Die Reichen. Artur Hermann Landsberger
Platz zu nehmen, nur weil er ein reicher Mann war, von dem er Vorteile erwarten durfte. Ein Name wie der unsere verpflichtet. Von ihm kann man mit dem Dichter sagen: ‚Was du ererbt von deinen Vätern hast, erwirb es, um es zu besitzen‘. — Mit anderen Worten: zeige dich des Namens wert, wachse in ihn hinein, indem du etwas leistest, was ihm Ehre macht! Sei als Mensch so bedeutend, wie es der Name ist, den du trägst. Wenn nicht auf dem Gebiete, auf dem deine Väter Großes leisteten, dann auf einem anderen Gebiet. — Ihr, Jungens, seid nicht Repräsentanten, sondern nur Nutznießer eures Namens. — Auch der beste Namen nutzt sich ab, wenn keine Leistung ihn bestätigt. Noch laufen Snobbisten und gesellschaftliche Streber diesem Namen nach. Ihr würdet sie auslachen, wenn ihr ihrem Gelde noch etwas anderes außer eurem Namen entgegenzusetzen hättet — und wenn es nur eine Persönlichkeit wäre! — Ihr wünscht, daß ich mein Haus bestelle und dafür sorge, daß über alles so zweckmäßig wie möglich schon zu meinen Lebzeiten Bestimmungen getroffen werden. Ich erwidere darauf: Das Wertvollste, was ich euch vermachen konnte, den Namen, habt ihr bereits. Aber ihr wißt nichts damit anzufangen. Ihr tragt ihn, wie man ein Plakat trägt. Ich aber sage euch: am gleichen Tage, wo einer von euch — gleichviel auf welchem Gebiet — eine Leistung vollbringt, die durch sich wirkt und unserem Namen Ehre macht, kommt wieder! — Der Frau des Tüchtigsten werde ich den Familienschmuck überantworten und meine Sammlungen, durch die sie zu einer der reichsten Frauen Europas wird.“
Die drei jungen Barone saßen nach dieser Rede mit gesenkten Köpfen da und wagten nicht aufzusehen. — Um so erregter waren die drei Frauen, die aufgesprungen waren und dem alten Baron laut Beifall klatschten.
„Ich halte die Wette“, rief Resi und streckte dem Alten die Hand hin.
„Was für eine Wette?“ fragte er erstaunt.
„Daß ich mit Richard das Rennen mache.“
„So? Das wird sich ja zeigen!“ widersprach Adele, während Elisabeth sagte:
„Jedenfalls haben wir jetzt eine Aufgabe zu erfüllen.“
VII.
Als die sechs in das Hotel Frankfurter Hof zurückfuhren, waren sie in einer Stimmung, die sie noch nie an sich beobachtet hatten. Es wäre — zum mindesten von den drei Brüdern v. Rosen-Geldberg — zuviel gesagt, wenn man behaupten wollte, daß sie im Innersten aufgewühlt waren. Dazu war ihr Innerstes wohl zu leer. Aber sie waren aus ihrer Lethargie erwacht und fühlten, daß sie in ihrem Leben, das bisher wie eine ununterbrochene Folge von Schaustellungen und Vergnügungen an ihnen vorübergezogen war, zum erstenmal mehr als die Rolle des Zuschauers spielen sollten. — Die weit temperamentvolleren drei Frauen aber waren geladen mit Aktivität und saßen ihren Männern mit Gefühlen gegenüber, als wenn sie ein Attentat auf sie planten.
„Was hast du vor mit mir?“ fragte Adolf ängstlich — und Frau Adele erwiderte:
„Gerade darüber zerbreche ich mir den Kopf.“
„Ich werde heute nacht kein Auge schließen“, sagte Resi.
„Glaubst du, ich?“ fragte Elisabeth — worauf Adele den Vorschlag machte, statt schlafen zu gehen, in ihrem Salon noch eine Flasche White Horse zu trinken. —
Im Hotelsalon fielen die drei Brüder etwas ermüdet in die Sessel, die um einen kleinen Tisch herumstanden, während ihre Frauen mit erhitzten Köpfen im Zimmer herumliefen.
„Ich hatte schon längst das Gefühl, es müsse etwas mit euch geschehen“, sagte Resi, die jetzt vor den drei Brüdern stand.
„Warum hast du denn nie etwas gesagt?“ fragte Richard.
„Haben wir uns in dem letzten Jahr denn überhaupt auch nur ein einziges Mal unter vier Augen gesprochen?“
„Ist das meine Schuld?“
„Hier steht nicht zur Diskussion, wer schuldig ist, sondern wer die Millionenwerte eures Vaters erbt.“
„Ich zerbreche mir gar nicht erst den Kopf“, sagte Adele — „denn mit Adolf ist doch nichts anzufangen.“
„Glaubst du, mir wird gelingen, aus Ernst einen Johore zu machen?“
„Was für einen Johore?“ fragte Adele.
„Oder wie heißt der japanische Tenor, nach dem sie vor ein paar Jahren alle ganz verrückt in Europa waren? — Es kann auch ein indischer Dichter gewesen sein.“
„Du meinst Tagore“, verbesserte Resi — und Elisabeth erwiderte — ohne im geringsten verlegen zu sein:
„Möglich — ich kenne mich in der indischen Literatur nicht aus — dafür weiß ich um so besser mit Pferden Bescheid.“
„Wenn Richard nicht Richard wäre — ich könnte aus jedem halbwegs normalen Manne einen Bismarck machen“, erklärte Resi.
„Na, normal sind wir doch!“ sagte Adolf.
„Viel zu normal!“ erwiderte Resi — dann trat sie dicht an Adolf heran und sagte:
„Vielleicht, wenn ich dich geheiratet hätte.“
„Nimm ihn dir“, erwiderte Adele.
„Du meinst, wir könnten tauschen?“
„Und wo bleibe ich, wenn ihr tauscht?“ fragte Elisabeth.
„Bei deinem Manne, der im übrigen auch der gescheiteste ist.“
„Ernst gescheit?“ wiederholte Elisabeth und mußte lachen. Sie trat dicht an ihren Mann heran, fuhr ihm mit der Hand durchs Haar und sagte: „Mein guter Junge bist du — aber im Kopf hast du nicht viel.“
„Mehr als meiner“, rief Resi — während Adele zu Richard aufsah und sagte:
„Wenn ich dich zum Manne hätte!“
„Ihr habt eben die falschen Männer geheiratet!“ erwiderte der — und die drei Frauen stimmten zu und sagten:
„Das ist es!“
„Läßt sich leider aber nicht mehr ändern“, sagte Richard.
„Wieso nicht?“ fragte Resi. „Mir käme es auf eine Scheidung mehr nicht an.“
„Nur kein Skandal“, bat Elisabeth — und Adele meinte:
„Man könnte die Umgruppierung ja in aller Ruhe vornehmen. Und wenn sie sich als richtig erweist, später die Konsequenzen ziehen und heiraten.“
„Wir sind drei Paare. Wären wir zwei, könnten wir einfach tauschen.“
„Also müssen wir losen!“ schlug Resi vor.
„Ich lasse keine Lotterie aus mir machen“, widersprach Richard — und auch Elisabeth erklärte:
„So ganz dem Glück wollen wir’s denn doch nicht überlassen. Dazu ist der Einsatz zu hoch. Wenigstens meiner!“
„Spielen wir um sie!“ schlug Adele vor. — „Wie wäre es mit einem Tennismatch?“
„Etwas verrückt“, meinte Resi — „aber es paßt zu uns.“
Der Vorschlag fand Beifall — zumal jede der Frauen glaubte, die beste Spielerin zu sein.
„Ich bin einverstanden“, erklärte Elisabeth, „aber es darf niemand etwas davon erfahren.“
„Einen Unparteiischen brauchen wir auf alle Fälle“, erwiderte Adele und fragte: „Wo ist Tete?“
„Der sitzt vermutlich noch unten und feiert mit unseren Tanten Papas Geburtstag.“
„Die hatten doch abgelehnt.“
„Er wird ihnen erzählt haben, daß er bei Papa zum Frühstück war, und die Tanten werden glücklich gewesen sein, daß sie daraufhin annehmen konnten.“
Richard telephonierte nach dem Speisesaal und fand seine Vermutung bestätigt. Die beiden Tanten waren in rosiger Laune und machten