Die Jungfrauen Sammelband. Grace Goodwin

Die Jungfrauen Sammelband - Grace Goodwin


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Wie es aussah, hatte die Realität uns schließlich doch eingeholt.

      Ich nahm ihre Hand, führte Cassie zu einer Kommunikationstafel und las die Identifikationsnummer der Person, die das Schiff anfunkte. Wer auch immer es war, verfügte zwar über die richtigen Protokolle und Codes, aber es war keiner meiner Reisebegleiter. Thorn, Jace und Flynn hatten eigene Codes und das hier war keiner davon. Ich fragte mich, ob mein Bruder oder die Sieben eine zweite Jägertruppe entsendet hatten, um sicherzustellen, dass die Suche und Gefangennahme so schnell wie möglich erledigt wurden.

      Normalerweise hätte ich mich bei der Vorstellung gesträubt. Mit Cassie an meiner Seite aber wollte ich zum allerersten Mal, dass diese Mission einfach nur vorbei war, damit ich sie mit nach Hause nehmen konnte.

      Ich betätigte das Kommunikationsgerät, damit wer auch immer das Schiff erreichen wollte, mich hören konnte. “Maddox hier. Ich höre.”

      “Ahh, Maddox. Lang ist’s her. Hast mich wohl so sehr vermisst, dass du mir bis zur Erde gefolgt bist?”

      Ich erstarrte, als Nerons kalte, unbeseelte Stimme den kleinen Raum erfüllte. Er sprach in perfektem Englisch und Cassie quetschte meine Hand. Sie trat näher, gab aber keinen Ton von sich.

      “Ich wünschte, ich könnte dasselbe behaupten, Neron. Warum treffen wir uns nicht irgendwo und du lieferst dich aus? Das würde es für uns beide so viel einfacher machen.”

      “Mich ausliefern?” Sein Gelächter hallte von den Wänden wider. “Du hast lange genug deine kleine menschliche Partnerin auf deinem Schiff gefickt. Da du aber so nett fragst, werde ich dich irgendwo treffen.”

      Der Kommunikationsbildschirm leuchtete auf und zeigte eine Landkarte an. Land, das ich nicht kannte. Cassie trat näher und studierte die Orte und Orientierungspunkte, als ob sie die Gegend wiedererkannte.

      “Zeit rauszukommen und zu spielen,” sprach Neron. Im Hintergrund war klar und deutlich eine schluchzende Frau zu hören und mein Magen wurde auf einmal schwer wie Blei. Dieses Spiel hatten wir früher bereits gespielt.

      Der Gedanke ließ mir das Blut in den Adern gefrieren. Ich war nicht besorgt, weil er wusste, wo ich war. Vielleicht hatte er die Männer in der Pension absichtlich getötet, um mich zum Schiff zurückzutreiben. Er wusste, dass ich hierher zurückkehren würde, um Cassie zu beschützen. Jetzt lockte er mich wieder aus dem Schiff heraus, um eine andere Menschenfrau zu retten, eine Frau, von der ich befürchtete, dass sie bereits lange vor meiner Ankunft tot sein würde. Er hatte die ganze Zeit über mit mir gespielt; vielleicht sogar seit seiner Flucht.

      Verdammt. Er mochte mir war einen Schritt voraus sein, aber das bedeutete nicht, dass er damit durchkommen würde. Dass er nicht durch meine Hände sterben würde.

      “Was willst du, Neron? Du weißt, dass ich dich schnappen muss. Die Sieben wollen dich zurück in die Minen von Incar verbannen, damit du für deine Verbrechen büßt.”

      “Und was willst du, Maddox?”

      Mir war klar, dass ich es nicht hätte sagen sollen, aber da hatten die Worte bereits meine Lippen verlassen. “Ich will deinen Kopf.”

      “Ja, so ist es. Ich gehe nicht nach Incar zurück. Die Erde gefällt mir. Vielleicht werde ich einfach hierbleiben und … mich mit der Bevölkerung anfreunden.”

      Entfernte Fußschritte auf Schotter waren zu hören, gefolgt vom haarsträubenden Schrei einer Frau.

      Ich wollte mit meiner Partnerin nach Everis aufbrechen und Neron weit hinter mir lassen. Ich hatte geglaubt, dass sie Erde zu rückständig war, damit er sich auf Dauer hier wohlfühlen könnte, aber ich hatte mich geirrt. Er gierte nach Macht, Herrschaft und dem mörderischen Kick. Seine überragenden Fähigkeiten machten ihn besser, schneller und cleverer als die Menschen. Er würde hier ein König sein. Niemand würde es mit ihm aufnehmen können und genau das genoss er. Er neckte mich damit.

      Ich spürte Cassies klammernden Griff, wollte sie aber nicht anblicken. Ich musste mich auf Neron konzentrieren und sie würde mich nur ablenken. Er war dabei eine Frau zu quälen. Ihre Schreie machten den Schmerz offensichtlich.

      “Hörst du ihr süßes Lied, Maddox?”

      Süßes Lied. Scheiße, Neron war echt geisteskrank. Ich musste die Erdenfrau retten. Ich konnte sie nicht in seinen üblen Fängen lassen, denn er würde sie töten, genau wie Maddie. Er wusste, dass ich nicht einfach wegschauen würde, dass ich ein Gewissen hatte. Eine Seele. Zähneknirschend antwortete ich ihm: “Ja.”

      “An den übermittelten Koordinaten befindet sich eine menschliche Behausung aus Baumstämmen. Du hast zwei Stunden Zeit, bis ich ihr das Fleisch von den Knochen reiße und sie dir überlasse. Und du kennst mich, Maddox, ich liebe es, wenn sie schreien.”

       Cassie

      Das einzige, was ich an Maddox’ Schiff toll fand—abgesehen vom Bad—war der lange Flur, der wie geschaffen war, um hin und her zu marschieren. Als Neron fertig war, war Maddox auf hundertachtzig gewesen. Ich wusste nicht alles, was zwischen den beiden vorgefallen war, aber Neron war dabei, ihn zu verspotten und quälte seinen Geist schlimmer als mit jeder physischen Wunde, und der ReGen-Stab würde ihm nicht helfen können. Nicht in dieser Sache.

      Ich hatte meine Mutter, also die einzige Person, die mich je geliebt hatte, verloren und war in einen Haushalt gezogen, der mir zwar eine nette Umgebung, Essen und Gesellschaft geboten hatte, aber keine Liebe. Oft sehnte ich mich nach dem, was hätte sein können, wenn meine Mutter gelebt hätte. Charles war gestorben und obwohl es mich bedrückte, dass er schon so früh dahingerafft worden war, so hatte ich bei seinem Tod auch eine gewisse Erleichterung empfunden. Ich hatte ihn nicht geliebt, ihn nicht begehrt, wie es hätte sein sollen. Ich hatte mich nach dem Warum gefragt und viele schlaflose Nächte damit verbracht mich zu fragen, ob ich frigide oder beschädigt oder einfach unfähig war, zu lieben.

      Aber jetzt wusste ich, dass ich einfach nur warten musste. Warten, bis Maddox zu mir kam. Unsere Verbindung war das Großartigste überhaupt und ich wollte, dass es niemals aufhörte. Ich wollte nicht mehr ohne Maddox sein. Das war der Grund, warum ich jetzt in Sorge war.

      Er war losgezogen, um Neron zu konfrontieren, einen außerirdischen Gangster, der Maddox dermaßen hasste, dass er ihn tot sehen wollte. Tot! Und ich hatte Maddox einfach gehen lassen, war wie ein braves Mädchen zurückgeblieben und hatte meinen Mann alleine in die Schlacht ziehen lassen.

      Maddox hatte darauf bestanden, aber mir gefiel es nicht. Ich bewunderte seine Entschlossenheit, Nerons Geisel zu retten. Es war sein … gutes Herz, in das ich mich so sehr verliebt hatte, weswegen ich ihm total vertraute. Ich konnte ihm diesen Teil von ihm nicht absprechen und so hatte ich ihn gehenlassen. Widerwillig und mit einem sehr frustrierenden Kuss.

      Er hatte mir versichert, dass ich auf dem Schiff sicher war, dass die Wände undurchdringbar waren. Nur die anderen Jäger konnten sich Zutritt verschaffen. Das beruhigte mich zwar, aber sobald ich aus den Fenstern blickte, sah ich meine Welt. Mein grasendes Pferd, die Bienen, die um die Wildblumen herum summten—alles wirkte so friedlich. Das vertraute Grasland. Die zerklüfteten Berge. Der hellblaue Himmel und die Vögel.

      Sicher, perfekt, und eine Illusion. Gefahr lauerte.

      Die Landschaft war mir dermaßen vertraut und doch gehörte ich nicht länger zu ihr. Ich gehörte jetzt zu Maddox. Gerne sogar. Sicher, die Vorstellung die Erde zu verlassen war beängstigend. Es war beängstigend mir vorzustellen, dass dieses Raumschiff vom Boden abheben und wie ein Adler durch die Luft fliegen würde. Ich wusste nicht, wie das überhaupt möglich war, aber ich stellte es nicht länger infrage. Das Wunder des ReGen-Stabs verstand ich ebenso wenig, aber das bedeutete nicht, dass es nicht funktionierte oder nicht echt war und ich fragte mich, welch andere Wunder ich auf Maddox’ Welt noch entdecken würde.

      Aber solange Maddox nicht Neron beseitigt und diese arme Frau gerettet hatte, würden wir nirgendwo hingehen. Ich verspürte keinerlei Reue, weil ich Neron den Tod wünschte. Ich musste nur abwarten, also studierte


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