Fabian Boll - Das Herz von St. Pauli. Hermann economist Schmidt

Fabian Boll - Das Herz von St. Pauli - Hermann economist Schmidt


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Laurel, der Schlagersänger Klaus Lage, der BVB-Meistertrainer Jürgen Klopp und der Autor der „Love Story“, Erich Segal, Geburtstag. In Irland ist der 16. Juni ein Feiertag, der sogenannte Bloomsday, und der Bloomsday ist in Irland mindestens gleichbedeutend mit dem St. Patrick’s Day. Im Roman „Ulysses“ von James Joyce wird der Ablauf des 16. Juni 1904 im Leben der Hauptfigur Leopold Bloom minutiös beschrieben. Der 16. Juni ist damit auch der einzige Feiertag weltweit, der einem Roman gewidmet ist. Die Dubliner nehmen an diesem Tag ein Bad am Sandycove, sie essen ein Gorgonzola-Brot in Davy Byrne’s Pub und trinken dazu ein Glas Burgunder. Gegen Abend gehen sie zum Strand von Sandymount, um sich dort „unanständigen Dingen hinzugeben“, wie es in einschlägigen Veröffentlichungen beschrieben ist.

      Im beschaulichen Holstein, dem südlichen Teil des Bundeslandes zwischen den Meeren, geht es etwas gemächlicher zu als im fernen Dublin. Der 16. Juni 1979 ist der Geburtstag von Fabian Boll. Am Samstag, dem 16. Juni 1979 um 18:01 Uhr, pünktlich zur ARD-„Sportschau“, wird Fabian im Krankenhaus der Karl-May-Festspielstadt Bad Segeberg als zweites Kind der Familie Thomas und Gerlind Boll geboren. Gerlind Boll, Tochter eines Kripobeamten aus Lübeck mit sächsischen Vorfahren, ist gebürtig aus Bad Segeberg. Sie hat ihren Mann Thomas, einen Bundesgrenzschutzbeamten, auf einer Geburtstagsparty in Itzehoe kennengelernt. Das erste Kind der Bolls, Sebastian, war 1977 zur Welt gekommen.

      Die Familie des Vaters Thomas Boll ist seit Urzeiten in Schleswig-Holstein beheimatet. Fabians und Sebastians Großvater Theodor Boll arbeitete einst als Geschäftsführer auf der damaligen „Peterswerft“ in Wewelsfleth. Seit Generationen waren die Bolls in jenem schönen Ort in den Elbmarschen ansässig, in dem der Nobelpreisträger Günter Grass in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts seinen weltberühmten Roman „Der Butt“ geschrieben hat. Über lange Zeit, so erinnert sich Fabian Boll an die Kindheit, traf sich der gesamte Clan der Bolls einmal im Jahr traditionell über ein gesamtes Wochenende von Freitag bis Sonntag in Wewelsfleth: Großeltern, Eltern, Onkel, Tanten, Cousins und Cousinen. Es wurden Nachtwanderungen unternommen, man ging zusammen zum Friedhof. Oma und die Mütter kochten für alle, und bei schönem Wetter wurde gegrillt. An sonnigen Tagen fuhr man gemeinsam zum Elbdeich, um die vorbeifahrenden Schiffe zu beobachten.

      Von Wewelsfleth, wo das Flüsschen Stör in die Elbe mündet, ist Thomas Boll aus beruflichen Gründen in den Kreis Segeberg gezogen, nach Wahlstedt, einem Ort in der Nähe von Bad Segeberg. Die Mitglieder des Wahlstedter Sportvereins besorgten dem hoch aufgeschossenen und sehr begabten Auswahl-Torwart aus dem Kreis Steinburg eine Wohnung und seiner Frau eine Arbeitsstelle in einem Büro, und somit trat er nun Sonntag für Sonntag für den dortigen Fußballklub, den Bezirksligisten SV Wahlstedt, an. Alsbald hatte sich in Bad Segeberg und Umgebung herumgesprochen, dass der Keeper der Wahlstedter nicht nur ein Klasse-Tormann, sondern auch ein herausragender Faustballer war. Diese Sportart war bei den Grenzschützern besonders beliebt und wurde im BGS neben Fußball und Handball besonders gefördert. Das Talent und die Begeisterung für beide Sportarten wusste der Vater später auch an seine beiden Söhne weiterzuvermitteln.

      Kurze Zeit nach der Geburt Fabians zogen die Bolls nach Bad Bramstedt. Dort hatten die Eltern ein Reihenhaus in der Schillerstraße gekauft. Das Reihenendhaus der Familie Boll liegt auf einem kleinen Hügel in einer Art Siedlung, in der alle Straßen nach berühmten Schriftstellern benannt sind, nach Goethe, Schiller und Thomas Mann. Um zur Haustür der Bolls zu gelangen, geht man ein paar Stufen hinauf und betritt eine Wohnstatt, die picobello aufgeräumt ist. Da könnte man vom Fußboden essen, denkt der Besucher. Auch der Vorgarten ist ordentlich und sauber, ganz so, wie man sich das bei einem Beamten in deutschen Landen vorstellt. Im Vorgarten ist ein Fahnenmast aufgestellt, den Fabian und Sebastian dem Vater zum 60. Geburtstag geschenkt haben. Da weht die Vereinsfahne des FC St. Pauli, an Spieltagen die Piratenflagge, an ganz normalen Tagen die braun-weiße Fahne mit dem Wappen, so haben sich die Söhne das gedacht. Manchmal hängt aber auch das auf eine Fahne geprägte Familienwappen der Bolls am Mast. Inzwischen wurde die Fahne sogar schon zweimal geklaut, weshalb sie nun abends eingeholt und jeden Morgen aufs Neue gehisst wird. Nach dem Abstieg im Jahr 2011 hing die Fahne eine Woche lang auf halbmast. Die Bolls jedenfalls zeigen Flagge!

      Ganz sicher war Fabian Boll als Kind und als Jugendlicher besonders harmoniebedürftig gewesen. So erzählen es sowohl die Eltern als auch die Trainer der damaligen Jugendmannschaften. Fabian wuchs in einer Familie auf, in der die wenigen Konflikte, die es sicher auch einmal gegeben haben dürfte, vernünftig miteinander gelöst wurden. Das Elternhaus Fabian Bolls war liberal und fortschrittlich, keineswegs konservativ, und wenn, dann allenfalls dort, wo es um die Tugenden ging, ohne die ein vernünftiges Zusammenleben zwischen Menschen nicht möglich ist. Es sind dies die Eigenschaften, die von Möchtegern-Linken so oft als „Sekundärtugenden“ geschmäht wurden. Die Eltern Gerlind und Thomas Boll erzogen ihre Kinder stets in dem Bewusstsein, dass jeder seinen eigenen Weg gehen muss und jeder sein eigenes Leben führt. Wer die Bolls kennenlernt und sie zu Hause in Bad Bramstedt besucht, spürt sofort, dass die Welt dieser Familie in Ordnung war und ist. Entgegen allen herkömmlichen Bildern, die sich viele Menschen von einer Familie machen, in der seit Generationen Polizisten oder Bundesgrenzschutzbeamte als Familienoberhaupt agieren, entspricht die freundliche und tolerante Atmosphäre im Bad Bramstedter Reihenhaus genau dem Gegenteil solcher Vorurteile: Statt preußischer Tugenden gilt hier das Prinzip „leben und leben lassen“ in gegenseitiger Rücksichtnahme. Strenge war gewiss nicht der oberste Grundsatz in der Erziehung. Wenn es doch mal zu einem Streit zwischen Sebastian und Fabian kam, schickte der Vater die beiden Söhne auf ihr Zimmer. Es konnte dann auch durchaus mal passieren, dass Fabian sich wütend bemerkbar machte, mit dem Fuß aufstampfte oder irgendein Spielzeug oder Kleinmöbel an die Wand oder auf den Boden feuerte. Hatten sich die Gemüter dann aber wieder beruhigt, fanden die beiden Jungen rasch wieder zueinander. Meist ging die Friedensoffensive von „Seele“ Sebastian aus. „Die Erziehung durch unsere Eltern war nicht autoritär, aber es gab Regeln“, sagt er. Und fügt dann hinzu, dass es bei den Bolls von jeher einen ausgeprägten Familiensinn gibt.

      Ein wesentliches Bindeglied zwischen Vater, Mutter, Fabian und Sebastian war der Sport. Da beide Söhne beim Faustball und beim Fußball gemeinsam in einer Mannschaft spielten, konnte die Begleitung zu den Spielen leichter organisiert werden. Sie spielten schon als Kinder sowohl im Fußball als auch im Faustball in Mannschaften der Bramstedter TS. Im Faustball schafften sie es bis in die Landesauswahl und spielten um die Deutsche Meisterschaft mit. Das Jugendteam der Bramstedter Faustballer war kurioserweise personell fast immer identisch mit der Fußballmannschaft der Turnerschaft. War schon der ältere Sohn Sebastian allen Ballspielen zugetan, so wurde er von seinem jüngeren Bruder noch übertroffen. Fabian, als kleiner Junge ein norddeutscher Blondschopf, ließ für jeden Kenner schon im Ansatz keinen Zweifel daran, dass er es als Fußballer einmal weiterbringen könnte als ein durchschnittlich begabter Kicker vom Lande. Frühe Fotos zeigen seine perfekte Schusshaltung. Die damalige Statur des Fünfjährigen ließ lustigerweise allerdings eher vermuten, dass hier ein holsteinischer Buffy Ettmayer heranwächst. In den unmittelbar folgenden Jahren allerdings war Fabian bis zur C- Jugend immer der kleinste und schmächtigste Junge in seinen Mannschaften. Den asketischen Athleten, den Fabian einmal als erwachsener Spieler verkörpern würde, kann man auf den Kinderfotos jedenfalls nicht erkennen.

      Seit die Kinder im Sportverein angemeldet waren, verbrachte die Familie Boll ihre Wochenenden in den Sporthallen oder auf dem Fußballplatz. Vater und Söhne waren auf den Plätzen aktiv, die Mutter verkaufte als freiwillige Helferin des Vereins Kaffee und Kuchen an die Kinder und deren Eltern. Während der Woche rannten die beiden Brüder in jeder freien Minute zum Bolzplatz im Viertel. Rund 500 Meter waren es bis dahin. Manchmal spielten sie auch auf einem größeren Parkplatz in der Nähe des Elternhauses. Die Linien wurden mit Sand aus einem Streusandbehälter markiert, den die Jungen sich „borgten“. In den Ferien vergaßen die Jungen Zeit und Raum, weil sie stundenlang Fußball spielten. Drei Ecken, ein Elfer. Drei gegen zwei, für Fabian war der Fußball von Anfang an das Wichtigste in seinem Leben. Doch wenn Mutter Gerlind mit den Fingern pfiff – das konnte sie besser als jeder Kerl –, dann marschierten Sebastian und Fabian flugs nach Hause. Selbst wenn es – wie so oft im hohen Norden des Landes – Bindfäden regnete, wurde gekickt, und zwar im Wohnzimmer, und nicht selten unter Beteiligung des Vaters, der es einmal sogar schaffte, die Wohnzimmerlampe mit dem Ball von der Decke zu holen. Wenn aus


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