Lockvogel. Theresa Prammer

Lockvogel - Theresa Prammer


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Meier.“

      „Dass ich ihn finde und dabei das übliche amtliche Prozedere übergangen wird, damit Sie ohne viel Aufhebens Geld und Schmuck wiederbekommen.“

      Sie zuckte zurück, verknotete ihre Finger ineinander. Das klang so einfach.

      „Und ich will wissen, warum“, sagte Toni.

      Brehm setzte an, um etwas zu erwidern, doch ein lautes Grummeln erfüllte plötzlich den Raum. Wie ein kleiner Bär, der sich aus einer der Schreibtischschubladen meldete und befreit werden wollte. War das der Kater? Hatte er sich hereingeschlichen? Brehm sah sie etwas verspannt an.

      „Eine Ahnung, wo Herr Meier sich aufhalten könnte?“, fragte er rasch.

      „Nein, aber ich glaube nicht, dass er sehr weit weg ist.“

      „Weil …?“

      Sie wusste nicht, was sie darauf sagen sollte. „Sei nicht so naiv“, hatte Lena gesagt, „nur weil du es dir nicht vorstellen kannst, dass er einfach so abgehauen ist.“

      Der kleine Bär meldete sich erneut.

      „War das wieder der Kater?“

      „Pardon.“ Brehm hielt sich den Bauch, es sah aus, als wollte er ihn einziehen. „Das … ich bin auf Diät.“

      Darum also sein Blick auf die Chips. Sie nahm die Packung wieder aus der Tasche, dazu noch einen Marsriegel und ein Päckchen Erdnüsse und hielt dem Detektiv die Snacks entgehen.

      „Ich hab immer was dabei, suchen Sie sich was aus.“

      Sein Bauch grummelte wieder, er schien zu zögern.

      „Oder wollen Sie lieber die?“ Toni holte Schokorosinen hervor. Brehm hob die Augenbrauen. „Ich müsste auch noch irgendwo Pistazien haben“, sagte sie.

      Er sah sie fragend an. Oder war das ein Lächeln, das er unterdrückte? Sie würde sich nicht dafür rechtfertigen, dass sie immer einen beachtlichen Vorrat mit sich herumschleppte. „Wo isst du das alles hin?“, war eine Frage, die sie seit ihrer Kindheit kannte und schon nicht mehr hören konnte.

      Fast glaubte sie, er würde etwas annehmen, doch dann schüttelte er den Kopf.

      „Danke, nein. Ich benötige noch einige Informationen, aber wenn Sie möchten, nehme ich Ihren Auftrag an. Und, ach ja, es gibt nur Fixpreise, kein Erfolgshonorar.“

      Er sagte es so, als hätte sie etwas gewonnen, kramte in einer Schublade und reichte ihr eine mehrseitige Vertragsvereinbarung.

      „Wie lange dauert das normalerweise?“, fragte sie.

      „Kann ich noch nicht sagen.“ Brehm senkte seine Stimme, ein leiser Seufzer folgte. „Ich muss Sie vorwarnen, das kann emotional sehr belastend werden …“

      Sie hörte ihm gar nicht mehr zu, als sie die Honorarauflistung sah. Das war zu viel Geld. Viel zu viel. Er schien es an ihrem Blick zu bemerken.

      „Ich verstehe, dass Sie im Moment in einer finanziellen Notlage sind. Wenn Sie möchten, legen wir eine Pauschale fest“, sagte er etwas sanfter. „Was halten Sie von zweitausendfünfhundert Euro, Steuer extra? Sollte ich unter der Stundenanzahl bleiben, die diese Summe rechtfertigen würde, rechnen wir stundenweise ab. Ist es darüber, gilt die Pauschale.“

      Sie schob ihm den Vertrag zurück. Lena hatte gesagt, er sei günstiger als die anderen. Was auch stimmte. Aber sie hätte sich seine Preisliste vorher selbst ansehen sollen.

      „Ich habe im Moment nicht so viel Geld zur Verfügung. Aber wenn Sie Felix gefunden haben, dann …“

      Er schüttelte den Kopf, noch ehe sie den Satz beendet hatte, und verschränkte die Finger über seinem Bauch, der wie auf Kommando wieder grummelte.

      „Es tut mir leid, Ihnen das zu sagen, aber Sie müssen davon ausgehen, dass er Ihr Geld nicht mehr hat. Wieso kommen Sie eigentlich erst jetzt?“

      „Wie bitte?“

      „Ihr Freund ist vor einem Monat verschwunden, haben Sie gesagt. Warum erst jetzt?“

      „Ich habe selbst versucht, ihn zu finden, aber –“, begann sie, doch in diesem Moment klopfte es an der Tür.

      Edgar Brehm war mehr als genervt über die Unterbrechung. Es ging ihm miserabel. Und seine Alarmglocken schrillten bei diesem Fall. Da saß diese junge Frau mit ihren kurzen schwarzen Haaren und den riesigen grünen Augen und sah ihn gebrochen und gleichzeitig hoffnungsvoll an.

      Als hätte er eine Lösung für ihr Problem. Er kannte solche Fälle, es waren häufig Frauen, die nicht wahrhaben wollten, was ihnen angetan worden war. Die nach einer Erklärung suchten, weil es einfach nicht sein konnte, dass sie sich so getäuscht hatten. Es brach ihm jedes Mal das Herz, wenn er so jemanden in seinem Büro vor sich sitzen hatte, während er den abgeklärten Detektiv gab.

      Was sollte diese junge Frau von einem Mann, der keine Skrupel hatte, seiner Freundin das Geld und den Schmuck ihrer Großmutter zu stehlen, erwarten? Sie wirkte sympathisch, nicht dumm. Vielleicht etwas naiv, nein, gutgläubig. Aber sie war noch so jung, meine Güte, das war er auch einmal gewesen. Er sollte es ihr offen sagen: Wenn ihr Freund kein vollkommener Idiot war, dann hatte er sein Vorgehen höchstwahrscheinlich seit Langem geplant. Außerdem bezweifelte Edgar, dass sich der Schuft nicht schon früher unbemerkt aus dem Safe bedient hatte. Ein Safe. Wieso hatte sie das Geld nicht gleich unter dem Bett versteckt?

      Toni ließ ihn nicht aus den Augen, ihr verängstigtes Lächeln machte ihn nervös. So sehr er ihr auch helfen wollte, er konnte es einfach nicht.

      Dieser schäbige Freund hatte garantiert keinen Cent mehr von dem Geld, nach einem Monat, Herrgott. Vielleicht gab es noch eine reelle Chance, den Schmuck wiederzubekommen.

      Und dennoch, sie hatte einfach nicht das, was Edgar im Moment am dringendsten brauchte: Geld.

      Und überhaupt, wie sollte Edgar es anstellen, diesen Freund zu finden? Er konnte niemanden mehr engagieren, sein miserabler Gesundheitszustand kam jetzt auch noch dazu und ganz generell – hatte er nicht schon genug Probleme?

      „Herein“, sagte er, doch nichts passierte. Wahrscheinlich der pickelige Fahrradbote, der immer Kopfhörer trug und wegen der Musik in seinen Ohren so schrie. Welche Klage, Anzeige, Geldforderung darf es denn heute sein? In den letzten paar Tagen musste sich viel Neues angehäuft haben.

      Edgar stand vom Schreibtisch auf und ging zur Tür.

      Doch statt des Boten stand da eine bildhübsche blond gelockte Frau mit glänzenden roten und verdächtig vollen Lippen, einer Stupsnase, prallen Wangen und Wimpern so dicht wie Fächer. Sie schaute ihn an, fast ängstlich. Er schätzte sie auf Ende dreißig, eindeutig untergewichtig. Bis auf die Oberweite, die wie ein Balkon herausragte. Obwohl Edgar sich nicht sonderlich für Mode interessierte, erkannte sogar er die Chanel-Logos auf ihrer schwarzen Handtasche und der funkelnden Gürtelschnalle. Dazu dieser Hauch von einem dünnen Mantel, dessen durchscheinend schwarzer Stoff mit lauter kleinen Cs aus Samt bedruckt war.

      Für Edgar wirkte ihre Aufmachung wie ein Schaufenster in ihren Kontostand. Und der schien mehr als erfreulich zu sein.

      „Ist hier das Detektivbüro?“, fragte sie leise.

      Er nickte.

      „Darf ich reinkommen?“

      „Haben wir einen Termin?“

      Dafür, dass er eine potenzielle Kundin vor sich hatte, klang Edgar nicht besonders freundlich. Sein Magen knurrte so laut, dass er selbst erschrak. So, das war’s, genug. Diese idiotische Diät, auf die man ihn im Krankenhaus gesetzt hatte, würde er noch heute beenden.

      „Nein, tut mir leid“, flüsterte sie. „Ich dachte, vielleicht könnten Sie mich dazwischenschieben? Ich kann auch warten. Es ist dringend.“

      Sie strich sich eine Locke hinters Ohr. Edgar sah den goldenen Ehering und einen Ring


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