nach ihrer Recherche im Internet hatte sie keinen Zweifel mehr, dass sie echt waren. Oder lagerte er sie nur ein und sie gehörten gar nicht ihm?

      Außerdem hatte sie ausgedruckte E-Mails und Briefe voller Drohungen entdeckt, die sich mitunter lasen wie aus einer schlechten Tageszeitung. Wenn sie es richtig verstand, hatte er ungeschultes Personal einer Sicherheitsfirma für Beschattungen eingesetzt. Das seine Aufgabe anscheinend so interessant fand, dass es Informationen und Fotos auf Social-Media-Plattformen geteilt hatte.

      „Haben Sie meine Unterlagen gelesen?“, fragte er forsch. Sein Brustkorb hob und senkte sich energisch, aber sie hielt seinem Blick stand.

      „Teilweise, ja.“

      Ihre Ehrlichkeit schien ihn zu überraschen.

      „Sie sollten jetzt gehen, Frau Lorenz.“

      Toni schüttelte den Kopf. Die Idee war ihr bei der Durchsicht seiner Post gekommen.

      „Ich brauche Ihre Hilfe, Herr Brehm. Nicht umsonst natürlich. Ich biete Ihnen mich als Gegenleistung für Ihre Nachforschungen an.“

      Der letzte Rest Farbe wich aus seinem ohnehin schon blassen Gesicht. Er hustete ein paar Mal und holte röchelnd Luft.

      „Ich weiß, Sie sind verzweifelt“, krächzte er zwischen den Atemzügen, „aber ich werde jetzt so tun, als hätte es Ihr Angebot nie gegeben.“

      Es dauerte ein paar Sekunden, bis sie begriff, was er unter Gegenleistung verstanden hatte.

      „Sie denken, ich würde … nein!“

      Wenn die Situation nicht so ernst wäre, würde sie jetzt laut lachen. Die frühere Bevor-Felix-weg-war-und-sie-in-dieser-Scheiße-saß-Toni-Version hätte gelacht.

      „Ich hab gemeint, dass ich Bürosachen für Sie erledigen kann.“

      Brehm sah sie ratlos an, sie deutete auf seinen Schreibtisch.

      „Papiere ordnen, Mails versenden, Anrufe erledigen. Von mir aus würde ich auch putzen.“

      Seine Miene verwandelte sich in Entsetzen.

      „Sie wollen um zweitausendfünfhundert Euro mein Büro putzen?“

      Toni verkniff sich die Bemerkung, dass das Honorar bei einem Büro in diesem Zustand durchaus gerechtfertigt wäre.

      „Was ich sagen will: Ich würde die Stunden abarbeiten, die Sie für die Suche nach Felix brauchen.“

      „Herr im Himmel.“ Brehm schlug die Hände vors Gesicht. „Wie alt sind Sie, Frau Lorenz?“

      „Was hat das damit zu tun?“

      „Nun, es …“ Er sah sie fragend an, winkte dann plötzlich ab. „Egal, ich gebe Ihnen jetzt einen Rat: Bevor Sie das nächste Mal einen Detektiv aufsuchen, erkundigen Sie sich telefonisch über die Konditionen. Hören Sie, ich weiß, Ihnen ist etwas Schlimmes passiert, und ich nehme das ernst, aber Sie sollten damit zur Polizei gehen.“

      Sie lehnte sich zum Schreibtisch und zog das Foto aus dem Stapel, das die beiden jungen Polizisten zeigte. „Sie haben nicht die Wahrheit gesagt. Der eine da, das sind Sie.“

      Er schien zu überlegen. Vielleicht wollte er kontern, doch dann sagte er mit einem Seufzen: „Ja, und?“

      „Und? Sie wollten Menschen helfen. Recht und Ordnung und Freund und Helfer, das alles.“

      Ein leichtes Lächeln huschte über sein Gesicht, doch er schien es durch ein Räuspern zu vertreiben und sah sie mit einem schlecht gespielten grimmigen Ausdruck an.

      „Nur weil ich mal bei der Polizei war? Das ist doch sehr naiv“, sagte er streng. Aber auch sein Tonfall klang nicht überzeugend, als würde er sich zu sehr bemühen. Brehm wirkte mehr wie ein tadelnder Onkel, der will, dass man sein Gemüse brav aufisst.

      Sie deutete zum fehlenden Fenster über der Tür.

      „Ich kann mir vorstellen, dass es nicht Ihre Absicht ist, alle vor der Tür bei Ihren Gesprächen hier mithören zu lassen.“

      Er folgte Tonis Blick, sah sie halb verwirrt, halb erschrocken an. Nein, von dem Loch wusste er garantiert nichts. Er wollte etwas sagen, aber Toni ließ ihn nicht zu Wort kommen.

      „Auf Ihrem Schreibtisch stapeln sich Rechnungen und Klagen, anscheinend können Sie nicht zahlen. Sie sitzen so tief in der Scheiße wie ich und brauchen Hilfe. Brauchen diese vierundzwanzigtausend Euro von Frau Steiner. Und Sie müssen richtig gut sein. Haben Sie eigentlich eine Ahnung, wie reich die Steiners sind? Die hätte sich doch jeden holen können.“

      „Woher wissen Sie das?“

      Die Strenge war nun völlig aus Brehms Stimme verschwunden. Er klang fast beeindruckt.

      „Aus den Nachrichten, weil die doch dieses Unglück auf ihrer Party hatten. Und ich habe jetzt ein bisschen gegoogelt, als Sie geschlafen haben. Ihre Unterlagen sind das reinste Chaos. Ich kann das, Ordnung da reinbringen. Anrufe machen, bevor die nächste Mahnung kommt. Ich kann sogar dafür sorgen, dass Sie was essen und Ihre Medikamente nehmen. Und vielleicht sind Sie auch in der Lage, das, was auch immer diese Frau wissen will, herauszufinden, wenn Sie nicht vor lauter Stress zusammenklappen.“

      Brehm seufzte laut. Und dann noch mal. Er verschränkte die Arme vor seiner massigen Brust.

      „Wie sind Sie denn überhaupt auf mich gekommen, Frau Lorenz?“

      „Durch eine Empfehlung“, sagte sie knapp.

      „Und wer hat mich empfohlen?“

      „Meine Lehrerin, Beate Schmitz.“

      Brehm sah sie ratlos an.

      „Also, sie hat Sie nicht direkt empfohlen. Aber sie hat von Ihnen erzählt und gesagt, Sie wären eine Koryphäe.“

      Er schien keine Ahnung zu haben, von wem sie sprach.

      „Beate Schmitz, die Schauspielerin“, schob sie nach. „Hatte vor etlichen Jahren eine Hauptrolle in der Josefstadt. In ‚Maria Stuart‘.“

      Noch immer keine Reaktion von ihm.

      „Am Abend vor der Premiere. Sie ist doch nach der Generalprobe überfallen und zusammengeschlagen worden. Die Polizei dachte, sie war ein zufälliges Opfer. Aber ihr Ehemann hat einen Verdacht gehabt und Sie engagiert.“

      Brehm sah sie unverändert an, die Stirn gerunzelt. Die Schmitz hatte doch EB-Detektei gesagt. Oder hatte sie sich geirrt?

      „Das waren nicht Sie, der rausgefunden hat, dass es der Freund vom Ehemann der Zweitbesetzung war? Damit die die Premiere spielen konnte?“

      Endlich schien bei Brehm doch der Groschen gefallen zu sein, er nickte und winkte im nächsten Moment ab.

      „Das war nicht mein Fall. Es war mein Kollege. Er hat das damals aufgeklärt.“

      „Aha. Okay. Und wo ist Ihr Kollege jetzt?“

      Vielleicht hatte sie bei dem mehr Glück. Aber Brehm ließ die Frage unbeantwortet.

      Wahrscheinlich arbeitete der hier nicht mehr. Was erklärte, warum Brehm die Sicherheitsfirma beauftragt hatte.

      „Ich würde Ihnen ja helfen, aber wie soll ich das machen, Frau Lorenz?“

      „Es geht hier um mehr als nur das Geld“, sagte sie nachdrücklich. „Ich kann die Seniorenresidenz meiner Großmutter nicht mehr zahlen. Geschweige denn sonst irgendwas. Sie hat ihr Leben lang gespart, und dieses Geld kann nicht einfach so weg sein.“

      Brehm hob schwerfällig die Schultern, sah sie einen Moment an. So, dass sie schon dachte, sie hätte ihn überzeugt. Doch dann schüttelte er den Kopf. Das war die Antwort, vor der sie sich gefürchtet


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