Die Auslöschung jüdischen Lebens in Kirchberg/Hunsrück in der Zeit des Nationalsozialismus. Группа авторов

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Herzen darüber stolpern.

      Damit geben Stolpersteine auch eine Antwort darauf, wenn heute in gewissen Kreisen die Forderung fast schon wieder salonfähig erscheint, man müsse doch endlich einen Schlussstrich ziehen, der „Schuldkult“ müsse nun ein Ende haben. – Nein, es geht doch gar nicht mehr darum, dass sich die Deutschen heute schuldig fühlen sollen. Das müssen die allermeisten nicht mehr, aber aus der Vergangenheit erwächst uns eine bleibende Verantwortung, die Erinnerung wachzuhalten.

      Gestatten Sie noch ein persönliches Wort! Dies ist nun schon die zweite Stolpersteinverlegung, die ich aus der Nahperspektive miterleben darf. In meiner Heimatstadt Mönchengladbach wurden 2006 die ersten Stolpersteine verlegt; mein Vater Dr. Claus-Dieter Clausen war damals Vorsitzender der dortigen Christlich-Jüdischen Gesellschaft. Warum ich das hier überhaupt erwähne? Zum einen, um zu betonen, wie wenig wir uns hier in der Kleinstadt Kirchberg verstecken müssen. Gewiss sind wir zeitlich später als viele Großstädte, aber so ein – ich darf wohl sagen – grandioses Begleitprogramm aus Vorträgen, Zeitzeugengesprächen, einer fertig vorliegenden Broschüre, einem bewegenden Gottesdienst gestern und heute einer musikalisch umrahmten Veranstaltung hat vor zehn Jahren selbst die Großstadt Mönchengladbach – trotz aller Mühe – so nicht hinbekommen, und ich vermute, manch anderer Ort auch nicht.

      Zum anderen geht aus meinen Unterlagen von vor einem guten Jahrzehnt hervor, dass damals 7000 Stolpersteine über 130 Gemeinden verlegt waren. Heute sind es über 61.000 Stolpersteine in über 1100 Gemeinden. Das zeigt das erfreuliche Wachstum des Projektes, es zeigt aber auch das ungeheuerliche Ausmaß des nationalsozialsozialistischen Verbrechens: Denn bei 6 Millionen ermordeten Juden decken 61.000 Stolpersteine erst ungefähr 1% der jüdischen Opfer ab – es kommt aber noch hinzu, dass Stolpersteine ja auch noch für andere Verfolgte des NS-Regimes gesetzt werden dürfen und sollen: Sinti und Roma, Euthanasieopfer, politische und weitere Verfolgte, was die Zahl der möglichen Stolpersteine noch einmal deutlich erhöht.

      Es gibt also noch viel zu tun, auch in Kirchberg, wo in Zukunft noch weitere Stolpersteine verlegt werden sollen. Aber die Verlegung von Stolpersteinen ist ja ohnehin kein Schlusspunkt, sondern ein Ausgangspunkt – für eine lebendige Erinnerungskultur. Denn wie wir alles wissen, das Geheimnis der Erlösung heißt Erinnerung. Ich danke Ihnen!

      Gunter Demnig verlegt Stolpersteine vor dem Haus Marktplatz 8 in Kirchberg.

       Fotos von Jens Peter Clausen

      Seit vielen Jahren nehmen Schülerinnen und Schüler der KGS Kirchberg an einer vom Förderkreis Synagoge Laufersweiler jährlich organisierten Studienfahrt nach Krakau und Auschwitz teil. Im Jahre 2018 stieg die Teilnehmerzahl auf über 60. Sie können in Auschwitz sehen, unter welchen Umständen auch Kirchberger Bürger leben oder sterben mussten. Im Krakauer ehemals jüdischen Viertel Kazimierz erleben sie zudem wohin Ausgrenzung, Hass und nazistisches Gedankengut führen.

      1. Das Eingangstor von Auschwitz-Birkenau – ein Symbol für Unmenschlichkeit. 2. Rundgang mit Janusz Wlusiak über das ehemalige Vernichtungslager. 3. Die Schuhe gehörten Menschen. 4. See, in den die Asche von Ermordeten geschüttet wurde. 5. Namenslisten aller in Auschwitz Ermordeten; 2017 fand eine Kirchberger Schülerin die Namen von Verwandten. 6. Krakau, Kazimierz: Grab des Krakauer Rabbiners Moses Isserles („Remuh“, 16. Jh.).

      Kilian Schuch und Marie Koop

       An was erinnern Sie sich konkret aus Ihrer Kindheit in Kirchberg, z.B. Spielkameraden?

       Kilian Schuch und Marie Koop beim Interview mit Harry Raymon

      Ich erinnere mich daran, dass ich hier in die Schule gegangen bin. Ob ich mich wirklich daran erinnere oder ob es ein Foto ist, das ich zu Hause habe, ob das die Erinnerung ist, kann ich Dir nicht genau sagen.

      Ich erinnere mich allerdings an den Tag, an dem wir im Schulsystem alle aufstehen und zur Begrüßung „Heil Hitler“ sagen mussten. Dass dies vorbereitet wurde, hatte meine Mama erfahren und hatte ein Agreement mit dem Lehrer Willms gemacht, dass ich nicht aufstehen und die Hand heben musste. Das bedeutete, dass die ganze Klasser aufstand und ich blieb sitzen. Das war eben unangenehm. Also, meine Erinnerungen an Kirchberg sind nicht unbedingt die besten.

       Können Sie sich an Ihre Flucht in die USA erinnern?

      Flucht ist vielleicht in unserem Fall der falsche Begriff. Unter Flucht stellt man sich vor, dass man irgendwie vor Leuten wegläuft, die einen verfolgen. Bei uns zog sich das in die Länge. So richtig habe ich das wahrscheinlich gar nicht mitgekriegt, ich war neun Jahre alt. In Deutschland ist es auch üblich, dass die Eltern einem auch nicht die ganze Wahrheit sagen oder überhaupt die ganze Situation erklären. Die Idee „Amerika“ kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen. Wenn man sich das damals vorstellte, dann muss man daran denken, dass die meisten Kirchberger nicht weiter raus kamen als bis Denzen. Das war ein Abenteuer. Und es kam auf die Stimmung der Eltern an, wie man dann selber gestimmt war. Welche Erinnerung hat man denn als Kind überhaupt? Wisst Ihr noch, wie Euer erster Schultag war und solche Dinge? [Unverständliche Antwort der Interviewerin]… Also, ich bin 91, O.K.?

       Wie war es in den USA? Was haben Sie dort gemacht?

      Zuerst musste man die Sprache lernen. Ich bin vom ersten Tag an in die Schule gegangen und hab´ kein Wort verstanden. Allerdings war ich ganz gut im Rechnen. Meine Mitschüler waren eine ganze Zeit hinter dem, was ich schon in der Schule gelernt hatte, was Rechnen anging. Durch Verwandte lebten wir in einer sehr guten Gegend in New York, in Brooklyn. Die Schule ging immer bis drei Uhr mittags. Für mich war das Dollste überhaupt in Amerika, dass ich ins Kino gehen durfte. Und zwar am Samstag, wo ein Doppel-Feature gezeigt wurde, für 10 Cent. Und diese 10 Cent sparte ich mir, um ins Kino gehen zu können. Und da sind mir heute noch eine ganze Reihe von Filmen geläufig.

      In Stuttgart gründete Harry Heymann (Raymon) 1951 das Pantomimentheater „Die Gaukler“.

       Warum sind Sie wieder zurück nach Deutschland gekommen?

      Unfreiwillig! Nachdem ich die Möglichkeit hatte, eine Ausbildung in New York als Schauspieler zu haben - zwei Jahre dauerte die Ausbildung - wäre dann die nächste Etappe gewesen, dass man sich vorstellen, vorsprechen musste. Ich hatte aber durch Zufall einen französischen Film gesehen, der hieß und heißt „Kinder des Olymp“. Ein Film, der im Moment – wie mir scheint, vergessen ist – und da geht es um Pantomime. Die Hauptrolle spielt ein Schauspieler, als Pantomime, das heißt Schauspielen ohne Sprache, den es wirklich gegeben hat. Mich hat diese Kunst der Pantomime so begeistert, dass ich von meinem Geld, das ich übrig hatte aus der amerikanischen Armee, sofort ein Schiff gebucht habe nach Frankreich.

      Ich hab´ zuerst Französisch gelernt – es gab eine Zeit, in der ich fließend Französisch sprechen konnte. Es gab aber keine Schule für Pantomime, es gab nur ein Theater und es gab einen sehr prominenten Pantomimen, Marcel Marceau – der wird Euch kein Begriff sein. Der hatte eine eigene Gruppe und ich trainierte. Ich hab´ dann mit 20 Jahren erfahren, dass es so was gibt wie Tanz und Ballett. Das hat mich auch begeistert, seitdem trainiere ich das noch. Wenn ich gefragt werde, warum ich mich nicht wie ein 91-Jähriger bewege, dann hat das bestimmt etwas damit zu tun.

      Auf jeden Fall – ich verletzte mich. Aber die Absicht, nach Amerika zurück zu gehen, hatte ich nicht. Ich hätte mich in New York bewerben müssen, auch das hätte bedeutet: tanzen können, singen können, sprechen können. Und da das mit der Bewegung Schwierigkeiten machte, wegen


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