David Alaba. Felix Haselsteiner

David Alaba - Felix Haselsteiner


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kurz darauf fragt Moderator Rainer Pariasek bei Franck Ribéry nach, ob er noch einmal erzählen könne, was sein Freund ihm beigebracht hat. Als der Franzose die Frage zunächst nicht versteht, wendet Alaba sich ihm zu und meint in perfektem Wienerisch: „Naaa, welches Wort?“ Jetzt kapiert Ribéry, was von ihm verlangt wird: Grinsend sagt er mit dezent französischem Akzent: „Bist du deppat?“, und umarmt seinen Kompagnon. Es sind diese kleinen Momente, in denen der echte Alaba hervortritt, der so viel mehr ist als nur ein sehr guter Fußballer.

      Doch seit der Galanacht im Herbst 2013 ist viel passiert in Alabas Leben. Er hat den Talentstatus langsam, aber sicher abgelegt und ist unter Pep Guardiola endgültig zu einem der besten Linksverteidiger der Welt gereift. Er hat sich in der österreichischen Nationalmannschaft ausgezeichnet, hat sie gemeinsam mit Marcel Koller zur Europameisterschaft 2016 nach Frankreich geführt. Doch er hat auch schon erste Rückschläge einstecken müssen: Bei der EM hat er die bislang größte Niederlage seiner Karriere einstecken müssen. Alaba wird kritischer betrachtet als jemals zuvor. Er polarisiert, obwohl er sich so gut wie nie öffentlich äußert. Die große Mehrheit seiner Weggefährten beschreiben Alaba als unheimlich talentierten, aber auch fleißigen Sportler und als gut aufgelegten Typen mit einem herausragenden Wiener Schmäh. Trotzdem wird er heute vor allem in Österreich häufig kritisiert und gilt als das Gesicht einer goldenen Nationalmannschaftsgeneration, die kurz davor ist zu scheitern. Selbst beim FC Bayern geht es nicht mehr nur steil bergauf. Er steht nun an einem wichtigen Punkt in seiner Karriere, an dem sich entscheiden wird, ob er wirklich mit den Legenden des Austro-Fußballs auf einer Stufe steht.

      So oder so ist David Alaba einer der facettenreichsten Sportler in der Geschichte seines Landes. Und auch wenn der Ausschnitt von der Verleihungszeremonie 2013 einen guten Einblick in seine Persönlichkeit ermöglicht – Alabas Geschichte ist es wert, in einem ausführlicheren Rahmen erzählt zu werden.

      KAPITEL 1

      Aspern – ein Ortsbesuch

      Würde David Alaba heute zum Training beim SV Aspern fahren, er würde sich selbst begegnen. Gut sechs Meter groß ist das Graffiti, das eine Hauswand in der Langobardenstraße 160 ziert. Es zeigt Alaba im roten Nationaltrikot vor dem vollen Ernst-Happel-Stadion bei Nacht. Sein Gesichtsausdruck wirkt auf den ersten Blick angespannt, mit viel Wohlwollen könnte man ihn auch fokussiert nennen. Wenn man vor dem Kunstwerk steht, hat man fast das Gefühl, Alaba wolle einem gleich den Ball am Fuß in einem im Zweikampf abnehmen. Es ist ein beeindruckend gut gespraytes Graffiti, das aus dem unscheinbaren, heruntergekommenen und leerstehenden kleinen Haus eine Anlaufstelle für Alaba-Fans gemacht hat.

      Bei der Vorstellung des Graffiti Anfang Juni 2016, wenige Tage vor Beginn der Europameisterschaft, war Alaba zu Gast. „Gegen diese Wand, wo das Graffiti ist, habe ich als kleiner Bub Bälle gekickt“, zitiert ihn meinbezirk.at in einem Bericht über die neue Asperner Touristenattraktion. Tatsächlich gibt es im Umkreis wohl kaum eine Hauswand, gegen die der junge Alaba nicht einmal Bälle gekickt hat. Ein paar Minuten vom Spray-David entfernt liegt die Sandefjordgasse, wo die Alabas früher wohnten. Benannt ist die Heimatgasse der Familie nach dem südnorwegischen Sandefjord, gleich nebenan liegt auch die Trondheimgasse, die Stavangergasse und die Bergengasse. Ein Hauch Norwegen in Wien-Aspern, der, wie auf wien.at nachzulesen ist, an die norwegischen Hilfspakete für die österreichische Bevölkerung nach dem Zweiten Weltkrieg erinnern soll.

      Bis auf die Namen ist jedoch kein norwegischer Einfluss spürbar. Die Gemeindebauhäuser erinnern keineswegs an die kleinen, bunten Holzhäuser, die die norwegischen Städte zieren. Stattdessen setzten die Architekten auch in Aspern auf die in Wohngebieten so beliebte Kombination aus Beton und der Farbe Grau. Auch wenn man den großen Häuserblöcken anmerkt, dass der Begriff „Neubau“ seit gut 20 Jahren nicht mehr auf sie zutrifft, wirken sie erstaunlich lebendig. Die Balkone sind teilweise bunt gestrichen, Grünpflanzen zieren die Geländer. In den Vorgärten auf der rechten Straßenseite wachsen hinter einem Bambussichtschutz kleine Bäume. Die lieblose, manchmal sogar furchteinflößende Aura großer, grauer Häuser, wie man sie etwa im Berliner Osten spürt, gibt es hier nicht. Eine Prise Wiener Charme genügt, um die Wohngegend einladender zu machen.

      Überhaupt fühlt sich Aspern vorstädtisch-ländlich an. Wie viel Wien soll auch noch in einem Ort stecken, der drüber der Donau liegt und damit deutlich abgeschnitten vom Zentrum ist? Von Aspern aus ist man schneller im angrenzenden Niederösterreich als in der Wiener Innenstadt, in der Stadt trägt der 22. Bezirk Donaustadt, zu dem Aspern gehört, den Kosenamen „Transdanubien“. Da wundert es nicht, dass die Bewohner nicht unbedingt den Eindruck machen, tagein, tagaus mit der U-Bahn in die Stadt zu fahren. Für den jungen David Alaba gab es diese Möglichkeit ohnehin noch nicht, erst seit 2010 verbindet die Linie U2 Aspern mit dem Zentrum.

      Heute ist allein die U-Bahnfahrt einen Ausflug nach Alaba-Vorstadt wert. Vom Karlsplatz in der Innenstadt aus begleiten einen für die ersten Stationen asiatische Touristen mit Spiegelreflexkameras, die am Museumsquartier oder am Rathaus aufgeregt aus dem Zug springen, um in die Pferdekutsche zu wechseln. Von nun an ist das bunte Wien der Begleiter des Aspern-Reisenden: junge und alte Menschen, Wiener und andere österreichische Dialekte. Einige unterhalten sich auf Tschechisch, andere auf Kroatisch, und Wien wäre nicht Wien, wenn nicht auch ein Herr auf Türkisch ins Telefon brüllte. Die letzten Touristen steigen am Prater aus. Sitzen bleiben erstaunlich viele junge Leute mit eleganten Umhängetaschen. Sie verlassen die U-Bahn kurz darauf, an der Station Krieau, wo die Wirtschaftsuniversität ihren neuen Campus hat.

      Die U2 fährt weiter an der Donau entlang, direkt hinter dem Ernst-Happel-Stadion vorbei. Und direkt heißt im Fall der Wiener U-Bahn wirklich direkt: Mit etwas Glück könnte man vom Waggon aus sogar das ein oder andere Tor sehen. Die Strecke macht nach dem etwas in die Jahre gekommenen Tempel des österreichischen Fußballs eine Linkskurve und überquert parallel zur Stadtautobahn A23 die Donau. Die Autobahntangente in Kagran, über die die Bahn anschließend ruckelt, ist in Österreich vermutlich sogar noch bekannter als David Alaba. Während der Fußballer es nur vereinzelt in die Radionachrichten schafft, ist das Stück Autobahn fast täglich in den Staumeldungen von Hitradio Ö3 vertreten. Auf der anderen Seite der Donau erwartet einen das vorstädtische Wien, ohne klassische Bauten, Sacher-Touristen und Lipizzaner. Hier sind die Straßen weitläufiger und die Wohnhäuser einfacher.

      Das Publikum hat sich auch verändert. An der Station Donauspital, nur ein paar Minuten von Alabas erster Heimat entfernt, steigen neben einigen Anwohnern nur die Krankenbesucher aus – und ein älterer Herr, der sich auf den Weg Richtung Beisl macht. Direkt an der breiten und von jungen Bäumen begrünten Hauptstraße findet sich eine Reihe Geschäfte, die alles bieten, was man als Österreicher so zum Leben braucht. Neben dem BILLA-Einkaufsladen, der in Wien-Aspern exakt gleich eingerichtet und bestückt ist wie im 1. Bezirk, findet sich ein nettes, kleines Restaurant mit Ottakringer-Sonnenschirmen und „Ripperl mit Erdäpfel“ als Tagesgericht. Auch mittags läuft das Geschäft dort gut: An einigen Tischen wird gegessen, auf anderen sammeln sich bereits leere Gösser-Flaschen an. Gleich nebenan liegen die „Langobarden Apotheke“ und ein Mobilfunk-Geschäft. Auch die Trafik darf natürlich nicht fehlen, genauso wenig wie die Sportwetten-Annahmestelle.

      Kurz: Es mangelt an nichts in Aspern, nicht einmal an der Sicherheit. Gleich ums Eck liegt die recht gut versteckte Polizeiwache, die nicht gerade den Eindruck macht, hier allzu viel Verbrechen bekämpfen zu müssen. In der Sandefjordgasse angekommen, liegt der Geruch von Fußball schon in der Luft, und nicht nur, weil David Alaba dort einst wohnte. Gleich hinter der Gasse, die so breit ist, dass sie sich eigentlich den Zunamen Straße verdient hätte, findet sich ein kleiner Fußballplatz. Zu sagen, dass der Ort, an dem der junge David das Fußballspielen lernte, irgendetwas Magisches an sich hätte, wäre übertrieben. Nüchtern betrachtet handelt es sich um ein etwa 60 Meter langes, von einem hüfthohen grünen Zaun umgebenes Feld mit zwei Stahltoren und relativ wenig Rasen. Das grüne Geläuf ist mittlerweile ein staubiger Untergrund. Man müsste schon „das Feld breit machen“, wie es im Fachjargon heißt, um den Rasen zu erreichen, der im Sommer steppenartig verdorrt ist.

      Ein bis zwei Gehminuten liegt der Platz von der Sandefjordgasse entfernt. Wobei David wie jedes andere Kind vermutlich nie zum Fußballplatz gegangen ist. Insofern ist wohl eher


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