Seewölfe Paket 34. Fred McMason

Seewölfe Paket 34 - Fred McMason


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er selbstverständlich auch auf grassierende Seuchen und Epidemien. Es ging ja nicht an, daß aus diesem flotten Schiffchen ein schwimmendes Hospital wurde.

      „Räucherspeck und Rübensuppe!“ schnaubte er und fügte zu Batuti gewandt hinzu: „Du kannst ja allein weitermachen.“

      „Weitermachen? Mit was denn?“ fragte Batuti verwundert.

      „Mit dem Einfärben von Ruthlands hellen Fischaugen, mein Freund. Und vergiß nicht die Reihenfolge der Farben: zuerst veilchenblau, dann grün, dann gelb. Ich muß jetzt meines Amtes walten, damit das Siechtum an Bord gestoppt wird.“

      Zum Äußersten entschlossen, schob der Profos das mächtige Rammkinn vor, legte das zernarbte Gesicht in Falten und marschierte gewichtig über die Planken – mit Kurs auf die Krankenkammer.

      „Wohin so eilig, Ed?“ rief der Seewolf lächelnd vom Achterdeck. Er sah dem Profos regelrecht an, daß er der Erfüllung einer wichtigen Aufgabe zustrebte.

      „Bin auf dem Weg zum Hospital – äh, zur Krankenkammer, Sir.“

      „Bist du etwa krank?“ fragte Hasard.

      „Ich und krank? Nein, Sir. Aber der Kutscher hat alle Hände voll damit zu tun, die Seuchen und Epidemien an Bord zu bekämpfen. Der Bursche hat kaum noch Zeit für die Kombüse, und das kann ja nicht angehen, Sir.“

      Bevor der Seewolf nach der Art der Seuchen und Epidemien fragen konnte, verschwand der Profos unter Deck.

      Der Kutscher, der nicht nur ein guter Koch, sondern auch ein hervorragender Feldscher war, hatte tatsächlich allerhand zu tun. Die Patienten drängten sich sozusagen in der Krankenkammer und warteten auf ihre Behandlung.

      Der blonde, sehr hagere Mann hatte gerade Will Thorne, den alten Segelmacher, in der Mangel. Der lag auf dem Bauch, und der Kutscher drückte während seiner Untersuchung so lange seinen Rücken ab, bis er laut aufstöhnte.

      „Da haben wir’s“, stellte der Kutscher zufrieden fest. „Hier läuft ein Nerv, der entzündet zu sein scheint. Die Schmerzen strahlen ähnlich wie bei Ischias durch die linke Gesäßhälfte bis ins Bein. Das kriegen wir wieder hin, Will. Sobald ich die anderen behandelt habe, werde ich dich kräftig einreiben, damit die Durchblutung gefördert wird. Morgen wird das Ganze wiederholt …“ Er unterbrach seine Erklärungen, als er den Profos eintreten sah. „Sag bloß, du hast dir auch eine Blessur geholt, Ed?“

      Der Profos grinste von einem Ohr bis zum anderen. „Das würde dir so passen, Kutscher, wenn du mich auch mit deiner stinkenden schwarzen Salbe einreiben könntest, was, wie?“

      „Aber klar doch“, entgegnete der Kutscher. „Ein größeres Vergnügen könnte ich mir kaum vorstellen.“

      „Da spielt sich aber nichts ab“, erklärte der Profos. „Meine Knochen sind heil, an denen hast du nichts zu suchen mit deinem gräßlichen Salbenzeug. Wegen mir wird dieses Schiffchen jedenfalls nicht zu einem schwimmenden Hospital, klar?“

      „Sagtest du eben ‚Hospital‘?“ fragte der Kutscher erstaunt.

      Der Profos nickte. „Du hast richtig gehört, mein Freund. Deine Lauscher sind noch völlig in Ordnung. So, nun wird es aber Zeit, daß ich mir einen Überblick über den Ernst der Lage verschaffe. Wer gehört hier zu den Siechen?“

      Der Kutscher holte eine kleine braune Flasche aus seinem Medizinkasten und öffnete sie.

      „Wenn man dich reden hört, Ed, könnte man gerade meinen, wir hätten die Pest an Bord. Aber falls es dich beruhigt – hier gibt es keine Siechen. Und ein Hospital wird ebenfalls nicht gebraucht. Will hat’s im Kreuz, aber in ein paar Tagen wird er wieder herumhüpfen wie ein Veitstänzer. Plymmie, unsere verehrte Hunde-Lady, hat sich einen Holzspan in die rechte Hinterpfote getreten, und hätte Paddy, der das bemerkt hat, nicht soviel Schiß vor Hunden, hätte er dem armen Tier längst selber helfen können. Dann haben wir da noch Old Donegal, der sich an einem hervorstehenden Nagel eine ziemlich tiefe Schramme in einen gewisse edlen Körperteil gerissen hat. Für ihn ist diese wohlriechende Tinktur bestimmt, damit er nicht den Wundbrand kriegt. Und wenn mich meine Augen nicht täuschen, handelt es sich bei dem Gentleman, der da gerade mit einem Gesicht, das tiefste Pein erkennen läßt, zum Schott hereinschneit, um meinen geschätzten Kollegen Mac Pellew, der sich in der Kombüse wieder mal die Finger verbrannt hat. Aber keine Bange, die schwarze Salbe wird hier hervorragende Dienste leisten. Er wird rasch in die Kombüse zurückkehren können, und du, verehrter Mister Carberry, wirst pünktlich zum Backen und Banken deine Erbsensuppe in der Kumme haben.“

      „Uff“, schnaufte der Profos, „das war mal eine lange Rede.“

      „Du brauchst ja nicht die Luft anzuhalten, während ich was sage“, entgegnete der Kutscher freundlich.

      Für Old Donegal war das Grund genug für ein glucksendes Lachen.

      „Schade, daß du nicht ein bißchen länger geredet hast, Kutscher, sonst wäre noch ein Erstickungsanfall zu behandeln gewesen.“

      Der Profos bedachte Ed Old Donegal mit einem strafenden Blick. Dann zog er es jedoch vor, sich aus der Krankenkammer zurückzuziehen, zumal der Kutscher – wie es schien – das „allgemeine Siechtum“ dank seinen übelriechenden Arzneien gut im Griff hatte.

      Bevor er den Raum verließ, drehte er sich noch einmal um.

      „Übrigens, Mister O’Flynn: Wenn du dir demnächst wieder eine Schramme holst, dann laß gefälligst dein zartes Hinterteil aus dem Spiel und verpaß dir den Kratzer ins Holzbein. Dann kannst du damit unseren Schiffszimmermann von der Arbeit abhalten, und nicht den Koch, der Wichtigeres zu tun hat, als angekratzte Achtersteven mit Tinkturen zu beträufeln. Und was dich betrifft, verehrter Mister Pellew: Wenn du unser Schiffchen noch mal als schwimmendes Hospital bezeichnest, fülle ich dir einen ganzen Topf heißer Erbsensuppe in deine Pluderhose und binde sie unten zu, du blaukarierter Zackenbarsch.“

      Unter dem allgemeinen Gelächter schloß der Profos das Schott und verholte wieder an Deck.

      „Dein Gesicht ist so ernst, Ed“, sagte der Seewolf. „Wir haben doch hoffentlich nicht die Pestilenz an Bord?“

      Carberry winkte ab.

      „Ach was, Sir, außer ein paar angekratzten und angesengten Affenärschen ist nichts weiter.“

      „Brrrh!“ Luke Morgan schüttelte sich, bevor er zu einem Tuch griff, um sich die Nässe vom nackten Oberkörper zu wischen. Der kleine, drahtige Mann mit dem dunkelblonden Haar und der Messernarbe auf der Stirn hatte einen heftigen Regenschauer oben im Ausguck abgewettert.

      „Plymmie kann das wesentlich besser“, bemerkte Old Donegal, der auf seinem Holzbein herangestakt kam. „Ich meine natürlich das Schütteln.“

      „Was du nicht sagst.“ Luke Morgan grinste. „Ich dachte schon, du meinst das Aufentern und Ausschau halten.“

      „Nun – äh, das kannst du natürlich besser, denn du bist ja keine Hündin“, meinte Old Donegal.

      „Vielen Dank für diese Feststellung.“ Luke grinste noch breiter. „Sie kam gerade noch rechtzeitig, sonst hätte ich angefangen, zu bellen.“

      Tückisch und wechselhaft, wie der Sommermonsun war, hatten sich die dunklen Regenwolken zum größten Teil wieder aufgelöst, und die Sonne brach durch.

      Noch während Luke Morgan damit beschäftigt war, sich abzutrocknen, ertönte ein lauter, krächzender Schrei über der Kuhl. Danach näherte sich lauter Flügelschlag, und Sir John, der karmesinrote Aracanga-Papagei landete auf Lukes Schulter.

      „Noch eine Nuß!“ forderte der bunte Vogel.

      „Doch nicht schon wieder“, entgegnete Luke. „Du hast heute schon mindestens fünf Nüsse von mir geschnorrt.“ In der Tat war Sir John häufig Gast bei ihm im Ausguck gewesen – bis ihn der Monsunregen vertrieben hatte.

      „Noch eine Nuß!“ Der Papagei war hartnäckig.

      „Nichts da, heute nicht mehr.“


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