Frau Dirne. Artur Hermann Landsberger

Frau Dirne - Artur Hermann Landsberger


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Salon zurück. Er schien erregt, wenigstens, soweit er dazu imstande war.

      „Willst du mir nun erklären, Ina, was alles das bedeutet?“ fragte er weniger zaghaft als sonst.

      Frau Ina schüttelte den Kopf und sagte:

      „Nein! — Wozu? Du würdest es doch nicht verstehen.“

      „Aber du sagtest doch, dass ich die Auswahl treffen soll.“

      „Das fehlte noch!“ mischte sich die Baronin in das Gespräch.

      Frau Ina gab ihm einen Klaps auf die Backe und sagte:

      „Nein! du wirst an die Kette gelegt; verstehst du? als Wachhund. Und dann auch aus Vorsicht — damit du nicht etwa auf dumme Gedanken kommst.

      Das heisst: einmal, da mache ich dich vielleicht los und gebe dir freie Fahrt. Aber sei vorsichtig, mein Junge! dass ich dich nicht ertappe. Auf Ehebruch steht Scheidung.“

      Strahlend sah der Rittmeister zu ihr auf:

      „Ich schwöre ...,“ begann er und erhob die Hand.

      „Ich weiss! ich weiss!“ wehrte sie ab. „Und vorläufig kann auch noch keine Rede davon sein.

      Er griff nach ihrer Hand; sie zog sie zurück.

      „Darf ich heute zu dir kommen?“ fragte er zag haft.

      „Wie abgeschmackt,“ sagte die Baronin, die am Fenster stand und den Gästen nachsah. „In meiner Gegenwart!“

      „Ich bin leider nie allein mit Ina,“ gab er zur Antwort.

      „Soll das ein Vorwurf sein?“ fragte die Baronin, und Ina schalt ihn:

      „Du beleidigst Mama!“

      Er trat auf die Baronin zu, küsste ihr die Hand und bat um Entschuldigung. Dann sagte er gute Nacht. An der Tür blieb er stehen.

      „Worauf wartest du?“ fragte Frau Ina.

      „Ina!“ bettelte er.

      „Quäl’ mich nicht!“ gab sie zur Antwort.

      „Gestern waren es drei ein halb Jahre, dass wir zum letzten Male ganz ineinander aufgingen ...“

      Ina trampste mit dem Fuss auf.

      „Schweig!“ befahl sie ihm.

      „Tyrann!“ schalt die Baronin.

      Er wandte den Kopf, sagte:

      „Verzeih!“ und ging.

      Am Gartentor der Villa trennten sich die Gäste.

      Frau Mathilde Brückner hing am Arm ihres Mannes.

      „Diese Frau Ina hat Gemüt und Geist,“ sagte sie. „Das findet man selten bei einander.“

      „Schweig’ Mama!“ forderte Nelly mit Tränen in der Stimme. „Es ist Nordwind.“ — Und sie klappte den Kragen ihrer Mutter hoch.

      „Gutes Kind!“ dachte Mathilde, aber Nelly’s Gedanken waren bei Wolfgang v. Erdt. Wie sollte der in Ruhe und ohne Rücksicht auf äusseren Erfolg schaffen, wenn die Stimme der Mutter Schaden nahm.

      Wolfgang v. Erdt fand Nellys Tränen, so lange man bei Mertens war, angesichts der zum mindesten nicht alltäglichen Unterhaltung klug, angebracht und schicklich. Aber weshalb sie auch jetzt noch schluchzte, wo sie unter sich waren, begriff er nicht. Ihm brauchte sie doch nichts vorzumachen. Und dass sie sich für die Mutter bemühte, war höchst unwahrscheinlich.

      „Was hast du denn?“ fuhr er sie an, da sie sich gar nicht beruhigte.

      „Furcht, dass du dich verplemperst!“ stiess sie wie befreit hervor.

      „Lass nur!“ beruhigte er sie und legte den freien Arm um ihre Taille. „Ich weiss schon, was ich tu.“

      „Was denn?“ fragte sie zaghaft.

      „Ich mache uns unabhängig.“

      „Wen?“ fragte sie und sah zu ihm auf.

      Er gab keine Antwort, drückte sie an sich; sie verstand ihn.

      „Liebster!“ las er von ihren Lippen.

      „Bemüh dich nichts Wolf“, wollte Mathilde sagen. „Für uns sorge ich.“

      Aber des Nordwinds wegen schwieg sie.

      „Halt die Stange gerade!“ befahl Frau Olga ihrem Manne nicht eben freundlich, als sie die Allee, die der Mertens’schen Villa gegenüberlag, entlang gingen. Und der Papagei kreischte wie immer, wenn Olga ihren Mann schalt:

      „Schlagt den Juden tot!“

      Max Herzog führte den Befehl aus.

      Sie gingen schweigend nebeneinander her, aber in Beiden lebte noch die Erregung über die Vorgänge in der Mertens’schen Villa. Nach einer Weile sagte Frau Olga:

      „Ich hatte schon lange das Gefühl: bei den Leuten stimmt was nicht. Wenn sie mit dem Grafen durchgegangen oder sonst auf rätselhafte Weise verschwunden wäre — nichts hätte mich überrascht. Aber diese Bordellgeschichte geht mir nicht ein.“

      „Glaubst du wirklich,“ fragte Max Herzog, „dass dieser Mertens Verbindungen zu anrüchigen Häusern hat?“

      „Esel!“ schalt ihn Frau Olga, und der Papagei kreischte in den Park hinein:

      „Schlagt den Juden tot!“

      „Ich habe geglaubt, er ist seiner Frau treu?“

      „Ist er auch!“ bestätigte Frau Olga. „Du kannst dich darauf verlassen, dass er so wenig Ahnung von einem Bordell hat wie du.“

      „Ja, wenn er doch aber eins ausfindig machen soll.“

      Nur mit Rücksicht auf den Papagei, der mit schiefem Kopf dem Gespräch folgte, unterdrückte Frau Olga diesmal das Wort „Esel“, das ihr auf den Lippen lag. Statt dessen hängte sie sich in den Arm ihres Mannes und sagte:

      „Schäfchen,“ was für den Papagei keinen Anlass gab, sich zu echauffieren. „Das Bordell, das sie uns aufgeredet hat, ist längst da. Niemand braucht es zu suchen.“

      „Ja, was will sie damit?“

      „Das wüsste ich auch gern.“

      „Und du hast allen Ernstes die Absicht, da mitzutun?“

      „Stört es dich?“ fragte sie gereizt.

      „Du wirst schon wissen, was du tust.“

      „Verlass dich drauf, das weiss ich. Und wenn es keinen anderen Zweck hat, als deine Brüder zu kompromittieren, dann hat es sich auch gelohnt. Jeder, der unseren Namen hört, fragt: Sind Sie verwandt mit dem Bankhaus Herzog? — Was meinst du, wenn das Bordell Herzog internationale Berühmtheit erlangt und man denkt beim Nennen unseres Namens nicht mehr an das Bankhaus, sondern an das Bordell Herzog, wie das mit einem Schlage das gesellschaftliche Niveau deiner Brüder drückt.“

      „Sie werden es leugnen.“

      „Aber wir werden für Verbreitung sorgen.“

      „Sie werden uns die Rente entziehen.“

      „Wir werden uns das Zehnfache damit verdienen. Und wenn ich es geschickt anstelle, dann werde ich mir mit Hilfe dieses Bordells meine gesellschaftliche Position zurückerobern.“

      „Aber ein Bordell ist doch etwas Anrüchiges.“

      Auf eine Bewegung Frau Olgas hin kreischte der Papagei:

      „Quatsch nicht.“

      „Das Tier ist klüger als du,“ sagte sie und hing, während er nur daran dachte, dass er den Stab gerade hielt, ihren Gedanken nach.

      „Nett benommen hast du dich wieder,“ sagte Doktor Riesser auf dem Heimwege zu seiner Frau.

      „Deine Schuld,“


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