Athanor 3: Die letzte Bastion. David Falk

Athanor 3: Die letzte Bastion - David  Falk


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      * * *

      Geduldig drehte Orkzahn den Bratspieß. Um seinen knurrenden Magen zu beruhigen, hatte er den abgesengten Arm des Orks roh verspeist und freute sich nun auf schmackhafteren Nachschlag. Mit dem Abend war Stille im lichten Wald eingekehrt. Nicht einmal Vögel sangen. Doch das Wild verhielt sich in letzter Zeit so seltsam, dass Orkzahn es ohnehin nicht verstand. Eulen flogen am helllichten Tag herum, als hätte sie etwas aufgescheucht. Rehe und Hirsche verließen ihre Deckung in sinnloser Flucht. Beim Äsen witterten und lauschten sie, als läge der Geruch eines Raubtiers in der Luft, auch wenn der Troll weit und breit keine Spur von Löwen oder Wölfen fand. Selbst die Asseln in seiner Höhle … Nein, Asseln krabbelten eigentlich immer ziellos umher. Er sollte sie besser nicht in seine Betrachtungen einbeziehen.

      Anfangs hatte ihn das merkwürdige Benehmen beunruhigt. Es hatte ihn an die gespenstisch leeren Wälder Theroias erinnert, aus denen alle Tiere vor den Untoten geflohen waren. Mittlerweile schüttelte er nur noch verwundert den Kopf. Das Wild rannte zwar manchmal dämlich im Kreis, stand wie erstarrt in der Gegend herum oder sprang ihm fast in die Arme, aber es war noch da.

      Allmählich stieg Bratenduft von dem brutzelnden Ork auf. Zischend tropfte schmelzendes Fett in die Flammen. Orkzahn hatte die Gliedmaßen gekürzt und mitsamt dem abgetrennten Kopf in die Abfallgrube neben der Höhle geworfen. In ihrem Lager unterhalb der Grenzfestung Uthariel hatte Athanor stets die Nase über den Gestank aus den Gruben gerümpft. Er hatte nichts darüber gesagt, aber es war Orkzahn nicht entgangen. Die Elfen hatten sich niemals mit abfälligen Bemerkungen zurückgehalten. Sie waren die Herren und sahen mit unverhohlener Abscheu auf ihre Sklaven herab – auch wenn sie diesen Sklaven nur bis zum Bauchnabel reichten. Wozu Rücksicht nehmen? Wenn Orkzahn etwas an einem anderen Troll nicht gefiel, sagte er das auch geradeheraus. Deshalb hatte er Athanors Schweigen zunächst als Schwäche ausgelegt. Dabei hielt er sich zurück, um uns Respekt zu erweisen. Den Respekt, den uns die Elfen verweigerten. Orkzahn rechnete es ihm immer noch hoch an. Da hatte er etliche Menschen gegessen, ohne zu ahnen, dass sie so gute Verbündete gegen übermächtige Gegner abgaben …

      In der Grube raschelte es. Sicher eine Ratte, die hineingefallen war und nun im alten Laub hauste. Orkzahn sah das Biest förmlich zwischen den Innereien seiner Beute sitzen und schmatzen. Von seinen Abfällen konnte es so fett werden, dass es selbst eine kleine Mahlzeit abgab. Kinder liebten es, wenn er ihnen eine Ratte mitbrachte, und Mütter liebten es, wenn er ihre Kinder erfreute. So war allen gedient. Warum nicht gleich morgen bei Rotwange vorbeigehen und ihr einen der Orks bringen? Dass er darauf nicht gleich gekommen war. Die Wunde am Bein würde ihm neugierige Fragen und Bewunderung einbringen.

      Wieder drang aus der Grube Rascheln herauf. Orkzahn glaubte, schrille Laute zu hören, doch sie waren sehr leise, und seine Ohren taten sich mit hohen Tönen schwer.

      Plötzlich zuckte der Kadaver am Spieß. Fetttropfen prasselten wie Hagel ins Feuer. Sofort hüllte Rauch den zappelnden Körper ein. Hastig zog Orkzahn die Hand vor heißen Spritzern und auflodernden Flammen zurück, doch sein Blick klebte an dem ausgeweideten, enthaupteten Ork, der mit verstümmelten Gliedmaßen um sich trat.

      Heilige Riesenscheiße! Was zum Ahnherrn ging hier vor? Unwillkürlich sah er sich nach einem Elf um, der ihm einen bösen Streich spielte. Doch da war niemand. Nur der Spieß, der unter den heftigen Bewegungen des unbotsamen Bratens auf den Astgabeln tanzte. Orkzahns Magen ballte sich wie eine Trollfaust, aber es lag nicht an Hunger. Er sah nicht zum ersten Mal Leichen, die sich verzweifelt in verzehrenden Flammen wanden. Aber er hatte gehofft, er würde es nie wieder sehen.

      Das ist nur ein dummer Zufall. Frische Fische zuckten schließlich auch noch im Feuer. Widerstrebend wandte er sich ab, um in die Grube zu sehen. Er war ein Troll. Er sollte keine Angst spüren. Doch die Haare auf seinen Armen richteten sich auf wie die Stacheln eines furchtsamen Igels. Mächtige Ahngeister, lasst es nur eine Ratte sein!

      Er beugte sich ein wenig vor. Am Boden der Grube türmten sich abgenagte Knochen, Unrat und frisches Gedärm. Dazwischen zappelten Hände und Füße des Orks wie auf den Rücken gefallene Käfer. Selbst der Schädel wackelte auf einem Bett aus blutgetränktem Laub.

      Deshalb war es so still. Die Erkenntnis traf Orkzahn wie ein Keulenhieb. Der Ork war ein Wiedergänger, und wo es einen gab, waren stets noch mehr aufgetaucht. Orkzahns Herz pochte wie eine Schamanentrommel in seiner Brust. Unzählige Trolle waren im Kampf gegen die Untoten gefallen, und er war allein. Hastig klaubte er den schweren Knüppel auf, doch der würde ihn nicht retten.

      Eine Bewegung unter den Bäumen lenkte seinen Blick in die Schatten. Feuer spiegelte sich auf einer Klinge. Ansonsten war alles schwarz. Orkzahn hob mit der anderen Hand den Bratspieß. Auf einen zappelnden Ork mehr oder weniger kam es auch nicht mehr an.

      Weitere Gestalten lösten sich aus den Schatten des Waldes und stürmten auf Orkzahn zu. Sie bleckten die Zähne, doch aus ihren Kehlen kam kein Kriegsgeschrei. Wiedergänger waren stumm. Die Stille war Orkzahn unheimlich. Er brüllte, um sie zu zerreißen, wie er die Untoten zerreißen würde, und warf sich ihnen entgegen.

      Dem Vordersten rammte er den Bratspieß durch die Brust und schob ihn vor sich her, bis die Spitze der kruden Waffe in einen Baumstamm fuhr. Sollte er dort mit dem Braten um die Wette zappeln, bis ihnen das Fleisch von den Knochen faulte! Von der Seite schwang ein Untoter die rostige Axt. Orkzahn kam ihm zuvor und schleuderte ihn mit einem Keulenhieb davon. Kein lebender Gegner hätte sich nach einem solchen Schlag wieder erhoben, doch dieser würde zurückkommen. Drei weitere umringten den Troll und drangen gleichzeitig auf ihn ein. Orkzahn fegte zwei von ihnen mit dem Knüppel von den Beinen, während er blindlings mit der freien Hand nach dem Dritten griff. Das Kurzschwert des Wiedergängers schnitt in seinen Arm, bevor er ihn um den Hals packte und in die Luft riss. Ein kurzer Druck mit dem Daumen gegen das Kinn, und das Genick des Orks gab knirschend nach. Dennoch hackte der verfluchte Leichnam wieder mit dem Schwert nach ihm. Orkzahn konnte ihn gerade noch fallen lassen. Hastig trat er auf den Untoten, dessen Rippen unter dem Gewicht brachen, und hielt ihn so am Boden fest, während sich die anderen wieder auf ihn stürzten. Er musste sie entwaffnen. Schnell.

      Wieder wehrte er einen der Orks mit einem Keulenhieb ab. Den anderen schnappte er sich mit beiden Händen, riss ihm den Schwertarm aus und warf die Gliedmaße weit von sich, sonst setzte sich der Wiedergänger sofort wieder zusammen. Scharfe Stiche im Bein warnten ihn, dass der Gegner unter seinem Fuß mit der Klinge nach ihm stieß. Doch schon rannten wieder zwei Orks gegen ihn an. Krähen hatten ihnen bereits die Augen ausgepickt, aber ihre Geister sahen Orkzahn offenbar deutlich genug.

      Der Rechte schwang ein Beil, der Linke eine mit Stacheln bewehrte Keule. Ohne nachzudenken, entschied sich Orkzahn für den Axtschwinger, packte ihn beim Waffenarm und schleifte ihn zu dem abgestorbenen Baum hinüber, an dem er sonst seine Beute zum Ausbluten aufhängte. Unter den Schlägen des Keulenträgers, der von hinten auf seine Nieren eindrosch, entwand er dem Untoten das Beil und schleuderte es davon. Dann hob er den Kerl empor, um ihn mit Schwung auf einen abgebrochenen Ast zu spießen.

      Noch immer prügelte der Knüppelschwinger auf seinen Rücken ein. Knurrend fuhr Orkzahn herum und fällte den Untoten mit der bloßen Faust. Wie Schmeißfliegen kamen der zertrampelte und der einarmige Ork zurück. Orkzahns Blick fiel auf einen Felsbrocken nahe des Höhleneingangs. Genau das, was er brauchte. Er ignorierte den Einarmigen, schleuderte den anderen mit einem Tritt in den Leib durch die Luft und trampelte über einen am Boden liegenden Wiedergänger hinweg. Sie alle würden erneut aufstehen. Wieder und wieder.

      Der Felsblock war groß wie ein Trollschädel und doppelt so schwer. Zumindest kam es Orkzahn so vor, als er den Stein mit beiden Händen hob und dem erstbesten Untoten entgegenwuchtete. Flüchtig hörte er das Bersten der Knochen, bevor der Fels am Boden aufschlug. Die Erde zitterte unter dem Aufprall. Arm und Unterleib des Zermalmten ragten unter dem Steinblock hervor. Die untoten Beine strampelten, doch Orkzahn blieb keine Zeit, seinen Triumph auszukosten. Der Ork mit dem Kurzschwert war schon wieder heran und schnellte auf den Stein, um Orkzahn anzuspringen. Der Troll fegte den Angreifer mit bloßem Arm zur Seite, dass der Untote an die Felswand klatschte, in der sich der Eingang zur Höhle befand. Rasch bückte sich Orkzahn nach einem weiteren Felsblock und hievte ihn auf den Gegner.

      Noch


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