Die Reichen. Artur Hermann Landsberger

Die Reichen - Artur Hermann Landsberger


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könnte das nicht passieren“, sagte der Alte — „daß sich mir jemand aufdrängt, den ich in meinem Hause nicht sehen will.“

      „Abwarten, Papa!“ erwiderte Richard.

      „Allerdings nahm ich bis heute an“, fuhr der Alte fort — „daß ich Leuten, die mit euch verkehren, auch mein Haus öffnen kann.“

      „Da rate ich dir doch, vorsichtig zu sein“, sagte Resi.

      „So erschien zum Beispiel heute Mittag, als ich beim Lunch saß ...“

      „Herr Iwan Tetenborn ...“ fiel ihm Resi ins Wort.

      „Du weißt?“

      „Ich errate!“

      „Er gab seine Karte ab, auf der stand: Der Reisebegleiter und Freund Ihrer Söhne erlaubt sich, Ihnen untertänigst seine Glückwünsche zu Füßen zu legen.“

      „Unglaublich!“ riefen alle sechs.

      „Freund und Reisebegleiter meiner Söhne, wiederholte ich mir und ließ ihn, was ich sonst nie tue, hereinbitten. Einen besonders günstigen Eindruck machte euer Freund auf mich nicht — aber da ich gerade beim Essen saß — was blieb mir da anderes übrig, als ihn aufzufordern?“

      „Du hast mit ihm geluncht, Papa?“ rief Resi belustigt. „Das weiß morgen ganz Berlin.“

      Der Alte ärgerte sich — und um auf andere Gedanken zu kommen, wandte er sich an Resi und sagte:

      „Also, ich weiß noch immer nicht, was ihr mir über meine Gläsersammlung sagen wolltet.“

      „Es war nur so eine Idee von uns“, erwiderte Resi. — „Du weißt doch, daß in Berlin sämtliche Privatsammler ihre Sammlungen verauktioniert haben. Auch jüngere als du. Mit dem Alter hat es also nichts zu tun — wie etwa bei dem alten Wolschinsky, der seiner drei Kinder wegen seine sämtlichen Kunstschätze versteigern ließ — damit sie sich nicht später einmal in die Haare geraten — aber das ist ja bei uns nicht zu fürchten — immerhin, eine Sammlung kostbarer Gläser verliert an Wert, wenn man sie in drei Teile teilt. — Überhaupt, für jemanden, der so viel herumreist wie wir — sag selbst, wo soll man damit hin — und wenn ein Stück zerbricht — die Dienstboten in Berlin sehen sich nicht so vor wie die in Frankfurt — man ärgert sich — erst über das Mädchen und dann mit der Versicherungsgesellschaft, die sich zu drücken sucht — so schön die Gläser sind — ich sah sie vorhin, als wir hinaufgingen — ich habe einen Blick dafür — von meinem zweiten Mann her — aber ich glaube, du würdest auch ruhiger leben, wenn du die Sorge um die Sammlung los wärst. Überlege es mal! Es braucht ja nicht heute zu sein — obgleich man solche Dinge nicht auf die lange Bank schieben soll — wir stehen alle in Gottes Hand — Professor Caro in Berlin hat mir gesagt, sie sei als Ganzes fast drei Millionen wert. Das ist doch ein Wert! Eine Million pro Kopf — das heißt, pro Familie. Denn ich erbe ja nicht, sondern dein Sohn. Und was ich hier vorbringe, geschieht zum Besten deiner Söhne — uns drei Frauen ist es natürlich ganz gleichgültig, was daraus wird.“

      Da Resi eine Pause machte, so fragte der Alte:

      „Bist du fertig?“

      „Ja — das heißt — ich habe mich erkundigt — so eine Auktion muß richtig vorbereitet sein. Da der September der beste Monat dafür ist, so müßte man sofort mit den Vorarbeiten beginnen.“

      „Aber wozu denn das?“

      „Und gerade heute?“

      „Das hatte doch Zeit!“ sagten die andern — und Richard fügte hinzu:

      „Ich hatte dir ausdrücklich verboten, davon zu sprechen.“

      „Wir sind ja keine Erbschleicher“, fuhr Resi fort — „im Gegenteil, wir wünschen, daß du hundert Jahre alt wirst. Aber warum soll man nicht davon sprechen? Davon stirbt man nicht.“

      „Du sollst endlich aufhören“, drängte Richard — und Elisabeth sagte empört:

      „Ich stehe auf.“

      „Du?“ fragte Resi — „du hast es doch nötiger als wir.“

      „Vielleicht — aber ich ertrag das nicht.“

      „Und gestern in Berlin, als ich davon anfing, warst du begeistert von der Idee.“

      Elisabeth entfärbte sich und sagte zögernd:

      „Gewiß — aber da wußte ich noch nicht ...“

      „Was wußtest du nicht?“ fragte Resi.

      Elisabeth sah den alten Baron an und sagte:

      „Ich bitte Sie, seien Sie mir nicht böse.“

      Der Alte schüttelte den Kopf und reichte Elisabeth die Hand.

      „Ich kannte Sie ja noch nicht“, sagte sie — „und hatte Sie mir ganz anders vorgestellt.“

      „Darf Elisabeth denn nicht ‚du‘ zu dir sagen, Papa?“ fragte Richard — der froh war, daß man endlich von etwas anderem sprach.

      „Aber natürlich darf sie.“

      „Ich wünsche es mir sehr“, sagte Elisabeth, erhob sich und trat an den alten Baron heran. — Der stand auf, legte den Arm um sie und küßte sie auf die Stirn. Dann hob er die Hand, hielt sie über ihren Kopf und sprach halblaut einen hebräischen Segen.

      Als Elisabeth wieder auf ihrem Platze saß, erhob sich der alte Baron.

      „Großer Gott!“ entfuhr es Resi — „wir haben ihn ja nicht hochleben lassen.“

      Alle sprangen auf und riefen:

      „Adolf, du!“

      Und Adolf klopfte ans Glas und sagte:

      „Lieber Vater. Als dein ältester Sohn habe ich die ehrenvolle Aufgabe, dich im Namen der Familie hochleben zu lassen. Unser Vater, er lebe hoch!“

      „Hoch!“ riefen alle — und stießen mit dem Alten an.

      Als sie wieder auf ihren Plätzen saßen, sagte Resi spöttisch:

      „Ich bin ganz gerührt von Adolfs gehalt- und gefühlvoller Rede. Wirklich, Adolf, wenn du im Auswärtigen Amt geblieben wärst — ich glaube, aus dir wäre etwas geworden!“

      Jetzt hatte Resi die Lacher auf ihrer Seite. Auch der alte Baron stimmte in die Heiterkeit mit ein. Dann klopfte auch er an das Glas und sagte — ohne sich zu erheben:

      „Meine lieben Kinder! Ich danke euch, daß ihr gekommen seid — und freue mich, besonders dich, Elisabeth, als Tochter bei mir zu sehen. Ich habe das Gefühl, als könnten wir gute Freunde werden. Aber auch dir, Resi, verüble ich deine Worte nicht. Du hast den Mut, auszusprechen, was du denkst und was die andern denken. Ich bin in meinem Leben stets für Offenheit gewesen. Gerade an einem Tage wie diesem, wo wir zum ersten und vielleicht zum letzten Male so unter uns sind, wollen wir statt der üblichen Geburtstagsphrasen ehrlich miteinander sein. — Ihr macht euch Sorge, meine Sammlung könnte nach meinem Tode durch Teilung und Streitigkeiten unter euch entwertet werden. Diese Besorgnis ist von eurer Seite aus nicht unberechtigt. Sie sollte sich aber über die Sammlung hinaus auch auf alle die andern Kunstwerke erstrecken, die ich — und vor mir mein Vater, Großvater und Urgroßvater, gesammelt haben. Es ist die Sorge der Lebenden! Aber nicht der Toten!“ Diese beiden Sätze betonte er — und da die sechs ihn offenbar nicht verstanden, so fuhr er fort: „Dem Toten kann es an und für sich ja gleichgültig sein, wie sich seine Kinder mit dem Erbe auseinandersetzen — zumal, wenn sie imstande sind, auch ohne dies Erbe das Leben fortzusetzen, das sie bis dahin geführt haben. Noch ein Auto, noch eine Reise, ein paar Gesellschaften und ein Dutzend Kleider mehr im Jahr — lohnt es sich für mich, deshalb auch nur eine letztwillige Verfügung zu treffen? Es lohnt sich nicht! — Ihr verfahrt, als wäret ihr namenlose und traditionslose Neureiche. Deren einzige Macht ist das Geld! Aber ich und eure Mutter vermachen euch Wertvolleres! Einen Namen, dessen Wert nicht darin liegt, daß er Jahrhunderte


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