David Alaba. Felix Haselsteiner
Gleichzeitig berichten Alabas Wiener Jugendtrainer begeistert davon, wie euphorisch sie bei jedem Spiel an der Seite stand und keineswegs nur ihren eigenen Sohn, sondern immer die ganze Mannschaft unterstützte.
Auch Alabas Schwester Rosemaie reiste häufig mit zu den Spielen des großen Bruders. Doch es dauerte nicht lange, bis sie sich um ihre eigene Karriere kümmerte. Während David in München Champions League spielte, wurde seine Schwester 2011 einer der Stars der Sendung Popstars und Bandmitglied bei der Gruppe BFF, die sich jedoch 2013 wieder auflöste. Rosemaie machte eine Ausbildung an der 1st filmacademy in Wien und widmete sich dann vermehrt der Musik: „Love Me Right“, ihre erfolgreichste Single, schaffte es auf Platz 30 in den österreichischen Charts, bei den Special Olympics 2017 war ihr Song „Can You Feel It“ die offizielle Hymne.
Selbstverständlich hat ihr der Name Alaba die ein oder andere Tür geöffnet, durchgehen musste sie jedoch selber, wie sie auf ihrer Homepage schreibt. Und das musikalische Talent, es ganz nach oben zu schaffen, hat Rose May, so ihr Künstlername, auf jeden Fall. R’n’B und Popmusik verbindet die junge Künstlerin miteinander, und es klingt gut. Einen hervorragenden Auftritt legte sie im November 2015 in einem Einkaufszentrum südlich von Wien hin. Mit vollbesetzter Liveband jammte Rose May und konnte sogar ihren Vater zu einem Tanzsolo animieren. Dass die Alabas gemeinsam singen und tanzen, sei keine Seltenheit, erzählte sie in einem Interview. Den Beweis dafür liefert Rose May Alaba auf ihrem Instagram-Account, den sie ähnlich gut pflegt wie ihr Bruder. Da kommt es schon mal vor, dass Mutter Gina mit ihr durch die Straßen Wiens tanzt.
Die Grundfesten von David Alabas Privatleben, das Fundament, auf dem seine Karriere aufbaut, liegen in seiner Familie. George, Gina und Rosemaie inspirierten ihn in vielen Dingen, die ihn bis heute prägen: Religion, Musik, Mode, nicht zuletzt Fußball. Seine Eltern erzogen ihn zum Großteil auf Englisch, weil Mutter Gina sich damit etwas leichter tut. Sie vermittelten ihm Werte und moralische Einstellungen. Wenn David Alaba davon spricht, dass er seiner Familie alles zu verdanken hat, was er ist, dann ist das kein leerer Satz, sondern die Wahrheit. Bis heute sind alle drei sein Beratergremium, auch wenn George Alaba hervorsticht, der seine beiden Kinder managt. Bei David Alaba wird er unterstützt von Jeannot Werth, einem französischen Agenten, und Christian Rößner, einem Münchner Anwalt. Rößner, der auch einige Nachwuchsspieler des FC Bayern betreut, hat von Alaba den Spitznamen „Chefinho“ bekommen. Er managt Alabas Verträge und ist sein Ansprechpartner in München.
Doch auch Alabas Familie reist oft genug in die bayerische Wahlheimat ihres Sohnes, um ihn zu unterstützen. George Alaba hat für seine Kinder seine Tätigkeit als DJ aufgegeben, und auch Mutter Gina hörte Ende 2011 auf, im Seniorenheim zu arbeiten – weil David sie darum bat. Ihr Sohn unterstützt die Familie jetzt finanziell, kaufte seinem Vater gleich zwei Autos für die Fahrten von Wien nach München. Aber selbst hier zeigt sich die Bodenständigkeit der Alabas: Auch wenn ihr Sohn ihnen die schönsten Häuser in Wien finanzieren könnte, sind sie in der Donaustadt geblieben. Werte vermitteln kann man eben auch dann noch, wenn der Sohn schon erwachsen ist. Die Alabas leben das vor.
KAPITEL 4
In der Austria-Jugend
Der ORF hat die Geschichte vom jungen David und dem kaputten Auto dramatisch inszeniert. Für eine kleine Serie mit kurzen Filmen über die Spieler der österreichischen Nationalmannschaft bei der EM 2016 hat der Sender sogar zwei Schauspieler engagiert, die den elfjährigen David Alaba und seinen Vater George darstellen. Gehetzt springen sie durchs Bild, verzweifelt steht der Schauspieler-David auf der Straße, dazu erzählt der echte Alaba aus dem Off, was passiert ist.
Am Tag der Aufnahmeprüfung für die Frank-Stronach-Akademie des FK Austria Wien in Hollabrunn, etwa 35 Autominuten von Aspern entfernt, sind David und George Alaba im Stress. Etwas verspätet steigen die beiden ins Auto. Als Papa Alaba den Schlüssel umdreht, passiert nichts. Immer wieder probiert er es, doch der Ford Escort will nicht anspringen. Recht schnell wird beiden klar: Das wird nichts, die Zeit für einen Pannenservice haben sie nicht mehr. Ein Glück, dass auch die Familie Strapajevic nach Hollabrunn fährt, weil Sohn Andreas ebenfalls an die Akademie möchte. Am Prater treffen sich die zwei Familien und bilden eine Fahrgemeinschaft. Ein paar Minuten nach den anderen läuft David Alaba auf den Trainingsplatz in Hollabrunn und wird von den Trainern mit ein paar flockigen Sprüchen empfangen. Alaba spielt, wie immer, hervorragend und ist einer von 20 jungen Fußballern, die den neuen Jahrgang bilden werden.
Die Geschichte, dass er es wegen einer Autopanne fast nicht an die Akademie geschafft hätte, klingt dramatisch – ist aber nicht ganz wahr. „Es war immer klar, dass David an der Akademie aufgenommen wird“, erzählt Ralf Muhr, der damalige sportliche Leiter der kurz als FSA abgekürzten Fußballschule. Das Screening an diesem Tag im Sommer 2006 war für die Talente der Austria nur ein finaler Termin, die Besten eines jeden Jahrgangs hatten ihren Platz bereits fix. Und David Alaba zählte immer zu den Besten, seitdem er im September 2002 zur U11 der Violetten gestoßen war. Bereits seinem ersten Trainer Helmuth Bogdanovic fiel er im Training auf, gemeinsam mit Christoph Knasmüllner lächelt Alaba vom Teamfoto des U11-Jahrgangs. Jahre später würden beide gemeinsam zum FC Bayern wechseln, doch in den Jugendjahren zählten erst mal andere Dinge. Fußball war wichtig, doch gleichzeitig verbrachten die Zehnjährigen ihre Zeit auch mit „Räuber und Gendarm“ und anderen Spielen. Mit einigen seiner Kameraden färbte sich Alaba die Haare violett, weil Paul Scharner, Mittelfeldspieler bei den Profis in der Bundesliga, das auch gemacht hatte. Bei seinem ersten Länderspiel 2009 sollte Alaba neben eben jenem Scharner auf dem Feld stehen, aber das ist eine andere Geschichte.
„David war ein wenig ‚Everybody’s darling‘“, meint Muhr beim Gespräch im Juli 2017. Der heute 47-Jährige war zwischen 2001 und 2008 sportlich verantwortlich für die Jugendschmiede der Austria und gleichzeitig Leiter der Frank-Stronach-Akademie. Die Akademie, die der österreichisch-kanadische Milliardär Stronach im Jahr 2000 gründete, wurde von der Austria als Schirmverein betrieben. Die Magna, Stronachs Unternehmen, war Aktionär und Sponsor des Wiener Traditionsvereins, ihr gehörte auch das Gelände, auf dem die Akademie stand. Stronachs große Vision war, dass in Hollabrunn die besten Fußballer Österreichs ausgebildet würden, die dann mit der Austria die Champions League und mit der Nationalmannschaft den WM-Titel gewinnen sollten.
Das Konzept, so größenwahnsinnig es im ersten Moment klingt, ging zumindest teilweise auf. Die FSA war großartig ausgestattet: Auf einem Campus-Gelände außerhalb der Stadt standen den Talenten ein Stadion, drei Trainingsplätze, zwei Sporthallen, ein Jugendhaus und eine private Fachschule zur Verfügung. Daneben gab es alle Annehmlichkeiten: Fitnessstudios, einen Regenerationsbereich mit Sauna, Schwimmbad, Whirlpool und allem Drumherum. Es fehlte den jungen Fußballern an nichts. Ausgebildet wurden sie von den besten Jugendtrainern Österreichs, dazu kümmerten sich Jugendwarte, Physiotherapeuten, Sportwissenschaftler und sogar ein Mentalcoach um den Nachwuchs.
Die Akademie entwickelte sich über die Jahre zum Vorzeigemodell, viele andere Mannschaften wie Mattersburg oder Salzburg orientierten sich am Konzept der Austria. Ralf Muhr und sein Team legten in gewisser Weise zwischen 2001 und 2008 den Grundstein dafür, dass die Nationalmannschaft 2016 zur Europameisterschaft fuhr. Zlatko Junuzović, Julian Baumgartlinger, Rubin Okotie, Heinz Lindner, Aleksandar Dragović, Markus Suttner, David Alaba – die Liste der FSAAbsolventen, die heute als Profis erfolgreich sind, ist lang. Der große Vorteil der Akademie und des Standorts Hollabrunn: Trainer, Spieler und Betreuer bildeten eine große Einheit. „Man konnte nicht zwischen dem Training schnell auf einen Kaffee in die Stadt fahren. Dass wir alle gemeinsam gewohnt und gearbeitet haben, hat uns zusammengeschweißt“, meint Muhr.
Als Alaba mit 14 Jahren nach Hollabrunn zog, veränderten sich auch seine Leistungen. Der Jahrgang, in dem er während seiner ersten Jahre bei der Austria spielte, war einer der besten, den die Trainer dort jemals gesehen haben. Alaba stach nicht wirklich hervor, er hatte, wie seine Mitspieler auch, ein unheimlich hohes Niveau. Egal ob als U12, U14 oder dann als U15 in der Akademie: Die Wiener räumten alles ab, was es an Jugendtiteln zu holen gab. „Man hat dann aber irgendwann bemerkt, dass es noch einen Unterschied zwischen ihm und dem Rest gibt“, erzählt Muhr. Während seine Mitspieler in erster Linie mit sich selbst beschäftigt waren, kümmerte Alaba sich auch um sie. Neben dem Platz, aber vor allem beim Fußballspielen.