Tanausú. Harald Braem
es recht ist, noch vor Ablauf des September …»
König Ferdinand machte eine zustimmende Geste. Für ihn begann die Unterhaltung allmählich an Reiz zu verlieren. Dieser Mann verlangte doch auch bloß Geld, wie alle anderen. Nun gut, er sollte es bekommen und vernünftig einsetzen, dann würde schon von selbst ein Vielfaches zurück in die Schatzkammern fließen. Vor allem aber, und daran war ihm gelegen, konnte sich der Herrschaftsbereich der Krone ausdehnen. De Lugo erschien ihm der richtige Mann für das Unternehmen.
De Lugo bemerkte in seiner Euphorie das nachlassende Interesse des Herrscherpaares an seiner Anwesenheit nicht. «Übrigens befinde ich mich im Besitz einer weiteren Trumpfkarte», wagte er zu äußern, um das Gespräch noch einmal zu beleben. «Es handelt sich um eine Frau, eine Wilde, die damals vor vierzig Jahren beim Angriff auf La Palma gefangen genommen wurde. Sie spricht die Sprache der Eingeborenen, kennt ihre Gewohnheiten genau, ebenso alle verborgenen Pfade und Wege. Sie kann uns als Kundschafterin und zum Dolmetschen dienen. Gazmira ist ihr Name …»
Ferdinand winkte müde ab. «Erspart mir weitere Einzelheiten, besprecht sie mit meinen Gefolgsleuten in Cadiz. Von ihnen wird Euch jede nur denkbare Unterstützung zuteil werden. Und nun lebt wohl und viel Glück.»
«Viel Glück», sagte auch Isabella, «und vergesst niemals das traurige Lied von Guillén Peraza.»
«Niemals, solange ich lebe», antwortete de Lugo und verneigte sich tief.
Er verließ das königliche Lager mit dem beschwingten Schritt eines Mannes, der nichts anderes kennt als den Sieg und das Wissen, dass ihm die Welt zu Füßen liegt.
Die Audienz in Santa Fé öffnete ihm in der folgenden Zeit sämtliche Türen. Außer reichlichen Geldmitteln erhielt de Lugo auch den Befehl, in Cádiz die notwendigen Schiffe auszurüsten. Als er nach Gran Canaria zurückkehrte, schlossen sich die dort wohnenden einflussreichen Spanier seiner Expedition an.
Es galt nun, die Truppen durchzuorganisieren und auf die Invasion vorzubereiten. In den letzten Septembertagen des Jahres 1492 sollten zwei große Kriegsschiffe und eine Fregatte auslaufen. Ihr Ziel: die felsigen Küsten von La Palma.
Ein Korb übervoll mit Früchten war dieser Sommer, bis an den Rand mit Erlebnissen und Bildern gefüllt, die man niemals vergessen würde. Da waren zunächst die Feierlichkeiten zu Atogmatomas doppelter Berufung: zum Häuptling des Stammes Hiscaguan und zum Hochkönig von Benahoare. Wieder einmal versammelten sich im Tagoror von Tixarafe die Würdenträger der Insel, die Feycans und Heilfrauen der Stämme. Alle erschienen prächtig geschmückt, trugen Muschelketten und Federhauben, dazu ihre Kultbeutel mit Tara-Figürchen und den geheimen Symbolen des Wissens. Es war auffallend, dass im Kreis lediglich Mayantigo und Tanausú fehlten. Beide ließen sich mit einem Vorwand entschuldigen und durch ihre Feycans vertreten. Im Grund überraschte das nach ihrem Verhalten bei Tamogantes Feder-Orakel nicht. Der Stolz der beiden Häuptlinge hatte Schaden genommen, es würde eine Zeit dauern, bis sie den neuen Herrscher anerkannten.
Bencomo, der an den Feiern teilnehmen durfte, sah die bemalten Krieger mit ihren Waffen, er sah sie trommeln, singen und tanzen und spürte, welche Kraft von den Ritualen ausging. Der Geist des großen Orahan erfüllte die Anwesenden, ließ sie über die Stammesgrenzen hinweg zu einer Gemeinschaft verschmelzen. Er sah, dass Atogmatoma einen prachtvoll gefärbten Umhang über seiner Fellkleidung trug und als Zeichen der Würde das gebogene Krummholz hielt, den großen Bumerang, der im Flug eine summende Stimme besaß und stets zum Ausgangspunkt des Wurfes zurückkehrte. Erst wenige Male hatte Bencomo einen solchen Wurf gesehen und war jedes Mal tief beeindruckt gewesen. Im Holz des Bumerangs, so sagte der Feycan, wohne Abona, das Leben. Warf er ihn nach Westen, dorthin, wo die toten Ahnen in ihren Höhlen ruhten, so trug er die Gedanken des ganzen Stammes mit sich. Kehrte er dann zurück und schwoll seine Stimme im Wind schwirrend an, so brachte er die Grüße der Ahnen an die Lebenden mit, die gesammelte Kraft aus dem jenseits, aus jener mächtigen, unbekannten Welt, übertrug sich auf den Stamm.
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