Athanor 3: Die letzte Bastion. David Falk

Athanor 3: Die letzte Bastion - David  Falk


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      »Vor uns! Ich kann sie riechen.«

      So leise es ging, zog sich Athanor an die Seite seines Freunds zurück und starrte in die Schwärze jenseits des Feuerscheins. Er hörte sie, bevor er die ersten Bewegungen in der Dunkelheit sah. Noch mehr Untote. War das nun ein gutes oder ein schlechtes Zeichen? Hatten sie die Galerie gefunden? Aber warum fiel dann nicht irgendwo hinter den Wiedergängern Licht herein?

      Langsam näherten sich die Untoten der weggeworfenen Fackel. Die vorderste Reihe blieb am Rand des Feuerscheins stehen und sah stumm herüber.

      Athanor schnaubte. »Worauf wartet ihr? Neuerdings Angst zu sterben?«

      »Vielleicht fürchten sie tatsächlich das Feuer.«

      »Das hat sie noch nie aufgehalten. Wenn ihre Herren es befehlen, springen sie.«

      »Demnach sollen sie uns nicht töten«, folgerte Akkamas.

      »Sondern auf dem Gang herumstehen?«

      »Es gibt nur einen Weg, das herauszufinden.« Akkamas sprang vor und stach mit dem Speer nach einem Krieger in Lederrüstung, von dem kaum mehr als das Gerippe übrig war. Mühelos drang die Spitze durch den brüchigen Harnisch. Rasch rückte Athanor mit der drohend vorgereckten Fackel nach, doch der Wiedergänger wehrte sich nicht. Die Skeletthand mit dem rostigen Schwert hing herab, und auch kein anderer Untoter rührte sich. Selbst als Akkamas an seinem Speer zerrte, um ihn wieder herauszuziehen, grinste ihn der Totenschädel des Knochenkriegers nur ungerührt an. Verblüfft wichen sie beide zurück.

      »Was hat das zu bedeuten?« Athanor versuchte, in den grausigen Mienen zu lesen, doch ebenso gut hätte er sich über die Eingeweide eines Opfertiers beugen können. Von Wahrsagerei verstand er nichts.

      »Ich werde einfach weitergehen und nachsehen, ob wir hier richtig sind«, beschloss Akkamas. »Wenn sie mir dumm kommen, gibt es ein Totenfeuer.«

      »Gut. Aber beeil dich! Wir werden bald eingeschlossen sein.« Misstrauisch beobachtete Athanor, wie sich sein Freund unbehelligt zwischen die Wiedergänger schob. Im Gegensatz zu ihm beherrschte der Drache einen Zauber, der ihn vor magischem Feuer schützte. Aus einem Flammeninferno würde er unbeschadet zurückkehren, doch gegen eine Klinge in den Rücken war er nicht gefeit.

      Wieselflink schlängelte sich Akkamas durch die Menge, bis ihn die Dunkelheit verschluckte. Es kam Athanor vor, als warteten die Untoten auf etwas. Einen Befehl? Einen Anführer?

      Weit vor ihm wurde es plötzlich heller. Akkamas? Alarmiert hob er Schild und Fackel, aber schon erlosch der Lichtschein wieder. »Was zum Henker treibst du da?« Es war so voll im Gang, dass seine Stimme nicht hallte.

      »Ich habe einen Blick in den Hof geworfen«, rief Akkamas und klang mit jedem Wort näher. »Wir sind falsch.«

      »Verdammt!«

      Sobald Akkamas in Sicht kam, rannte Athanor den Weg zurück, den sie gekommen waren. Erst bei der Treppe blieb er stehen. Untote betraten gerade die untersten Stufen. Leise Geräusche hinter ihnen verrieten, dass ihnen die anderen Wiedergänger folgten.

      »Worauf wartest du?« Akkamas hastete an ihm vorbei, und Athanor eilte ihm nach. Wenn sie sich zuvor auf der falschen Seite des Hofs wiedergefunden hatten, musste diese Richtung stimmen. Doch schon kam im Schein der Fackel eine Wand in Sicht. Bis vor Kurzem war eine Tür darin gewesen, aber jemand hatte die Öffnung mit einer Mauer verschlossen. Der Geruch feuchten Mörtels hing noch in der Luft.

      »Hadons Fluch!« Athanor fuhr herum und hetzte den Gang zurück. Die ersten Untoten hatten das obere Ende der Treppe erreicht. Sie bewegten sich ebenso langsam und teilnahmslos wie die anderen, die den gegenüberliegenden Flur entlangkamen, doch Athanor traute ihnen nicht. Blieb nur noch ein Weg – tiefer in den Berg hinein.

      Akkamas überholte ihn. »Vor uns ist Licht!«

      Da die Fackel Athanor in die Augen leuchtete, konnte er noch nicht sehen, was sein Freund meinte. Erst als sie eine Kreuzung erreichten, nahm auch er den Feuerschein im Gang zur Rechten wahr. Dieser Gang war deutlich höher und breiter als der, aus dem sie kamen, und setzte sich nach links fort. Linker Hand herrschte jedoch Dunkelheit, aus der nun weitere Untote hervortraten. Athanor entfuhr ein Fluch. Wurden sie systematisch eingekreist?

      »Egal, wir müssen dorthin«, rief Akkamas und eilte auf das Licht zu.

      Wenn das mal nicht der Köder der Falle ist … »Langsam! Du könntest direkt in eine Giftwolke laufen.«

      Akkamas nickte und ließ Athanor aufholen. Schild an Schulter rückten sie vor. Im schwachen Gegenlicht zeichneten sich vor ihnen Gestalten ab. Je näher sie kamen, desto mehr.

      »Untote«, stellte Akkamas fest. »Allmählich werden sie lästig.«

      Nur wenige Speerlängen von den Wiedergängern entfernt blieben sie stehen. Athanor warf einen Blick über die Schulter. Die anderen Untotentrupps hatten sich vereinigt und waren ihnen gefolgt, doch nun kam der Vormarsch zum Stillstand. Die Ruhe vor dem Sturm?

      Ein Fauchen ließ ihn wieder nach vorn blicken. Hinter den Wiedergängern loderte eine Barriere aus Flammen auf. Es war gewöhnliches gelbes, kein magisches Feuer und beleuchtete eine breite hohe Tür, auf deren Flügeln goldene Ornamente schimmerten. »Jede Wette, dass sich dahinter die Leichenschänder verbergen.« Doch viel mehr beeindruckte ihn, dass die Untoten Fackeln an der Barrikade entzündeten und rasch unter sich verteilten.

      »Wiedergänger, die mit Feuer kämpfen?« Akkamas runzelte die Stirn. »Wie ihr wollt. Bringen wir’s zu Ende. Für Dion!« Brüllend stürmte er auf die Türwächter zu. Die Spitze seines Speers hüllte sich in weiße Flammen.

      Athanor folgte ihm mit erhobener Fackel. Während er Theroias Schlachtruf schrie, ging ihm immer noch durch den Kopf, dass es für ein Untotenheer förmlich Selbstmord war, brennende Waffen zu schwenken. Gegen lebende Gegner ergab das überhaupt keinen …

      Der Gedanke riss ab, als sich die Wiedergänger ihnen entgegenwarfen. Jetzt gab es nur noch das Getümmel des Kampfs. Athanor trat verwesende Körper zur Seite, wehrte mit dem Schild Feuer und Klingen ab und stieß die Fackel in den nächstbesten mumifizierten Leib. Vage nahm er wahr, dass auch Feinde an ihm vorbeistürmten, doch es blieben genug. Flammen sengten über sein Kettenhemd. Die Hitze biss ihn in Auge und Wangen. Hastig lenkte er ein Schwert ab, das mit schaurigem Kratzen über den Helm schabte, statt sich in sein Gesicht zu bohren. Das mit Balsamieröl befleckte Totenhemd des Gegners fing Feuer. Athanor stieß ihn beiseite und zog den Arm gerade rechtzeitig zurück, bevor ein rostiges Schlachterbeil darauf niederfuhr. Überall loderte und knisterte es. Flackern und tanzende Schatten verwirrten den Blick. Die leeren Augenhöhlen der Toten verrieten ihre Absichten nicht.

      Immer wieder wirbelte Athanor um die eigene Achse, um Feuer unter die Gegner zu säen und sich Raum zu verschaffen. Die Flammen der eigenen Fackel leckten erneut über seine Haut. Fluchend ließ er sie fallen und duckte sich unter einem Schwerthieb weg. Im Aufspringen rammte er den Feind mit der Schulter, dass der wandelnde Leichnam hintenüber fiel. Der Untote stürzte in die Fackel eines anderen und ging in Flammen auf.

      Athanor warf sich mit dem Schild voran zur anderen Seite. Eine faulig stinkende Leiche taumelte rückwärts und riss einen weiteren Gegner mit. Das Schwert zu ziehen, würde nicht helfen. Er hatte genug Wiedergänger zerhackt, um zu wissen, dass selbst abgetrennte Gliedmaßen an ihrem Platz blieben und weiterkämpften. Er brauchte eine neue Fackel. Jetzt.

      Mit dem Arm fegte er einen Schwerthieb zur Seite und spürte den Aufprall bis in die Knochen, doch im nächsten Augenblick war der Arm vergessen. Stattdessen trat er dem Gegner in den aufgetriebenen Leib, dass Gase wie ein Röcheln durch die Kehle entwichen. Aber wo einem Lebenden die Waffe entglitten wäre, hielt der Untote die Fackel eisern fest.

      Immer mehr Wiedergänger wälzten sich am Boden, um sich zu löschen, brachten andere damit zu Fall und setzten noch mehr in Brand. Athanor sprang über eine der lodernden Leichen, die ihm entgegenrollte, und hechtete nach deren verlorener Fackel. Krachend prallte ein Schmiedehammer gegen seinen Schild. Die Untoten hatten sich mit allem bewaffnet, was ihnen in die Hände


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