NOLA Knights: His to Defend. Rhenna Morgan
nahm sie die Karte in die Hand und begutachtete den formellen Druck auf der Vorderseite – ein einfacher Hinweis auf Bogatyr Industries mit einer Telefonnummer, bevor sie sie umdrehte. Evette runzelte ihre Stirn und schaute auf. „Die werden mir helfen, einen Job zu finden?“
„Nein, sie werden Ihnen einen Job geben.“
„Aber die kennen mich doch gar nicht.“
Da war es wieder. Diese Unschuld. Diese Güte, die auf wundersame Weise von dem harten Leben, das sie führte, unberührt geblieben waren. Aber sie hatte auch einen eisernen Willen, eine Stärke, die er nur bewundern konnte.
Wenn er das durchziehen würde – wenn sie die Unterstützung akzeptierte, die er ihr zu geben beabsichtigte –, wäre er wohl ständig der Verführung ausgesetzt.
Doch sie würde sehr davon profitieren. Vielleicht würde sie endlich den Halt finden, den sie brauchte, um ihre Karriere im Modegeschäft zu starten, die sie wegen ihrer plötzlichen Schwangerschaft mit Emerson aufgegeben hatte. Dorothy hatte ihm das erzählt.
Er rutschte aus der Sitzecke, richtete seine Anzugjacke und knöpfte sie zu. „Sie haben mich um Hilfe gebeten, Ms. Labadie. Seien Sie morgen früh um neun Uhr da und Sie werden sie erhalten.“
Sie starrte zu ihm empor, ihre hübschen rosafarbenen Lippen leicht geöffnet und ihre Augen vor Staunen weit aufgerissen. Als hätte sie gerade einen Ritter auf einem Einhorn durch das Diner reiten sehen. Nach ein paar Sekunden voller Verblüffung schüttelte sie ihre Benommenheit ab und stand ebenfalls auf. Sie streckte ihre Hand aus. „Danke.“
Bozhe, aber sie war winzig. Bei seiner Größe von einem Meter dreiundneunzig reichte ihr Scheitel kaum bis an seine Brust. Und dank des Staunens und der aufrichtigen Dankbarkeit in ihrem Gesicht, die ihn anstrahlten, fühlte er sich erst recht wie ein Riese. Sergei nahm ihre Hand in seine, wobei deren schiere Größe die ihrige vollständig verschlang.
Zieh sie näher.
Lass sie deine Kraft spüren.
Zeig ihr, wie sicher sie sich bei dir fühlen kann.
Er schüttelte die ungewollten Gedanken ab und löste seinen Griff. „Danken Sie mir noch nicht, malen’kaya feya.“ Er drehte sich um und ging auf die Tür zu und auf seine Männer, die draußen auf ihn warteten.
„Warten Sie.“
Beim Klang der Dringlichkeit in ihrer Stimme blieb er in der halb geöffneten Tür stehen und drehte sich zu ihr um.
Sie eilte zu ihm. „Was bedeutet das? Dieses feya-Ding.“
Emerson saß auf dem Barhocker; seine Hausaufgaben waren wegen der Interaktion zwischen Sergei und seiner Mutter längst vergessen.
Sergei richtete seinen Blick auf Evette, und zum ersten Mal seit langer Zeit, konnte er sich gegen ein Lächeln nicht wehren. „Malen’kaya feya bedeutet ‚kleine Fee‘.“ Ohne auf eine Erwiderung zu warten, nickte er Emerson zu und ging nach draußen.
Umgehend flankierten seine Männer ihn rechts und links, und die drei machten sich gemeinsam auf den Weg zu dem marineblauen BMW, der am Ende des Blocks geparkt war.
Kir schaffte es bis zum Öffnen der Hintertür für Sergei, ehe seine Neugier siegte. „Und, was hat sie gewollt?“
„Einen Job. Sie braucht einen ab Montag.“ Sergei rutschte auf den Rücksitz, wohl wissend, dass er mit einer solch vagen Antwort niemals durchkommen würde. Sie waren zu lange zusammen, um Geheimnisse voreinander zu haben. Sie kämpften schon zu viele Jahre Seite an Seite, um nur mit dem absoluten Minimum an Antworten abgespeist zu werden.
Sobald Kir sich hinter das Lenkrad gesetzt hatte, torpedierte er ihn mit einer Nachfrage. „Wirst du einen für sie finden?“
„Das habe ich bereits.“
Kir und Roman wechselten einen Blick.
Roman drehte sich auf dem Beifahrersitz so weit, dass er Sergei über die Schulter hinweg ansehen konnte, und hob eine Augenbraue.
„Sie hat Erfahrung im Putzen“, sagte Sergei. „Sie ist kompetent und vertrauenswürdig, deshalb wird sie ab Montagmorgen mein Anwesen verwalten.“
Kapitel 3
Evette überprüfte einmal mehr die Adresse auf der Visitenkarte und dann die Hausnummer, die auf der coolen Plakette am schmiedeeisernen Zaun eingeätzt war.
Yep. Definitiv der richtige Ort.
Ihr Blick wanderte zurück zu dem massiven Plantagenhaus, das vor ihr stand. Mit seiner weißen Fassade und den klassischen runden Säulen gehörte es zum typischen Architekturstil, den jeder Besucher im Garden District von New Orleans erwartete. Die zweite Etage war wie eine Galerie aufgebaut, die sich perfekt dazu eignete, bei einem Mint Julep – einem Cocktail aus Bourbon, Minze und Zuckersirup – den Sonnenuntergang zu genießen.
Und es war riesig.
Wunderschön und atemberaubend in seiner majestätischen Schönheit.
Die Frage war, warum sie hier und nicht bei einem Geschäftsgebäude war. Ja, sie hatte schon vorher gewusst, dass die Adresse, die Sergei ihr gegeben hatte, im Garden District lag. Aber bis sie aus der historischen Saint-Charles-Straßenbahn ausgestiegen war, hatte sie nicht geahnt, dass die Adresse sie zu einem Haus führen würde.
Nein, kein Haus, Evie. Ein Haus war etwas für normale Leute. Das Ding hier war eine Villa, und ein Teil von ihr hatte Angst, überhaupt dort an der Haustür anzuklopfen.
Sie starrte hoch zu dem massiven Kronleuchter, der über der riesigen Eingangstür aus Mahagoni hing. Diese Tür war das Einzige, was zwischen ihr und einem Job stand. Sie konnte entweder auf dem Bürgersteig stehen bleiben und wie eine Touristin glotzen, oder den Mut aufbringen, es anzugehen.
„Nun, Ersteres wird dir nicht dabei helfen, dich um deinen Jungen zu kümmern“, murmelte sie leise. Sie presste die Lippen aufeinander und nahm die Schultern zurück. Toll gemacht, Evie. Sie haben wahrscheinlich überall Überwachungskameras, die direkt auf dich gerichtet sind. Lass sie ruhig sehen, dass du mit dir selbst laberst.
Sie ging mit der gleichen vorgetäuschten Zuversicht voran, die sie seit dem Tag, an dem sie mit Emerson aus dem Krankenhaus gekommen war, wie einen Panzer vor sich hertrug. Das war der Moment gewesen, in dem ihr klar geworden war, dass sie sich mehr aufgebürdet hatte, als sie tragen konnte. Es war allerdings etwas Wahres dran an der Phrase: Täusch es so lange vor, bis es tatsächlich klappt. Einen Tag nach dem anderen anzugehen und ihre unerbittliche Entschlossenheit hatten ihr geholfen, so weit zu kommen, und sie hatte nicht vor, jetzt zu kneifen.
Evie drückte auf die Klingel, und hinter der Tür ertönte ein Geräusch, das sich wie eine einzelne Kirchenglocke anhörte. Sie prüfte ein letztes Mal ihr Outfit, das aus einer engen schwarzen Hose mit Aufschlägen an den Knöcheln, einem ärmellosen, cremefarbenen Häkelshirt mit Herzausschnitt und unechten Perlenknöpfen bestand. Dazu trug sie einen passenden Blazer, der an den Unterarmen hochgerollt war, und elegante, allerdings nicht allzu hohe braune Pumps. Es waren alles qualitativ hochwertige Teile, die sie im Laufe der Jahre in Secondhandläden gekauft hatte, doch niemand außer ihr würde wissen, dass es gebrauchte Ware war. Zumindest nicht, wenn sie nicht gesehen hatten, wo sie wohnte. Sie hatte gedacht, der Look würde ihre wagemutige Ich-kann-das-Einstellung vermitteln, aber angesichts des Anwesens, vor dem sie nun stand, hätte sie vielleicht besser ein klassisches Kostüm wählen sollen.
Zu spät.
Sie war hier, und nach den schweren Schritten auf einer harten Oberfläche hinter der Tür zu urteilen, wurde es nun ernst.
Der Türknauf wurde gedreht.
Evie hob ihr Kinn an und strahlte mit ihrem Markenzeichenlächeln die Tür an.
Eine Sekunde später verblasste es. Der pure Schock, als Sergei auf sie herabblickte, wurde nur noch von der Tatsache