Tanausú. Harald Braem

Tanausú - Harald Braem


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dieses Ödland?»

      «Oh, es ist reich an Trinkwasser, Holz und Früchten», antwortete de Lugo beflissen, «die Insel könnte ein guter Stützpunkt für unsere Flotte sein, Ausgangspunkt für die weitere Eroberungspolitik der Krone, Majestät.»

      «Hm, ich sehe, Ihr denkt vorausschauend und strategisch klug, aber dennoch bin ich nicht übermäßig entzückt … Sagtet Ihr Trinkwasser, Holz und Früchte? Diese Gaben der Natur mögen für anspruchslose Seeleute ja gewiss ganz nützlich sein, als erstrebenswerte Schätze für die Krone allerdings würde ich sie eher erbärmlich nennen, meint Ihr nicht?»

      De Lugo konnte ein hintergründiges Grinsen nicht unterdrücken. Diesen Einwand hatte er erwartet und war gründlich darauf vorbereitet.

      «Ihr habt völlig recht, Majestät, Euer sprichwörtlicher Scharfsinn hat Euch sogleich die richtige Fährte erkennen lassen», schmeichelte er. «Natürlich sind es nicht solche Dinge allein, die La Palma interessant machen …» Er beugte sich vor und senkte seine Stimme zu einem beschwörenden Raunen. «Es soll dort auch Gold geben, kostbare Edelsteine in Hülle und Fülle, dazu mancherlei andere wertvolle Raritäten im Innern der Erde …»

      «Ach, wirklich?» fragte Ferdinand. Wie von de Lugo vorausgesehen, erwachte schlagartig das Interesse des Königs. «O ja», nickte de Lugo. «Gold und Silber … wenn die Berichte stimmen, liegt auf der Insel ein unermesslicher Reichtum herum, der nur darauf wartet, von uns eingesammelt zu werden.»

      «Welche Berichte?»

      «Es handelt sich um die mündliche Aussage des Verwandten eines Seemanns, der auf der Insel war.»

      «Hm, reichlich vage, wie mir scheint.»

      «Dennoch könnte es sich als lohnend erweisen, den Sachverhalt an Ort und Stelle zu überprüfen, zumal, wie bereits schon erwähnt, die Insel einen ausgezeichneten Stützpunkt für unsere Flotte darstellt …»

      Der König nickte nachdenklich. Nach einer Weile des Schweigens räusperte er sich: «Geht nicht die Kunde von La Palma, dass die primitiven, gottlosen Wilden auf dieser Insel besonders kampflustig und gefährlich seien?»

      «Wenn Ihr erlaubt, Majestät: nicht gefährlicher als die Mauren von Granada.»

      «Aha, so schätzt Ihr die Lage ein … Andere vor Euch waren allerdings auch so optimistisch wie Ihr. Rüstete Peraza in Gomera nicht eine Expedition mit zweihundert spanischen Schützen aus, um La Palma zu besetzen – es müssen wohl gut vierzig Jahre her sein –, und ging das Heer damals nicht auf klägliche Weise zu Grunde?»

      «Das stimmt, Majestät», antwortete de Lugo. «Soweit ich informiert bin, schien die Sache gut vorbereitet, wurde aber schlecht durchgeführt. Perazas Sohn, der das Kommando hatte, war noch jung und im Kriegshandwerk wenig erfahren. Das muss wohl der Grund sein, warum er mit fast all seinen Leuten umkam.»

      «Oh, da tut Ihr dem jungen Helden herbes Unrecht an», unterbrach Isabella. «Nachträglich schmälert Ihr das Ansehen seiner Familie und werft Schande auf die Ehre des Guillén Peraza! Wisst Ihr nicht, wie sein Totengesang lautete, der damals gesungen wurde und bis heute ein bekanntes, gern gehörtes Gedicht in der feinen Gesellschaft ist? Es ist ein Lied, das zu Herzen geht und die Seele anrührt.»

      Und zu de Lugos größter Verwunderung rezitierte sie auswendig den Text:

      «Weint, ihr Damen,

      wenn ihr den Herrn verehrt.

      Guillén Peraza blieb auf La Palma,

      die welke Blume

      seines Antlitzes.

      Du bist nicht La Palma,

      die Siegespalme,

      bist Ginster,

      Zypresse

      trauriger Gestalt;

      du bist Unglück,

      böses Unglück.

      Traurige Vulkane sollen

      dein Land zerstören,

      nicht Freude, sondern

      Leid sollst du sehen,

      der Sand bedecke

      deine Blumen.

      Guillén Peraza!

      Guillén Peraza!

      Wo ist dein Schild?

      Wo ist deine Lanze?

      Alles beendet

      das böse Schicksal.»

      Nachdem sie geendet hatte, neigte de Lugo sein Haupt. Voll Bewunderung rief er aus: «Verzeiht meine Kühnheit, erlauchte Majestät. Diese tiefsinnigen Worte ergreifen selbst das Herz eines so rauen Kriegers wie mich, so dass ich auszusprechen wage: Ihr seid nicht nur die anmutigste und schönste Blume des Reiches, sondern, wie ich staunend feststellen muss, auch über die Maßen gebildet! Ja, Ihr habt ganz recht mit dem, was Ihr sagt, meine verehrungswürdige Herrin: Die Seele berührt dieses Lied! Und doch soll kein Schatten der Besorgnis auf Euch fallen, denn ich kann Euch, was die Insel und die geplante Landung angeht, voll und ganz beruhigen. Mir und den Leuten in meiner Obhut wird ein solches Schicksal, wie es das Lied mit erschreckenden Bildern beschreibt, nicht zuteil werden. Gut durchdacht ist der Plan, bestens vorbereitet das Unternehmen, wir alle besitzen von Gran Canaria her reichlich Erfahrung im Umgang mit diesen verderbten Wilden. Lasst mich der Vulkan sein, der strafend über das Land fällt, die Lava, die seine Blumen bedeckt, und Rache will ich nehmen für Guillén Peraza!»

      «Ihr sprecht mit dem Mut, den man von Euch gewohnt ist», mischte sich König Ferdinand wieder ein, um die Unterhaltung nicht zum Dialog zwischen diesem Soldaten und seiner Gemahlin werden zu lassen. Schließlich hatte auch er vor dem Gespräch Erkundigungen eingezogen und wollte nun mit seinem Wissen glänzen.

      «Ein gewisser Hernán Martel, Guillén Perazas Stellvertreter damals, der dem Blutbad mit dem Schiff nach Gomera entkam, brachte Kunde davon, dass die Eingeborenen auf La Palma zwar kein Metall kennen würden, also auch keine entsprechenden Waffen besäßen, schon gar keine Musketen, aber im Gelände durchaus überlegen seien. Besonders eine Schlucht erwähnt sein Bericht, wo sie von den Wilden mit Steinen und Holzlanzen angegriffen wurden. Glaubt Ihr denn, dass Ihr es schaffen werdet, in diesem schwierigen Terrain zurechtzukommen? Man sagte mir, es sei für Pferde beschwerlich, und an den Transport von Geschützen sei überhaupt nicht zu denken …»

      «Durchaus», antwortete de Lugo. Er blickte dem König fest ins Auge. «Eine Devise von mir lautet: niemals eine als nutzlos erkannte Taktik ein zweites Mal einsetzen. Ich darf Euch versichern, Majestät, wir haben im Krieg gegen die Guanchen auf Gran Canaria dazu gelernt und werden entsprechend ans Werk gehen. Mit Überraschung und List und, wenn es sein muss, auch mit einer Portion Diplomatie.»

      «Diplomatie bei Wilden? Heißt das nicht, man streut Perlen vor die Säue?»

      «Nicht, wenn es Glasperlen sind, Majestät, und man damit echte Schätze gewinnt.»

      König Ferdinand schmunzelte. Solche scharfzüngigen Antworten waren nach seinem Geschmack. Langsam begann er sich für den Plan zu erwärmen.

      «Aber versprecht Ihr auch, den schändlichen Tod des jungen Peraza zu rächen?» fragte Isabella bohrend. De Lugos Beteuerungen erschienen ihr noch immer zu vage, sie wollte konkrete Zusagen hören.

      «Ich gelobe es feierlich», sagte de Lugo. «Die Insel und ihre Bewohner werden eine Lektion erteilt bekommen, die sie so leicht nicht vergessen. Ihren Anführer werde ich in Ketten legen lassen und Euch persönlich überbringen. Wenn Eure Majestät es wünschen, soll er als seltenes Haustier in Eurer Menagerie ausgestellt werden, damit sich Eure Gäste daran ergötzen können.»

      «Wann wollt Ihr aufbrechen?» fragte Ferdinand dazwischen.

      «Ich habe davon gehört, Majestät, dass Cristóbal Colón mit seinen Schiffen in Kürze ausläuft …»

      Ferdinand winkte unwirsch ab. «Schweigt mir still von jenem weltfremden Fantasten.


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