Seewölfe Paket 34. Fred McMason

Seewölfe Paket 34 - Fred McMason


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      „Wenn du dich überfrißt und von der Stange fällst, zieht mir Mister Carberry die Haut vom Achtersteven. Also verschwinde, du Nebelkrähe.“

      Jetzt war Sir John beleidigt. Bevor er zur Nagelbank hinüberflatterte und sich dort niederließ, mußte sich Luke Morgan noch einiges an Flüchen anhören.

      Die Arwenacks lachten dröhnend. Aber Sir John lehrte sie gleich das Fürchten. Zumindest bei Old Donegal gelang ihm das. Er gab nämlich einen langgezogenen hohen Pfeifton von sich, der weithin zu hören war.

      Die Art, in der Old Donegal zusammenzuckte, erinnerte an die Behandlung seiner Schramme durch den Kutscher. Als dieser ihm zur Wundreinigung die höllisch brennende Tinktur aus der braunen Flasche auf den Achtersteven geträufelt hatte, war sein Körper jeglicher Kontrolle entglitten.

      Nach heftigem Zusammenzucken hatte er die Augen verdreht, einen Zischlaut ausgestoßen, und war dann – trotz Holzbein – so schnell im Kreis herumgelaufen, daß die anderen Patienten ihre Wehwehchen vergaßen und ihm bewundernd zuschauten.

      Jetzt aber war die Sachlage etwas anders. Da Sir Johns Pfiff nicht wie Feuer brannte und demnach auch nicht zu heftigen Bewegungen Anlaß gab, blieb der alte Zausel nach dem Zusammenzucken stehen und richtete den Blick gen Himmel.

      „Beim heiligen Bimbam“, stieß er hervor. „Der Krummschnabel wird uns doch hoffentlich nicht einen Sturm herbeipfeifen?“

      „Nun mal langsam, Mister O’Flynn“, sagte Luke Morgan lachend. „Sir John pfeift, weil es ihm Spaß bereitet, nicht, weil du abergläubisch bist.“

      Old Donegal wischte die Worte Lukes mit einer ärgerlichen Geste weg.

      „Was verstehst du Heringsschwanz schon von den Dingen, die sich hinter der Kimm abspielen? Pfeifen auf See ruft Unglück oder Sturm herbei. So was hat unsereiner schon gelernt, als er noch in den Windeln gelegen hatte. Und was tut dieser Radauvogel, nur weil du ihm keine Nuß gegeben hast? Er hockt sich auf die Nagelbank und pfeift uns das schönste Unwetter herbei.“

      Luke zog sein Hemd über und grinste unverschämt. „Der Vogel will doch nur auf sich aufmerksam machen. Und gerade das ist ihm offenbar gelungen.“

      In diesem Moment wiederholte Sir John nicht nur seinen durchdringenden Pfiff, sondern er fügte noch einen anderen hinzu – nach Art der jungen Burschen, die auf der Gasse einer hübschen jungen Lady hinterherpfeifen.

      Old Donegal riß es fast vom Holzbein. Nach der Tortur in der Krankenkammer war er offenbar noch etwas überempfindlich.

      „Das ist nicht mehr zu verantworten!“ rief er. „Wo ist der Stückmeister?“

      „Hier bin ich, Mister O’Flynn.“ Der schwarzhaarige Al Conroy hob die Hand und kämpfte dabei mühsam gegen den Lachreiz an. „Soll ich die Stückpforten öffnen und die Culverinen ausrennen lassen?“

      „Unsinn!“ schimpfte Old Donegal. „Es genügt, wenn du mir eine Drehbasse auflädst. Wenn der Höllenvogel dann noch einen einzigen Pfiff von sich gibt, schieße ich ihm sämtliche Federn vom Leib.“

      Das Drama auf der Kuhl zog Kreise. Der Seewolf, der auf dem Achterdeck zusammen mit Ben Brighton, seinem Stellvertreter, über Karten gebrütet hatte, beschwerte diese mit einem Stein und blickte auf die Männer, die sich im Halbkreis um Old Donegal scharten.

      Pete Ballie, der Rudergänger, vergaß beinahe den Kurs, den er steuern sollte. Obwohl er nicht viel sah, hörte er dennoch, daß Außergewöhnliches im Gange war. Sogar Bill sah vom Ausguck herunter, auf dem er Luke Morgan abgelöst hatte.

      Natürlich war der Zwischenfall auch Edwin Carberry nicht entgangen. Er stapfte heran wie ein Racheengel aus biblischen Zeiten.

      „Darf man erfahren, was hier los ist? Warum steht ihr alle plattfüßig da herum und haltet Maulaffen feil?“

      „Oh, nichts Besonderes, Mister Carberry“, erwiderte Luke Morgan. „Al soll nur eine Drehbasse aufladen, damit Mister O’Flynn Sir John die Federn vom Leib schießen kann.“

      „Die – Federn – vom – Leib – schießen?“ Der Profos geriet fast ins Stottern, und sein im Grunde genommen butterweiches Herz zerfloß fast vor Rührung, als ihm dieses barbarische Ansinnen erst richtig bewußt wurde. „Und warum hat Mister O’Flynn diesen – diesen teuflischen Wunsch geäußert? Ist ihm vielleicht die Tinktur des Kutschers durch den Achtersteven hindurch bis ins Hirn gedrungen? Oder hat er von Natur aus einen Sprung in der Schüssel?“

      „Das kann ich nicht beurteilen“, fuhr Luke grinsend fort. „Jedenfalls hat Sir John laut und schrill gepfiffen, weil ich ihm keine Nuß mehr gegeben habe. Und gemäß Mister O’Flynn ruft dieses Pfeifen Unglück und Sturm herbei. Deshalb …“

      „Genug!“ unterbrach der Profos. „Genug des Wahnsinns. Würde einer von euch Rübenschweinen pfeifen, könnte das durchaus einen Sturm anlocken. Bei einem kleinen, zarten Vögelchen jedoch ist das Pfeifen etwas ganz Natürliches. Wer ihm das Pfeifen verbieten will, könnte genauso gut einer Katze das Miauen oder einem Hund das Bellen verbieten. Und dann noch wegen einer Nuß! Wegen einer klitzekleinen Nuß! Das ist einfach nicht zu fassen. Al – hast du die Drehbasse geladen?“

      „Natürlich nicht, Mister Carberry.“

      „Das ist Donegals Glück, sonst hätte ich ihm damit das Holzbein weggeschossen und Ferris damit beauftragt, ihm einen Pferdefuß zu schnitzen.“

      Sir John saß die ganze Zeit über auf der Nagelbank und lauschte hingerissen dem Disput, der offensichtlich durch sein Zutun entfacht worden war. Außerdem schien der Vogel durchaus zu begreifen, daß sich sein Herr und Lehrmeister für ihn einsetzte. Er schwang sich genau zum richtigen Zeitpunkt in die Luft, flatterte zum Profos und ließ sich auf dessen breiter Schulter nieder.

      „Noch eine Nuß!“ flötete er ihm ins Ohr.

      „Eine Nuß möchtest du haben, mein Täubchen?“ Die sonst so rauhe Stimme des Profosen klang gar lieblich. „Na, wenn es sonst nichts ist – die kannst du haben.“ Er kramte in den Hosentaschen und erfüllte seinem gefiederten Liebling den sehnlichen Wunsch.

      Während Sir John mit der Nuß in luftige Höhen entschwebte, brummte der Profos vorwurfsvoll: „Bin mal gespannt, wie oft man euch Rübenschweinen noch verklaren muß, daß so ein Vogel auch nur ein Mensch ist.“

      Das Problem war gelöst. Sir John war der Gewinner dieser Runde. Er hatte seine Nuß, und Sturm und Unglück blieben aus. Die Schebecke lief weiterhin gute Fahrt auf südlichem Kurs. Der heftige Regenguß war vergessen, die Sonne brannte längst wieder heiß vom Himmel.

       4.

      „Deck!“ Der Ruf Bills aus dem Ausguck ließ die Arwenacks aufhorchen. „Steuerbord voraus treibt etwas im Wasser. Es könnte sich um ein Wrackteil handeln.“

      „Wrackteile sind kein gutes Omen“, murmelte Old O’Flynn.

      Er war inzwischen zum Achterdeck auf geentert, und sein zerfurchtes Gesicht ließ nach wie vor erkennen, daß er wegen des Pfeifens von Sir John absolut nichts Gutes erwartete.

      Hasard lächelte, als er die finsteren Blicke des Alten sah.

      „Du solltest nicht gleich den Teufel an die Wand malen, Donegal. Bis jetzt wissen wir nicht mal, ob Bill wirklich ein Wrackteil gesichtet hat. Selbst wenn es so sein sollte, wäre das ja wohl nichts Außergewöhnliches, nicht wahr? Die Erfahrung hat uns bisher leider gezeigt, daß hier genauso oft die Fetzen fliegen wie in anderen Gewässern.“

      Eine ergänzende Meldung Bills ließ nicht lange auf sich warten.

      „Deck!“ tönte es aus dem Ausguck. „Wahrscheinlich sind es Schiffsbrüchige. Ich sehe eine Gräting, auf der zwei Gestalten liegen. Sie klammern sich offenbar daran fest.“

      „Auch das noch“, grummelte Old Donegal. „So was bedeutet immer, daß ungebetener Besuch an Bord erscheint. Weiß der Kuckuck,


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