David Alaba. Felix Haselsteiner
talentierten Jungen war. Alabas Eltern, die, wie die meisten Eltern, weniger darauf achteten, wie ihr Sohn trainierte, sondern welche Noten er in der Schule schrieb, ließen sich von Dahner überzeugen. Er kontaktierte seinen ehemaligen Mitspieler Damir Canadi, der sich später einen Namen als Trainer in der österreichischen Bundesliga machte, und bat ihn um Hilfe bei der Suche nach einem Profiverein. Canadi half tatsächlich, ein Scout von der Wiener Austria kam zum Treffen der beiden hinzu und notierte sich den Namen Alaba.
Es war der erste von vielen Schritten, die Alaba auf dem Weg in den Profifußball gehen würde. Ohne Dahner wäre er jedoch kaum möglich gewesen. Dass das größte Talent, das jemals auf dem Asperner Kunstrasen spielte, nicht einmal zwei Jahre blieb, ist der etwas traurige Teil der Geschichte. Auch für Dahner war der Abgang schwierig, er musste die eine oder andere Träne verdrücken. Doch die Verbindung zu Alaba blieb bestehen: Bis heute sind die beiden in Kontakt. Wie viele andere geriet auch Dahner bei den Alabas nicht in Vergessenheit.
Immer wieder schaut Alaba mal im Biberhaufenweg vorbei, dort, wo alles begann. Dass er bereits als Elfjähriger zur Austria weiterzog, war nur konsequent. Frühe Wechsel waren im Nachwuchsbereich schon damals eine Pflicht, das Ausbildungsniveau bei den Topvereinen ist einfach ungleich höher. Philipp Lahm wechselte als Zwölfjähriger von der FT Gern zum FC Bayern, Thomas Müller wie Alaba mit elf vom TSV Pähl an die Säbener Straße. Alaba sollte auf dem Weg zum FC Bayern noch eine Zwischenstation einbauen: Die Akademie von Austria Wien wartete auf ihn. Seine Vergangenheit als Löwe stellte für Alaba bei keinem der beiden Vereine ein Hindernis dar, im Gegenteil. So wie Alaba ein Glücksfall für den kleinen SV Aspern war, so war auch der abendliche Ausflug im Winter 2001 der vermutlich wichtigste Spaziergang, den George und David Alaba jemals gemeinsam gemacht haben.
KAPITEL 3
Die Familie Alaba
Das verschmitzte Lächeln sitzt perfekt. Drei Jahre und ein paar Monate alt ist der kleine David Alaba, als ein Kamerateam des ORF in die Wohnung seiner Familie kommt. In einem lila Pullover sitzt er da auf dem Sofa neben seiner Großmutter und kann die Augen kaum von der Kamera lassen. Das Team der ORF-Sendung Am Schauplatz begleitet Alabas Vater George, der als einer der ersten dunkelhäutigen Soldaten in der österreichischen Armee dient. Papa Alaba ist bereits 34 Jahre alt, als er ins Bundesheer einberufen wird, seine Mitstreiter sind um einiges jünger. Am Tag der Angelobung am Rathausplatz in Wien ist er ein beliebtes Fotomotiv. Das Bundesheer der Österreicher internationalisiert sich in den 1990er Jahren zunehmend. Zuwanderer aus Afrika, Asien oder den arabischen Ländern haben nach zehn Jahren Aufenthalt ein Recht auf die österreichische Staatsbürgerschaft, die sie zum Heeresdienst verpflichtet.
George Alaba ist einer von ihnen. Gemeinsam mit einem Freund trifft er vor dem Rathaus sogar den damaligen Bundespräsidenten Thomas Klestil. „Heute angelobt? Großartig, ein Bekenntnis zu Österreich, das freut uns“, meint Klestil, während er den beiden Anwärtern die Hände schüttelt. Acht Monate lang macht Alaba eine Ausbildung zum Grundwehrdiener und steigt danach zum Gefreiten auf. Wie alle seine Mitstreiter lernt er zu salutieren, sich durchs Gebüsch zu schleichen und seine Kleidung ordentlich in den Schrank zu sortieren. Doch daneben hat George Alaba sich um seine Familie zu kümmern, im Gegensatz zu seinen deutlich jüngeren Anwärterkollegen.
Die Geschichte von David Alabas Vater ist so interessant, dass vermutlich George mehr im Fokus stehen würde, wäre sein Sohn nicht einer der besten österreichischen Fußballer aller Zeiten. 1961 in Ogere, 80 Kilometer nördlich von Nigerias größter Stadt Lagos, geboren, kam Alaba senior 1984 gemeinsam mit einem Schulkameraden nach Wien. Der Onkel seines Freundes arbeitete bei der UNO in Österreich und lud die beiden auf Besuch ein – George jedoch blieb, lernte ein paar Semester Deutsch und begann an der Wirtschaftsuniversität zu studieren. Die Geschichte, dass Alaba in Österreich politisches Asyl erhielt, ist tatsächlich nur eine Geschichte, allerdings keine wahre.
Ende der 1980er Jahre wurden für George Alaba dann die Bücher immer uninteressanter, dafür standen jetzt die Platten im Fokus. Das Studium an der WU brach er ab und widmete sich seiner Karriere als DJ. Alaba legte im African Club im ersten Bezirk auf, einem internationalen Tanzlokal, musikalisch bestimmt von Tanzrhythmen mit Reggae-Einfluss. 1997 lernte er beim Auflegen die Wiener Sängerin Petra Suk kennen, die sich als die Gesangspartnerin rausstellte, nach der er lange gesucht hatte. Gemeinsam gründeten sie das Duo Two in One und hatten mehr Erfolg, als sie sich hätten ausmalen können. Mit dem „Indian Song“ landeten sie auf Platz zwei der österreichischen Singlecharts und holten eine Goldene Schallplatte. Ihre Alben Now and Forever und Around the World aus den Jahren 1998 und 1999 landeten auf Platz acht der Charts. Der klassische Dance-Pop der 1990er Jahre in Verbindung mit afrikanischen Einflüssen kam gut an und traf den Nerv der Zeit. In Österreich waren daneben Künstler wie Shaggy unheimlich beliebt – vor dem sich Two in One keinesfalls verstecken musste.
Sieben Jahre lang war das Duo erfolgreich, dann kam das jähe Ende. Eine deutsche Plattenfirma hatte sich die Namensrechte für den Bandnamen gesichert, einen Rechtsstreit konnten sich Alaba und Suk nicht leisten. Die Combo löste sich auf, und George Alaba kehrte in seinen altbekannten Lifestyle zurück. Als DJ legte er jahrelang in verschiedenen Nachtklubs auf, unter anderem im Beverly Hills, einer Gogo-Bar. Als die Süddeutsche Zeitung Alaba senior 2010 im Interview danach fragte, welche Art von Spaß die Gäste in dem Nachtklub haben, versicherte er sofort: „Es ist nur Go-go und kein Prostitutionslokal. Es gibt dort keinen Kontakt mit den Frauen oder sogar Sex.“
George Alabas Lebensrhythmus passte eigentlich nicht mit dem eines Vaters eines aufstrebenden Fußballers zusammen, doch das sollte kein Hindernis sein. Nachts arbeitete er im Klub, tagsüber kutschierte er seinen Sohn zum Training oder zu Spielen. George schlief teilweise im Auto, dann am Nachmittag noch einmal daheim, bevor er um 21:30 Uhr auflegte, und vielleicht noch einmal kurz, wenn er um fünf Uhr früh nach Hause kam. Erst als Alaba nach Hollabrunn in die Akademie der Wiener Austria wechselte, entspannte sich die Lage für seinen Vater etwas. Doch immer noch waren Davids Eltern so oft bei ihrem Sohn und seinen Jugendmannschaften, wie es nur irgendwie möglich war.
Papa Alaba hatte alles, was einen hervorragenden Fußballervater auszeichnet. Er hatte selber viel erlebt, hatte sich durchsetzen und zurechtfinden müssen in einer neuen Umgebung. Weil er wusste, wie schwer das ist, erkannte er, dass sein Sohn beim FC Bayern gut aufgehoben sein würde, und sorgte dafür, dass David nach München ging. Menschen, die Alabas Vater kennenlernten, beschreiben ihn als unheimlich herzlich und dankbar. Noch heute bringt er etwa Werner Kern, Davids Entdecker beim FC Bayern, ab und an ein kleines Geschenk vorbei. Alaba senior sagte einmal in einem Interview, dass seine Familie dem Junior eine afrikanisch-asiatisch-europäische Moral mitgeben wollte. Von ihm habe David das Afrikanische, den Ehrgeiz und den großen Willen, führte der Vater aus. Wille ist ein interessantes Stichwort: Denn es ist auch George Alaba, der immer wieder fordert, dass sein Sohn im Mittelfeld spielt. Will man es positiv formulieren, traut er ihm zu, auch dort zur Weltklasse zu gehören. Kritischere Stimmen jedoch meinen, dass Alaba senior die Stärken seines Sohnes verkennt, der auf der linken Abwehrseite besser aufgehoben sei.
Mit derlei Positionsdebatten kann Gina Alaba deutlich weniger anfangen. Davids Mutter beschäftigt sich nicht so sehr mit den fußballerischen Fähigkeiten ihres Sohnes, sondern lebte vor, wie man harte Arbeit mit familiärer Geborgenheit verbindet. 1984 kam Gina Alaba, Tochter eines Reishändlers auf den Philippinen, nach Wien und ließ sich dort ihr Diplom als Krankenschwester anerkennen. Sie begann im Seniorenheim zu arbeiten, lernte daneben Deutsch und bewies sich auch als Model. Mitte der 1980er Jahre gewann sie den „Miss Philippines-Austria Contest“. 1988 lernte sie auf einer Party George kennen, die beiden kamen zusammen. 1992 erfüllten sie sich mit David ihren Kinderwunsch, 1994 kam Schwester Rosemaie zur Welt. David erhielt den zweiten Vornamen Olatokunbo, nigerianisch für „Reichtum und Freude, die aus einem fernen Land gebracht wurden“. Wie passend.
Die Alabas arbeiteten beide weiterhin Vollzeit, organisierten den Tagesablauf und erzogen nebenbei ihre Kinder. Gina Alabas Schwester und Eltern halfen hier und da aus und passten auf den Nachwuchs auf, doch die entscheidenden Dinge brachte den Kindern die Mutter bei. Jeden Tag betete die Familie mehrmals gemeinsam, die Kommunikation mit und das Vertrauen in Gott war vor allem Gina unheimlich