Die Reichen. Artur Hermann Landsberger
meinte Elisabeth. „Da gibt es einen Skandal — und ich habe Rücksicht auf meinen Papa zu nehmen.“
„Dann in Baden-Baden“, erwiderte Resi. „Ich wüßte jedenfalls sonst keinen Ort in Deutschland, an dem wir um die Jahreszeit nicht auf Bekannte stoßen und trotzdem den Komfort haben, den wir gewöhnt sind.“
„Aber ich kenne einen!“ sagte Elisabeth und schlug Bad Eilsen bei Hannover vor. „Der schönste Golfplatz ...“
„Wir wollen Tennis spielen.“
„... gute Tennisplätze, das bestgeführte Hotel — vor allem aber wenig Berliner, die diese Perle scheinbar noch nicht entdeckt haben.“
Und da alle begierig waren, dieses Bad kennenzulernen, so ließ Resi mitten in der Nacht eine Verbindung mit dem „Hotel Fürstenhof“ in Bad Eilsen herstellen und verlangte den Generaldirektor Sonnenhof zu sprechen.
„Ich werde Sie mit dem Direktor verbinden.“
„Dem Generaldirektor!“ wiederholte Resi.
Der Nachtportier stellte die Verbindung her.
„Hier Resi v. Rosen-Geldberg. Sagen Sie, Sonnenhöfchen, seit wann schlafen Sie denn mitten am Tage?“
„Aber es ist doch mitten in der Nacht.“
„Gott, was sehen Sie komisch aus!“
„Frau Baronin können mich doch gar nicht sehen!“
„Natürlich kann ich. Also hören Sie, Sonnenhöfchen — Ihr Name ist übrigens köstlich — aber nur bei gutem Wetter ...“
„Ich wüßte wirklich gern, was mir um drei Uhr nachts die Ehre verschafft ...“
„Regen Sie sich nicht auf — sondern notieren Sie — Sie haben doch einen Block am Bett?“ —
„Also was, bitte, soll ich notieren?“
„Daß ich mit einer ganzen Horde morgen nacht ...“
„Mit welchem Zuge?“
„In Autos natürlich — bei Ihnen eintrudle. Und zwar drei Barone v. Rosen-Geldberg mit ihren Frauen, Zofen, Dienern, Chauffeuren, Autos.“
„Was darf ich belegen?“
„Drei Appartements mit je einem Salon, zwei Schlafzimmern und Bädern und das Nötige für die Dienerschaft.“
„Und auf wie lange?“
„Für eine Nacht und den darauffolgenden Vormittag. — Aber was die Hauptsache ist: sämtliche Tennisplätze müssen ab übermorgen für uns reserviert bleiben.“
„Das wird nicht gehen.“
„Es geht!“
„Darüber können wir uns ja noch unterhalten, wenn Sie hier sind.“
„Ausgeschlossen — wir kommen nur des Tennisplatzes wegen.“
„Von Frankfurt nach Eilsen — um Tennis zu spielen?“
„Wenn Sie nichts dagegen haben.“
„Im Gegenteil — ich freue mich — aber außer dem Tennisplatz haben wir hier ...“
„Einen fabelhaften Golfplatz — ich weiß.“
„Und die besten Schlamm- und Schwefelbäder.“
„Die uns nicht im mindesten interessieren.“
„Im Augenblick habe ich allerdings nur ein Appartement ...“
„Sie werden morgen abend drei haben. — Und nun ziehen Sie sich das Deckbett über die Ohren und schlafen Sie weiter! Gute Nacht!“ — Sie hing den Hörer an und sagte: „So, die Zimmer hätten wir, den Tennisplatz auch — wir fahren also morgen früh 5 Uhr 40 nach Berlin ...“
„Es ist bereits halb zwei“, bemerkte Adele.
„Also haben wir noch unendlich viel Zeit. Um 12 Uhr 44 sind wir in Berlin, lunchen im Bristol, bestellen uns für drei Uhr unsere Autos mit Koffern zum Hotel. Gegen neun etwa sind wir dann in Bad Eilsen. Und am nächsten Morgen: Auf in den Kampf!“
„Du tust gerade so, als wenn es dabei etwas zu gewinnen gäbe“, sagte Adele — und Resi erwiderte:
„Für mich ist es schon ein beruhigendes Gefühl, daß ich bei diesem Kampf nichts verlieren kann.“
„Ihr seid sehr frech“, sagte Richard plötzlich. Die drei Frauen stutzten und sahen ihn an, während er fortfuhr: „Aber gerade so gefallt ihr mir. Und wenn Papa nichts weiter erreicht hat, als euch einander näherzubringen, so hat sich die Reise auch gelohnt.“
In diesem Augenblick öffnete sich die Tür, und es erschien, müde und strapaziert, Iwan Tetenborn.
„Haben Sie die Tanten auch schön nach Hause gebracht?“ frotzelte ihn Resi.
„Ich habe gesagt, ich fühle mich nicht wohl — sonst hätten sie bis morgen früh Geburtstag gefeiert.“
„Wenn du eine von ihnen heiratest“, sagte Richard — „würdest du unser Onkel werden.“
„Welche?“ fragte Iwan, der es für ernst nahm.
„Am besten gleich alle beide. Du hast doch gute Beziehungen! Du mußt dem Minister glaubhaft machen, daß du bei dem Alter meiner Tanten befürchten mußt, in absehbarer Zeit Witwer zu werden. Dieses Risiko schwächst du ab, indem du beide heiratest, die sowieso ihr Leben lang noch nicht getrennt waren.“
Tetenborn lachte — wie immer, wenn er verlegen war. Mit dem Gedanken, eine von beiden zu heiraten — und er wußte auch, welche — nämlich die, die ständig schwieg — hätte er sich in der Vorstellung, daß er des alten Barons Schwager und der Onkel der drei jungen Barone wurde, abgefunden. Sich aber mit beiden zu belasten, schien ihm untragbar. Während er noch nach einer ausweichenden Antwort suchte, die niemand verletzte, sagte Resi:
„Wissen Sie schon das Neueste, Tete? — Mit uns geht eine große Veränderung vor.“
Tetenborn sperrte den Mund weit auf — und Elisabeth sagte:
„Raten Sie!“
„Eine Veränderung? — Wollen Sie sich die Haare rot färben lassen? Ich las in einem französischen Blatt ...“
„Unsinn! Etwas viel Ernsteres! — und es betrifft nicht nur uns Frauen, sondern alle sechs.“
Tetenborn riet:
„Sie wollen — aus dem Poloklub austreten — das dürfen Sie mir zuliebe nicht tun — oder gar Ihren Wohnsitz nach Paris verlegen — das gesellschaftliche Leben Berlins stände still.“
„Etwas viel Ernsteres.“
„Ja, gibt es das?“
„Wir haben dies Leben satt.“
„Sie wollen sich umbringen!“ rief Tetenborn entsetzt.
„Im Gegenteil! Wir wollen einen Sinn in unser Leben legen.“
„Ja, wie kommen Sie denn auf die Idee? Es ging doch bisher alles gut — auch ohne Sinn. — Wozu plötzlich so revolutionäre Gedanken?“
„Weil wir nicht länger die Frauen von Männern sein wollen, deren einzige Bedeutung darin liegt, daß sie die Söhne des Barons v. Rosen-Geldberg sind.“
„Einzige Bedeutung?“ wiederholte Tete fassungslos. „Als wenn das nicht genug wäre! Alles, was Sie tun, kann die Bedeutung nur herabmindern.“
„Nicht die Geburt — die Leistung macht den Mann“, verkündete Resi.
„Wie kommen Sie plötzlich zu dieser kommunistischen Weltauffassung?“
„Wieso kommunistisch?“ fragte Elisabeth. — Tetenborn erwiderte:
„Das kann ich im Augenblick nicht