Der leiseste Verdacht - Schweden-Krimi. Helena Brink

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in Högdalen und Bromma habe ich das bis zur Verblödung gemacht«, sagte Roffe. »Jedes leere Fleckchen musste bepflanzt werden. Man konnte keinen Schritt mehr tun, ohne auf irgendwelchen Blumen herumzutrampeln. Von eigenen Gärten habe ich die Nase gestrichen voll. Da bewundere ich lieber, was andere zustande gebracht haben.«

      PM deutete auf die Plastiktüten. »Dauert es lange mit dem Essen?«

      »Kommt drauf an. Wenn du mir hilfst und nicht dauernd davonläufst, dauert es nur eine halbe Stunde. Bist du hungrig?«

      »Nicht besonders. Aber wenn wir uns beeilen, können wir noch draußen essen.«

      »Okay«, sagte Roffe. »Dann lass uns anfangen.«

      Sie gingen in die Küche, wo Roffe seine Tüten leerte.

      »Ich mache Spaghetti Carbonara, aber nach meinem eigenen Rezept«, sagte er. »Das ist einfach und lecker. Du hast doch Eier? Ich brauche vier Stück.«

      »Ja, sollen sogar frisch sein.«

      »Wollen wir’s hoffen. Ich brauche eine Bratpfanne und einen großen Kochtopf für die Spaghetti. Gut ... würdest du ihn mit Wasser füllen? Stopp, nicht so viel, die Nudeln brauchen auch noch Platz. Dann kannst du den Schinken würfeln.«

      Roffe arbeitete zügig und routiniert, während sein Gastgeber ihn nach Kräften unterstützte und sich bemühte, nicht im Weg zu stehen.

      »Was für Wein hast du mitgebracht?«, fragte PM.

      »Einen Chianti Ruffino zum Trinken und einen trockenen Weißen zum Kochen.«

      »Chianti habe ich auch noch. Wir können doch die Flaschen austauschen und eine von meinen nehmen, die schon eine Weile lagern?«

      »Gute Idee. Wenn du mit dem Schinken fertig bist, kannst du den Käse reiben. Ist zwar kein richtiger Parmesan, aber dieser tut’s auch. Ich habe ihn beim Käsehändler gekauft. Ansonsten ist Käse ja heutzutage ein trauriges Kapitel, vor allem in diesen riesigen Supermärkten. Hast du den Schinken gewürfelt? Die Zwiebeln sehen glasig aus. Also, hinein mit dem Schinken und einen ordentlichen Schuss Wein dazu. Ah, welch ein Duft! Jetzt könntest du noch ein paar Knoblauchzehen in Scheiben schneiden und dazugeben.«

      »Soll ich etwa alles tun?«, beklagte sich PM. »Ich dachte, du wolltest die Carbonara machen.«

      Roffe sah ihn streng an. »Ich mache die Carbonara, und du bist mein Assistent. Natürlich bin ich für das Resultat verantwortlich und werde dieses himmlische Gericht persönlich abschmecken. Und in meine Eiersauce darfst du mir ebenfalls nicht reinpfuschen. Aber nimm doch ein Glas Wein, wenn du überanstrengt bist, und schenk mir auch eines ein. Das regt den Appetit an. Ach, und gib mir doch bitte einen Schneebesen.«

      Schweigend kosteten sie den Wein. Dann begann Roffe nochmals in seinen Plastiktüten zu wühlen und rief aus: »Verdammt! Jetzt habe ich doch tatsächlich die Petersilie vergessen!«

      PM, der immer noch mit dem Schälen des Knoblauchs beschäftigt war, blickte auf und fragte: »Ist das so wichtig?«

      »Wichtig?« Roffe verdrehte die Augen. »Natürlich ist das wichtig. Ohne Petersilie ist es einfach nicht dasselbe.«

      »Ich kann dich beruhigen. Im Garten haben wir massenhaft Petersilie.«

      Roffe wäre vor Erleichterung fast in die Luft gesprungen. »Dann sind wir gerettet. Holst du uns einen ordentlichen Bund? Aber beeil dich, das Wasser kocht schon.«

      Er warf PM, der folgsam nach draußen trottete, einen langen Blick nach. Irgendetwas stimmte nicht mit ihm. Er wirkte gedämpft, beinahe teilnahmslos. Wohl kaum die geeignete Verfassung für schlechte Nachrichten. Aber was sollte er tun? Jemand musste schließlich mit ihm sprechen. Doch zuerst das Essen und ein paar Gläser Wein, dann würden sie reden.

      Nachdem die gehackte Petersilie mit geriebenem Käse, Schinken, geschlagenen Eiern und Knoblauch eine glückliche Verbindung eingegangen und mit den dampfenden Spaghetti vermischt worden war, sagte Roffe: »Jetzt kommt das Wichtigste, um dieses Gericht zu einer richtigen Carbonara zu machen.«

      Er griff behutsam zu seiner mitgebrachten Pfeffermühle und ließ einen dichten Regen gemahlenen schwarzen Pfeffers auf die gelbe Nudelmasse niedergehen. Er wirkte äußerst zufrieden.

      »Ja, so sieht das gut aus. Als hätte sich ein Kohlenhändler über der Schüssel am Kopf gekratzt.«

      Essen und Wein standen auf dem Gartentisch bereit. Der eine oder andere Seufzer sowie das leichte Klappern von Besteck und Gläsern waren die einzigen Geräusche, die anfangs zu hören waren. Beobachtet wurden sie von drei wohlerzogenen Katzen, die in gebührendem Abstand auf eventuelle Reste warteten. Die Vögel gaben ein frenetisches Abendkonzert, während die tief stehende Sonne den Garten in goldenes Licht tauchte.

      Nach einer Weile sagte Roffe: »Gar nicht so schlecht. Trink du den Wein aus. Ich muss noch fahren.«

      PM schaute auf und sagte anerkennend: »Schmeckt wirklich ausgezeichnet. Man merkt, dass du professionelle Hilfe hattest. Der Wein ist auch nicht zu verachten.«

      Roffe lehnte sich zurück und verschränkte die Hände hinter dem Nacken. »Kommst du manchmal zum Cellospielen?«, fragte er.

      PM stocherte mit einem abgebrochenen Zahnstocher in seinen Zähnen.

      »Manchmal spiele ich die Solosuiten von Bach, das ist alles«, sagte er. »Und du?«

      »Ich glaube, ich habe das Klavier seit einem Monat nicht angerührt. Es ärgert mich maßlos, aber ich komme einfach nicht dazu.«

      PM gab einen mürrischen Laut von sich. »Wer hindert dich denn? Es zwingt dich doch niemand, mehr als acht Stunden am Tag ein Bulle zu sein.«

      Roffe verzog säuerlich das Gesicht. »Fängst du jetzt auch noch an? Martin liegt mir schon ständig in den Ohren, ich würde zu viel arbeiten.«

      »Tust du ja auch. Nimm dir ab und zu mal frei. Komm mich besuchen, dann können wir zusammen spielen, so wie in alten Zeiten.«

      Roffe warf seinem Freund einen rätselhaften Blick zu und entgegnete: »Ab dem Herbst kann ich meine Arbeit vielleicht völlig umstrukturieren.«

      PM hob die Brauen. »Bist du dir darüber im Klaren, dass du seit zwei Jahren von dieser Umstrukturierung sprichst? Bis jetzt hat sie nur dazu geführt, dass du immer mehr um die Ohren hast.«

      »Ich weiß, aber jetzt wird sich vielleicht wirklich etwas verändern. Der Polizeidirektor lässt sich im Oktober pensionieren.«

      PM applaudierte. »Na endlich. Dann wirst du also befördert?«

      »Abwarten«, antwortete Roffe vorsichtig. Dann bemerkte er plötzlich die geduldig wartenden Katzen. »Wie viele Katzen habt ihr? Die gelbe erkenne ich wieder. Wie heißt sie noch gleich?«

      »Lady Pamela. Die anderen beiden sind ihre Kinder.«

      »Sie ist ganz schön dick.«

      »Ja, sie ist wieder trächtig.«

      »Warten sie etwa darauf, dass für sie etwas abfällt?«

      »Natürlich.« PM schaute in die Schüssel. »Willst du noch mehr haben? Ansonsten könnten sie doch den Rest bekommen.«

      »Also, ich bin satt«, sagte Roffe.

      »Wie wär’s mit einem Espresso?«

      »Hört sich gut an. Ich bleibe sitzen und lausche den Vögeln.«

      PM nahm die Essensreste und trug sie ins Haus. Die Katzen folgten ihm. Roffe hoffte inständig, der weitere Abend würde ebenso unbeschwert verlaufen, wie er begonnen hatte.

      Als sie kurz darauf vor ihren Kaffeetassen saßen, hatte die Dämmerung eingesetzt. Die Luft war immer noch mild, aber die Schatten waren länger geworden. PM stopfte seine Pfeife und steckte sie an. Roffe rückte ein Stück zur Seite, um dem Rauch zu entgehen, der seiner Meinung nach den Duft von Katharinas Blumenbeeten zerstörte.

      Nachdem sie eine Weile geschwiegen hatten,


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