Die Reichen. Artur Hermann Landsberger

Die Reichen - Artur Hermann Landsberger


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Erdteil, spielten dabei nur eine Toilettenrolle — mit anderen Worten: es wechselte nur die Kulisse, vor der sich das immer gleichbleibende, geistlos-träge Spiel des gesellschaftlichen Verkehrs der oberen Tausend abspielte.

      Der alte Baron bemühte sich, das Niveau der Unterhaltung zu heben. Er wies, als von Paris die Rede war, auf ein Gemälde an der Wand, ein Porträt Karls I. von England, nach dem berühmten Bildnis van Dycks, von der Hand eines Schülers des Meisters.

      „Kostenpunkt?“ fragte Richard.

      „Der Wert des Originals im Louvre ist gar nicht abzuschätzen“, erwiderte der Alte.

      „Wenn ich mir das Original nicht leisten kann“, — meinte Adele — „ich würde mir keine Kopie an die Wand hängen.“

      „Und weshalb nicht?“ fragte der Alte lächelnd. „Wenn die Kopie, wie in diesem Fall, genau so schön ist wie das Original?“

      „Weil es aussieht, als wenn man wollte und kann nicht“, erwiderte Adolf — woraufhin Adele meinte:

      „Dies Gefühl ist dir ja geläufig.“

      „Ich finde“, erklärte Richard, „ein Porträt, mit dem man nicht verwandt ist, gehört ins Museum, aber nicht in ein Privathaus.“

      Als der alte Baron erwiderte:

      „Der Wert dieses Bildes beträgt hundertzwanzigtausend Mark“, flogen alle Köpfe dem Gemälde zu, das sie plötzlich:

      „Blendend“

      „Ganz wunderbar“

      „Vor allem im Licht“

      „Nein, gerade in den Farben“

      „Durchaus naturalistisch“

      „Ein Meisterstück der alten Schule“

      „Unerhört dekorativ“

      „In jeder Weise vollendet“ — fanden.

      Der alte Baron aber spülte mit einem Glase 1881er Malaga, den man zur Schildkrötensuppe reichte, den bitteren Geschmack herunter und faßte den Entschluß, das Gemälde dem Staedelschen Museum zu vermachen.

      Nur einmal ließ sich der Alte dazu verleiten, die Unterhaltung seiner Kinder zu unterbrechen. Sie stritten sich gerade darüber, ob die guten Klubs in England noch immer so exklusiv wie früher seien — und Adolf sagte:

      „Wenn man in London nicht in einem großen Klub ist, ist man doch aufgeschmissen.“

      „Man weiß ja nicht einmal, was man tagsüber in London anfangen soll“, — meinte Resi — „die zwei Stunden im Hydepark füllen den Tag nicht aus — und shopping macht bei der konservativen Einstellung der Modistinnen auch kein Vergnügen. In Paris kann man sich das Verrückteste ausdenken, und jede Modistin wird begeistert darauf eingehen.“

      „Es gibt in London ein Britisches Museum“, sagte der Alte.

      „Hm, davon habe ich gehört“, erwiderte Ernst.

      „Es ist von zehn bis sechs geöffnet — und man kann sich da sehr gut die Zeit vertreiben.“

      „Archäologen, aber keine modernen Menschen“, meinte Adolf.

      „Ich mache mir auch nichts aus alten Gemälden“, stimmte Ernst seinem Bruder bei — und Richard sagte:

      „Ich schon — aber nicht in solchen Massen.“

      „Kinder! Kinder! Was redet ihr da zusammen!“ sagte der Alte — und Elisabeth meinte:

      „Ich sage Ernst auch immer, er soll in Gesellschaften vorsichtig mit seinen Reden sein — man kann nie wissen, ob nicht doch mal einer dabei ist, der etwas versteht.“

      „Das ist sehr klug von Ihnen, mein Kind. Und wenn Sie wieder mal mit meinem Sohne in London sind, dann gehen Sie mit ihm wenigstens zu der Sladeschen Sammlung im Britischen Museum und zeigen Sie ihm die Glassammlung ...“

      „Richtig!“ sagte Resi und nahm noch einmal von dem Salmi von Huhn, zu dem es einen 1908er Château Latour gab — „über deine Glassammlung wollten wir mit dir sprechen.“

      „Oh!“ erwiderte der Alte und schien auf das angenehmste überrascht. „Habt Ihr Interesse für meine Gläser?“

      „Indirekt“, sagte Resi — und da ihr Richard sehr unsanft auf den Fuß trat und ihr überdies durch Blicke zu verstehen gab, daß sie dies Gespräch nicht fortführen solle, so sagte sie, indem sie sich eine Hummerschere auf den Teller legte, um abzulenken:

      „Donnerwetter! sind das Kerle!“

      Der Alte saß noch immer erwartungsvoll — so daß Richard es für gut hielt aufzustehen, sein Glas mit 1921er Dom Scharzhofberger zu erheben und zu sagen:

      „Ein stilles Glas im Andenken an unsere geliebte Mutter.“

      Der Alte erhob sich — mit ihm die anderen. Sie tranken — und die Glassammlung war vergessen. — Aber eine Viertelstunde später, bei 1915er Steinberger Cabinet, der dem Geschmack des Rehrückens jene milde Zartheit gab, fragte der Alte plötzlich:

      „Also, Resi, was wolltet Ihr mir über meine Gläser sagen?“

      „Nichts, nichts!“ wehrte Richard ab. „Wir wollten sie nur mal genauer ansehen, weil wir doch so selten Gelegenheit dazu haben.“

      „Wenn Ihr wirklich Interesse dafür habt“, sagte der Alte erfreut — „dann müßt Ihr morgen noch hier bleiben — um sie gründlich zu studieren.“

      „Unmöglich!“ erwiderte Resi. „Ich muß morgen abend in Paris sein.“

      „Und auf mich wartet die Schneiderin in Berlin“, sagte Adele — während Elisabeth sich geniert zu ihrem Manne wandte und meinte:

      „Wir haben zwar Dr. Wertheimer für morgen abend versprochen — aber wir könnten ihm absagen.“

      „Das geht unmöglich“, widersprach Ernst lebhaft — und der Alte, dem zumute war, als wenn man ihn mit beiden Händen abwehrte, beugte sich über den Tisch und schwieg.

      Dieses Schweigen empfanden alle als peinlich. Nur aus diesem Grunde sagte Elisabeth:

      „Die Artischockenböden mit Pilzen sind ausgezeichnet.“

      „Die ißt du doch zu Hause nie“, erwiderte Ernst und goß, als er seine Ungeschicklichkeit merkte, sein Glas in einem Zuge herunter.

      „Wer ist denn Dr. Wertheimer?“ fragte der Alte — „doch nicht etwa“ — und er deutete einen kleinen Mann mit einem dicken Bauch an.

      „Der ist es!“ rief Resi belustigt. „Der kleine dicke Bankier aus Rotterdam.“

      „Und mit dem verkehrt ihr?“

      „Er verdient vier bis fünf Millionen im Jahr“, sagte Adolf.

      „Was geht das euch an?“

      „Er ist sehr nett zu uns“, sagte Adele — und Ernst fügte hinzu:

      „Uns läßt er sogar verdienen.“

      „Man kann mit jemandem Geschäfte machen und braucht darum noch lange nicht mit ihm zu verkehren“, betonte der Alte.

      „Das war früher einmal“, belehrte Richard seinen Vater. „Heute verlangen die Leute, wenn sie einen verdienen lassen, daß man gesellschaftlich mit ihnen verkehrt.“

      „Sie bezahlen mit anderen Worten das Recht, mit euch an einem Tisch zu sitzen?“

      „Es gibt Dinge“, sagte Elisabeth, „die hören sich häßlich an, wenn man sie ausspricht.“

      „Und wenn man sie ausführt — wie? — das macht euch nichts?“

      „Es sind eben Konzessionen“, erwiderte Elisabeth. „Anfangs ist es schwer — aber man gewöhnt sich dran.“

      „Vor


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