Insomnia : Savannas Geheimnis. Barbara Voors
notieren.« Pause und ein schlecht verborgenes Lächeln. »Unverzeihlich. Haßt du mich schon?«
»Ja.«
Er sieht zufrieden aus; er weiß, daß ich lüge. Denn gerade als er über das Absurde in dem Ganzen – nicht über meine Angst, lachte, da begriff ich, daß er ein Mann ist, von dem ich etwas halten konnte. Ich weiß nur noch nicht, was.
Der Rest des Abends vergeht mit kurzen Fragen und kurzen Antworten. Ich habe Ausdrucke der Briefe mitgebracht, sie scheinen ihn ein wenig nervös zu machen. Ich selbst versuche ruhig zu bleiben. Sache und Person. Das hier ist etwas, das jemandem zustößt. Daß dieser Jemand ich bin, ist im Moment nicht von Interesse. »Wann fing das mit den E-Mails an?« fragt Jack. »Und das Gefühl, verfolgt zu werden?« Ob meine Adressen leicht zu finden sind? Was könnte ich gesehen haben? Und wen? Worauf beruht meine Angst?
Meine Antworten bringen uns nicht weiter. Wir schauen beide auf seinen Block, wo nur wenige Sätze stehen, die meisten versehen mit Fragezeichen. Ich fühle, daß sich auf meiner Stirn eine kleine Sorgenfalte gebildet hat, auch Martin hatte so eine. Morgens saßen wir, einer das Ebenbild des anderen, am Tisch, die Falte wie ein Vorwurf auf der Stirn: Was für eine Zeit, um aufzuwachen?
»Und die Schlaflosigkeit?«
»Erspar mir, darauf einzugehen«, protestiere ich.
»Sicher. Aber wann hat sie angefangen?«
»Vor drei Monaten.«
»Und die E-Mails?«
»Die erste kam vielleicht drei Wochen später.«
»Also war die Schlaflosigkeit zuerst da. Woran kann das liegen?«
»Glaub mir, ich habe versucht es zu verstehen. Ja, ich habe alles probiert.«
»Ich glaube dir«, sagt er nur.
»Und komm jetzt nicht mit solch stereotypen Sätzen wie: ›Krisen bringen einen voran.‹ Die habe ich schon früher gehört, in völlig falschem Zusammenhang.«
»Ich tue alles, was du willst, wenn du dadurch nur mein Benehmen vergißt. Allerdings möchte ich noch eins sagen. Was will die Schlaflosigkeit von dir? Hast du darüber nachgedacht, ob sie dir vielleicht etwas sagen will?«
Sein aufmerksamer Blick ruht auf mir, ein kleiner Span Grün in all dem Blauen, gleich links von der Iris. Seine Unterlippe ist ungewöhnlich dick, als wäre ihm irgendwann die Kofferraumklappe dagegengeschlagen und die Schwellung nie richtig zurückgegangen – trotz Unmengen von Eis. Eine schwindelerregende Lust, mich an dieser Unterlippe festzusaugen, zwingt mich, daß ich mir auf die eigene beiße. Savanna, bitte!
»Weiß nicht, sage ich nur«, erneut wie paralysiert.
»Ich meine folgendes: Vielleicht hast du wirklich etwas gesehen, hast jemanden erschreckt, bist bei irgend etwas dabeigewesen, das für jemanden viel bedeutet, ohne daß du es registriert hast.«
»Aber?«
»Aber dein, nennen wir es, Unterbewußtsein hat es erfaßt, hat die Gefahr begriffen und läßt dich nicht schlafen ... Bis du das Problem gelöst hast.«
»Da ist noch etwas«, sage ich nachdenklich. »Der die Briefe schreibt, hat nicht begriffen, daß ich tatsächlich nichts gesehen oder auch nur eine Ahnung davon habe, was ihn zu bedrohen scheint. Falls oder als wir aufeinandergetroffen sind, muß es ihm obendrein so erschienen sein, als würde ich ihn zum besten halten, weil ich, in seinen Augen, in jenem Moment so tat, als wäre nichts.«
So einfach: Zusammenhang, Analyse, Schlußfolgerung. Sache und Person.
»Soll ich mir Sorgen machen, Herr Kriminalinspektor?« frage ich, in einem Versuch zu scherzen.
»Das ist schwer zu beantworten. Ein wenig vorsichtig sein, vielleicht, und etwas aufmerksamer.«
»Das fällt schwer ...«
»Wenn man nicht schlafen kann, ich weiß«, ergänzt er. »Aber ruf mich an, wenn sich was Neues ergibt. So was kann sich von selbst erledigen, wenn nicht aus anderem Grund, dann weil er begreift, daß du wirklich nichts weißt.«
Er gibt mir seine Karte. Darauf das kleine Wappen der Polizei. Ich kenne es seit der Kissenzeit.
Wir stehen wieder draußen auf dem Platz. Der Abend ist kühler geworden. Niemand hat einen warmen Pullover dabei – schließlich ist Sommer! Wir legen die Arme um den Körper, um die Wärme zu halten.
»Wie gesagt«, erklärt er, und keiner von uns weiß, was er meint.
Er nimmt meine Hand, drückt sie einen Moment, dreht sich um und geht. Trotz der Sportlichkeit hat er im Augenblick nicht das Bedürfnis, seine physische Energie zu zeigen. Also das war David Fawlkners Sohn. Eine neue Visitenkarte unter dem Kopfkissen? Mit einem Gefühl kindlichen Protestes werfe ich sie in den Papierkorb neben meinem Rad. Ich kann selbst.
Da höre ich ihn über den Platz kommen, er ist kaum außer Atem, obwohl er gerannt sein muß.
»Entschuldige, ich weiß es nicht mehr, habe ich dir meine Karte gegeben?«
Diese Haare. Ich würde ihre Länge so gern mit meinen Fingerspitzen messen. Ist sein Rasierapparat genauso eingestellt wie der von Sam? Nur um die Fakten zu klären. Einen Moment meine Finger in seinem Haar, und ich wüßte Bescheid. Ein Augenblick voller Weichheit.
»Nein. Nein, das hast du nicht.«
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