David Alaba. Felix Haselsteiner

David Alaba - Felix Haselsteiner


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„hast Platz, hast Zeit“. „Dabei war er im normalen Umgang mit uns Trainern ein eher zurückhaltender Typ“, berichtet Muhr, für den Alaba immer schon zwei Gesichter hatte.

      Da war der akribische, fokussierte Fußballer, der trotz seiner Jugend eine enorme Reife auf dem Platz zeigte. Der seine Mitspieler anleitete, auch wenn er jünger war als sie. Dass es eine Vielzahl von Jugendfotos gibt, ist kein Zufall: Bei so gut wie jeder Übung war Alaba der Beste – egal ob beim Passen oder im Fitnessraum. Und dann war da der Bub mit dem Wiener Schmäh, der mit seinem besten Freund Aleksandar Dragović auch mal nachts die ein oder andere Session auf der Playstation im Jugendheim absolvierte, sich ansonsten aber nie irgendwelche Verfehlungen leistete.

      Selbst beim gemeinsamen Frühstück, mit dem jeder Tag in Hollabrunn begann, war David Alaba einer von den Braven. Die meisten Nachwuchsspieler wollten in der Früh nichts essen – weil das aber gerade für junge Sportler wichtig ist, hängten die Jugendwarte Listen aus. Nur wer sich dort eintrug, durfte trainieren. Der Name Alaba stand immer auf der Liste. Nach dem Frühstück ging es für die U-Mannschaften auf den Platz zum Vormittagstraining. Im Vergleich zu vielen anderen Jugendakademien stand an der FSA der Fußball komplett im Fokus: zweimal am Tag Training mit ausführlicher Vor- und Nachbereitung, Analyse und Schwerpunktsetzung, dafür nur einmal am Tag ein paar Stunden Schulunterricht. „David hat die Schule schon sehr nebenher betrieben“, sagt auch Muhr. Zur Mittleren Reife hat es trotzdem gereicht, die Pflicht hat er erfüllt.

      Im Januar 2007 folgte für David Alaba der erste wichtige Schritt raus aus dem Jugendbereich. Von der U15 wechselte er in die U17, übersprang somit eine Stufe und spielte auch hier sofort wieder eine herausragende Rolle. Im Sommer fuhr Alaba als größtes Talent der Akademie trotzdem noch einmal mit der U15 zu einem Turnier. Denn das Event in Manchester war nicht irgendein Jugendturnier, es war das größte und vermutlich prestigeträchtigste der Welt. Beim Nike Manchester United Premier Cup trafen die 20 besten Jugendteams weltweit aufeinander. Die Austria schnitt hervorragend ab und wurde am Ende Sechster. Das Turnier fand am Trainingsgelände von United statt, auch Sir Alex Ferguson und Gary Neville kamen zum Zuschauen vorbei – genauso wie etliche Scouts, die sich den Namen Alaba notierten. England, so viel stand schon damals fest, war Alabas großes Ziel, allen voran sein Lieblingsverein Arsenal.

      Doch Alaba wusste, dass er in Wien fürs Erste am besten aufgehoben war. Mittlerweile war man sich bei der Austria bewusst, was für ein großes Talent man da in der U17 hatte – und dass der Kerl so schnell wie möglich nach oben musste. Ab Herbst 2007 spielte Alaba bei der U19, mit der er bereits meistens trainiert hatte. Seine Trainer waren nun Herbert Gager und Manfred Schmid. Letzterer arbeitet mittlerweile als Co-Trainer von Peter Stöger in der Bundesliga. Bereits nach ein paar Spielen mit den A-Junioren wollten viele im Verein den 15-Jährigen noch eine Stufe höher schicken, in die zweite Mannschaft. „Ich habe das allerdings ein bisschen gebremst“, erzählt Thomas Janeschitz, damals Trainer der Austria II, die in der zweiten Liga spielte, also nur eine Stufe unterhalb der Profis. Janeschitz führt aus, warum er noch ein wenig abwartete: „Ich wollte darauf achten, dass ihm klar ist, dass die zweite Liga in Österreich für ihn nichts Besonderes sein darf, dass er nicht aufhören darf zu arbeiten und dass er noch viel, viel mehr erreichen wird.“

      Also spielte Alaba weiterhin für die U19, trainierte aber bereits mit der zweiten und vereinzelt sogar mit der ersten Mannschaft. Egal wo er hinkam, seine Mitspieler waren begeistert. Selbst Jocelyn Blanchard, der damals 35-jährige Kapitän der Profis, der Ende der 1990er Jahre bei Juventus Turin mit Zidane und Deschamps in einer Mannschaft gestanden hatte, meinte nach einem Training, dass er noch nie zuvor so einen talentierten Spieler gesehen habe. Dass Alaba in jeder Mannschaft der Jüngste war, gereichte ihm nicht zum Nachteil. „Dadurch war das Lob, das er bekommen hat, immer noch ein Stückchen größer“, meint auch Janeschitz, bis Ende 2017 Co-Trainer von Marcel Koller beim Nationalteam.

      Doch Alaba war nicht alleine, sein Kumpel Aleksandar Dragović ging fast jeden Karriereschritt mit ihm gemeinsam. Auch als Akademieleiter Muhr Alaba im Januar 2008 vor einem Jugendturnier in Deutschland zu sich rief, saß Kumpel Drago neben ihm. Muhr hatte gute Nachrichten für die beiden: Sie durften mit der ersten Mannschaft ins Wintertrainingslager fliegen. Alaba und Dragović waren begeistert – und spielten ein großartiges Jugendturnier. „Die haben überhaupt nicht zurückgesteckt oder gesagt: Wir dürfen uns jetzt nicht verletzen“, erzählt Muhr begeistert.

      Im Trainingslager in Marbella war Alaba wie gewohnt der Musterprofi: In der Früh war der 15-Jährige als Erster auf dem Platz, half beim Aufbauen der Übungen, trug Bälle durch die Gegend. Es mag das klassische Vorurteil sein, dass die Jugendspieler für die einfachen Aufgaben herhalten müssen, doch für Muhr ist das keine Selbstverständlichkeit: „Ich habe schon genug Spieler erlebt, die sehr schnell nach oben gekommen sind und sich für so etwas dann zu schade waren.“ Alaba jedoch arbeitete fleißig und trainierte gut, Trainer Zellhofer gab der Jugendabteilung ein positives Feedback: Der Junge sei wirklich für höhere Aufgaben geschaffen.

      Dreimal noch spielte er für die U-Mannschaft. Mitte April saß Alaba dann zum ersten Mal auf der Bank der ersten Mannschaft, die noch einen Spieler für den Kader gegen Altach brauchte. Zum Einsatz kam er da noch nicht. Doch die Erfahrung einer Auswärtsfahrt mit den Profis nahm ihm niemand mehr. Am 18. April folgte das nächste Highlight: Zum ersten Mal durfte Alaba in der zweiten Liga ran, sogar über 90 Minuten. Das Debüt im Profifußball lief genauso gut wie die nächsten vier Spiele, die er in der zweithöchsten Spielklasse Österreichs bestritt. Während er in der Jugend meistens als Mittelfeldspieler, häufig sogar als offensiver Linksaußen aufgelaufen war, gab er nun den Linksverteidiger. „Hervorragend“ habe Alaba gespielt, meint auch Janeschitz, der im Nachhinein alles richtig gemacht hat, indem er noch ein wenig abwartete.

      Den Verantwortlichen bei der Austria war da längst bewusst, dass sie handeln mussten. Der Ausbildungsvertrag, den Alaba hatte, würde ihn nicht mehr lange halten. Also trafen sich Austria-Manager Thomas Parits und Jugendleiter Muhr am Pfingstsonntag 2008 mit Alaba und seinem Vater George, um über die Optionen zu sprechen. Das Angebot der Austria: ein Profivertrag, Training bei der ersten Mannschaft, Einsätze in der Bundesliga. Doch die Alabas erzählten freundlich, dass sie am nächsten Tag nach München fliegen würden, um sich dort mit den Verantwortlichen des FC Bayern zu treffen. „Nach dem Meeting habe ich zum Parits rübergeschaut und gemeint: ‚Das wird eng für uns‘“, berichtet Muhr. Selbst ein Spezialangebot der Austria konnte die Alabas nicht von einem Wechsel abbringen. „Wir haben gesagt, dass er bei uns die Schule abbrechen und eine Lehre zum Automechaniker machen könne“, erzählt der Jugendleiter und muss schmunzeln.

      In einer Sache sind sie sich bei Austria Wien alle einig: Alaba wäre so oder so seinen Weg gegangen. Die Kombination aus Disziplin und Talent hätte ihn eher früher als später zu einem der jüngsten Bundesligaspieler in Österreich gemacht. Spätestens dann wäre ein Wechsel ins Ausland unvermeidlich gewesen – für die österreichische Bundesliga war Alaba bereits mit 16 Jahren zu gut. Zum damaligen Zeitpunkt zum FC Bayern zu gehen, war risikoreicher, aber im Nachhinein die richtige Entscheidung. Denn in München ging es für Alaba weiter steil nach oben: 21 Monate nach seinem letzten Spiel für die Amateure der Austria sollte er in der Champions League debütieren.

      Doch all das wäre ohne die Ausbildung in Wien nicht möglich gewesen. Die Alabas, seit jeher Austria-Fans, haben ihren Sohn mit Unterstützung des SV Aspern an einer der fortschrittlichsten Fußballakademien Europas untergebracht. Alaba hat von hervorragenden Trainern gelernt, er hatte das Glück, in einem ausgezeichneten Jahrgang zu spielen. Die Freundschaften, die er in Hollabrunn knüpfte, halten bis heute. Aleksandar Dragović ist der bekannteste seiner Freunde, doch auch Alexander Aschauer oder Daniel Meindorfer sind seit der U11 eng mit Alaba verbunden.

      Die Austria ist die erste echte Heimat von David Alaba, noch heute verweist er immer wieder stolz darauf, wo er herkommt. Bei der Meisterfeier der Wiener Veilchen 2013 schickte er eine Videobotschaft. Die am Rathausplatz versammelten Fans jubelten laut auf, als der Film auf der Leinwand eingespielt wurde. Immer wieder schaut Alaba bei seinen alten Weggefährten vorbei, im Sommer hält er sich an der neuen Austria-Akademie im Stadtteil Favoriten fit. 2017 war Alaba Schirmherr beim Coca-Cola-Cup, der auf dem Gelände der Austria stattfand. Nach dem Turnier saß er gemeinsam mit seiner Familie bei Ralf Muhr im Büro: „Ich


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