Athanor 3: Die letzte Bastion. David Falk

Athanor 3: Die letzte Bastion - David  Falk


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Mit letzter Kraft kroch der verblutende Nekromant von Athanor fort. Doch Athanor schob das Schwert in die Scheide zurück und zog die abgebrochene Klinge. Von außen kratzte es an der kleinen Tür. Gehorsam beugte sie sich der Macht des drakonis, das jede Magie aufhob, die mit dem Metall in Berührung kam.

      Athanor wich der aufspringenden Tür aus und gab den Weg für die hereindrängenden Leichen frei. Als sie tatsächlich achtlos an ihm und Akkamas vorübergingen, konnte er ein wenig Erleichterung nicht leugnen. Sollten die Opfer über ihre Peiniger richten. Er war nicht als Henker gekommen, sondern um das Umherstreifen der Toten zu beenden. Aber wenn sie sich nicht mehr auf Befehl der Nekromanten erhoben, weshalb dann? Würde Davaron aufstehen, um sich an ihm zu rächen? Zum Dunklen mit sämtlichen Toten der Welt!

      Immer enger rückten die Magier zusammen, als könnte sich einer hinter dem anderen verstecken. Noch einmal reckte der junge Mann flehend die Hände und suchte Athanors Blick.

      Athanor schüttelte den Kopf. »Alles, was wir tun, hat seinen Preis. Am Ende müssen wir ihn bezahlen.«

      * * *

      Athanor betrat die Galerie und schloss die Tür hinter sich. Um die ihm anvertrauten Menschen zu schützen, hätte er die Magier getötet, jeden einzelnen. Doch nun, da er wusste, dass die Wiedergänger nicht länger den Befehlen der Nekromanten gehorchten, verflog seine Wut. Die Untoten würden ihre Peiniger zum Dunklen schicken. Ihr Schicksal ging ihn nichts mehr an. Er steckte das Schwert ein und lehnte sich müde gegen die Tür.

      »Du blutest«, stellte Akkamas nüchtern fest.

      Athanor folgte dem Blick seines Freunds und hob den pochenden Arm. Wo er den Schwerthieb abgefangen hatte, klaffte ein Spalt in Ketten- und Stoffhemd. Darunter quoll etwas Blut hervor, aber der Schnitt konnte nicht tief sein. Er würde sich später darum kümmern – wenn sicher war, dass sich die Wiedergänger nach dem Massaker nicht doch noch auf ihn stürzten.

      »Kommt in die Sammlung«, befand er gleichmütig und trat zu Akkamas ans Geländer. Mehrere Stockwerke tiefer lag der Hof ebenso ausgestorben wie die Wandelgänge gegenüber. Noch ein verlassenes Bauwerk mehr. Es mochte der Verwüstung durch die Drachen entgangen sein, doch außer Schlangen und Skorpionen würde es niemand in Besitz nehmen.

      Er stellte Schild und Speer ab und rieb sich die Hand, die davon schmerzte, beides so lange umklammert zu haben. Nichts an der schwieligen, wettergegerbten Haut erinnerte noch an den einstigen Prinzen Theroias. Er war jetzt König. Aber ein König durch Asche und Schwert.

      »Was ist mit dir?«, erkundigte sich Akkamas. Nicht einmal Rußflecken und einem blutigen Kratzer gelang es, sein Schönlingsgesicht zu entstellen. Stattdessen verliehen sie ihm einen verwegenen Zug. »Bereust du deine Entscheidung?«

      »Nein.«

      »Ich könnte es verstehen«, behauptete Akkamas. »Immerhin sind es Menschen, und es gibt nicht mehr viele von euch.«

      »Nicht gerade die Sorte Männer, mit denen man ein zerstörtes Land aufbaut.«

      Akkamas grinste. »Sie könnten die Untoten neue Häuser errichten lassen.«

      »Offenbar nicht mehr. Jetzt, wo sie endlich einmal nützlich wären …«

      »Es tut gut zu sehen, dass du noch scherzen kannst. Ich würde gern mehr tun, als dir bei weiterem Blutvergießen zu helfen, aber ich fürchte, zu viel mehr tauge ich nicht.«

      »Du hast mir in den letzten Tagen sehr geholfen«, versicherte Athanor. Sie hatten jedes Ordenshaus der Magier, ob von den Drachen niedergebrannt oder scheinbar verlassen, nach überlebenden Nekromanten durchsucht und dafür gesorgt, dass sie nie wieder Leid über Dion bringen konnten. Doch wenn sich die Untoten nun nach eigenem Willen erhoben … »Sag mir nur, dass nicht alles umsonst war.«

      »Kann es sinnlos sein, die Welt von solchen Grausamkeiten zu befreien?« Akkamas deutete auf die lebensgroßen Statuen, die in den Wandnischen der Galerie standen.

      Was zum Dunklen haben die damit zu tun? Gereizt musterte Athanor die Skulpturen. Stellten sie frühere Großmeister des Ordens dar? Doch es gab auch Männer in Rüstung, und einige standen in sehr seltsamer Haltung da. Als wären sie mitten in der Bewegung erstarrt.

      In Athanor keimte ein Verdacht. Er sah in die Gesichter und fand Furcht, Wut und Erschrecken. Die versteinerten Opfer der Basilisken! »Sie haben sie zur Schau gestellt wie verdammte Trophäen!«

      »Dachte ich mir doch, dass du einen anderen Kunstgeschmack hast. Vielleicht sollten sie auch Abweichlern zur Abschreckung dienen«, vermutete Akkamas mit Blick auf einen steingewordenen Robenträger.

      Athanor war es gleich. Er hatte genug Geschichten darüber gehört, wie die Nekromanten den einst ehrenwerten Magierorden von innen zersetzt und ihre Gegner beseitigt hatten. »Du hast recht. Diese Rattennester mussten ein für alle Mal ausgeräuchert werden. Selbst wenn es die Untoten nicht aufhält.«

      »Noch wissen wir es nicht mit Sicherheit«, wiegelte Akkamas ab. »Vielleicht geht es nur darum, die Nekromanten zu bestrafen, und danach wird alles wie früher sein.«

      Athanor lächelte ironisch.

      »Na gut, es wird nie wieder wie früher sein«, gab sein Freund zu. »Dion ist zerstört, und der Große Drache wacht nicht mehr über das Land.« Trauer schlich sich in Akkamas’ Gesicht.

      »Es liegt mir fern, deinen Vater zu beleidigen, aber … erst seit er tot ist, kämpft tatsächlich ein Drache für Dion. Und das bist du.« Ohne Akkamas’ Eingreifen hätten sich die Verbündeten seines Vaters nach dem Mord an ihrem Anführer in alle Winde zerstreut, statt den Menschen gegen Rakkathors Drachenheer beizustehen. Auch so waren sie beinahe zu spät gekommen. Athanor schüttelte den Kopf. Nachdem sein eigenes Volk von Drachen hintergangen und vernichtet worden war, hatte er nicht geglaubt, je wieder einem Drachen vertrauen zu können. Doch um die letzten Dionier zu retten, war ihm nichts anderes übrig geblieben.

      »Ich mag seine Aufgabe erfüllen, aber ich bin nicht er«, erwiderte Akkamas. »Er war es, der vor Jahrtausenden den Bund mit Dion geschlossen hat, und nun sind seine Priester ebenso tot wie er. Machen wir uns nichts vor: Die Zeit des Großen Drachen ist vorüber. Und wessen Zeit nun angebrochen ist, wissen wir noch nicht.«

      Das Zeitalter des Dunklen. Athanor versuchte, den Gedanken zu verscheuchen, doch es gelang ihm nicht. In den letzten Jahren hatte der Tod so reiche Ernte gehalten, dass Athanor der Mythos vom täglichen Sieg Aurades’ über seinen dunklen Zwilling Hadon wie Hohn erschien. Wenn die Sonne aufging, wurde es hell – sonst nichts. Gestorben wurde trotzdem. Und die Toten erhoben sich nun schon bei Tag, als wollten sie Aurades’ Angesicht am Himmel verspotten.

      »Was, wenn es nicht nur um die Nekromanten geht?«, fragte er. »Was, wenn nun jeder zum Wiedergänger wird, der eine Rechnung offen hat?«

      Akkamas rieb sich nachdenklich das Kinn. »Fürchtest du die Rache jener, die du getötet hast?«

      Tue ich das? An die Zauberer hatte er noch gar nicht gedacht. Nur an Davaron, und der war ein Elf. Doch bislang hatten sich nur Menschen aus ihren Gräbern erhoben.

      »Sollte mir Vaters Mörder als Wiedergänger begegnen, werde ich ihn jedenfalls mit Freuden in ein Häufchen Asche verwandeln«, verkündete Akkamas.

      Athanor nickte. Dieser Sethon hatte nicht umsonst den Titel Großmeister geführt. Er war der Schlimmste von allen gewesen. Selbst im Angesicht der Vernichtung durch die Drachen hatte er seine Untoten auf das eigene Volk gehetzt, um die Regentin, Nemera, zu entführen. Er hatte es mit ihrem Dolch in der Brust bezahlt. Athanor schreckte auf. »Wir müssen zurück! Wenn Sethon aufsteht, ist Nemera in Gefahr!«

      2

      Orkzahn grunzte zufrieden in seinen verfilzten Bart. Reglos lagen die Gegner vor ihm im alten Laub. Das Blut der Orks leuchtete so rot wie die Kappen der Pilze, die vom nahenden Herbst kündeten. Der Anblick erinnerte ihn an eine Zeit, die seltsam fern schien, obgleich sie erst einige Monde zurücklag. Er war ein Sklave gewesen, ein Knecht seiner eigenen Angst. Wie ein Ochse hatte er sich unter


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